Philipp Poisel erzählt über sein neues Live-Album, sein Architekturstudium, Förderer Herbert Grönemeyer und sein Social-Media-Nachholbedarf.
Sänger Philipp Poisel (40) veröffentlicht am 8. März sein Live-Album „Neon Acoustic Orchestra“. Aufgezeichnet wurde das dazugehörige Konzert mit den Songs aus seinem Album „Neon“ (2021) im vergangenen April in der Motorworld Metzingen bei Stuttgart. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der gebürtige Ludwigsburger über die Besonderheiten eines Live-Albums, seinen Förderer Herbert Grönemeyer (67), sein fast abgeschlossenes Architekturstudium und seinen 40. Geburtstag im vergangenen Jahr.
Warum hatten Sie Lust, nach „Neon“ auch noch das Live-Album „Neon Acoustic Orchestra“ zu machen?
Philipp Poisel: Beim Live-Album hat man zum einen mehr Freiraum. Die Lieder sind bereits durch die Platte davor veröffentlicht und man kann dann damit viel mehr improvisieren. Man guckt noch einmal von außen darauf und ist irgendwie entspannter, weil man die Sache bereits losgelassen hat. Dann kann ich es genießen, die Songs live zu spielen. Zum anderen haben wir während Corona in großen Hallen gespielt, die aber nicht ganz voll waren und der große Abstand zwischen den Stuhlreihen hat sich total schlecht angefühlt. Ich hatte die ganze Zeit den Wunsch, näher zusammenzurücken und daher kam die Idee auf, wie an einem Lagerfeuer zusammenzusitzen und die Musik wieder in leisen Tönen zu spielen.
Das Konzert wurde in Metzingen bei Stuttgart aufgenommen. Haben Sie den Ort aufgrund Ihrer Heimat ausgewählt?
Poisel: Wir haben auch in Berlin geguckt, aber irgendwie sind wir dann doch hier im Ländle fündig geworden. Ich bin über einen Freund auf die Halle gekommen und mir war wichtig, die Idee einer kleinen Insel umzusetzen, sodass das größere Umfeld ausgeblendet wird und eine intimere Atmosphäre herrscht. Und so saß das Publikum im Kreis um uns und die Bühne herum. Insgesamt bin ich aber auch ein extremer Stuttgart-Fan. Ich finde, die Stadt hat genau die richtige Größe und es ist auch cool, dass sie ein bisschen underrated ist. Wenn Leute sagen: ‚Oh Gott, hier ist es so hässlich.‘ Dann denke ich: ‚Ist doch ganz gut, dass man hier ein bisschen unter dem Radar läuft, das fühlt sich doch gut an.‘ (lacht)
Wie verändert sich Ihr Gefühl, wenn Sie mit Orchester auf der Bühne stehen?
Poisel: Ich fühle mich natürlich sehr geschmeichelt, dass so großartige Musiker sich darauf einlassen und mit mir zusammenarbeiten. Bei Orchester-Konzerten übernehme ich auch gerne selber die Zuhörerposition, wenn ich mal eine kleine Pause habe und nicht singen muss. Da genieße ich es einfach, zuzuhören. Es hat etwas Feierliches, es ist ein kleines Fest, bei dem die Songs, die man geschrieben hat, zelebriert werden.
Gibt es ein Instrument, was Sie in einem Orchester besonders spannend finden?
Poisel: Ich finde vor allem den Zusammenklang gut. Ansonsten mag ich Cello total gerne und was dieses Mal neu war, war das Saxofon. Dadurch hatten wir ein paar mehr jazzige Arrangements und es wurde nicht zu klassisch, weshalb wir ein relativ vielseitiges Programm haben.
Herbert Grönemeyer mit seiner Plattenfirma Grönland Records war von Anfang an ein sehr großer Supporter von Ihnen. Wie sieht der Kontakt heute aus?
Poisel: Der Kontakt ist auf jeden Fall weiterhin da und wir sehen uns gelegentlich. Grönland richtet auch einmal im Jahr eine Art Weihnachtsfeier aus, die letztes Mal auch wieder super lustig war. Ich bin immer noch sehr stolz, dass ich aus dem Label erwachsen bin. Was ich an Herbert als Musiker schätze ist, dass er sehr nahbar geblieben ist, trotz seiner Popularität. Wenn ich sehe, wie Leute auf ihn zukommen und wie er dann damit umgeht – er liebt seine Fans einfach und das ist sehr wichtig.
Gibt es noch weitere Vorbilder für Sie?
Poisel: Gerade inspirieren mich vor allem jüngere Leute und freshe, trendy Sachen. Ich gucke also eher nicht auf lange etablierte Künstler oder meine eigene Rente (lacht), sondern mich reizt das, was ich noch machen könnte. Mich begeistert die Vielseitigkeit, die es heute gibt, man kann viel schneller etwas aus seinem Wohnzimmer heraus kreieren und dadurch ist unheimlich viel Kreativität da. Ich habe die letzten Jahre studiert, war ein bisschen off und habe jetzt die Challenge, wieder Anschluss zu finden. Den habe ich, glaube ich, ein bisschen verpasst. Ich hätte vielleicht früher auf Instagram und Co. aktiv werden müssen, jetzt ist der Weg dorthin umso länger, aber damit muss ich leben. Wenn man sich damit beschäftigt, dann ist es ja auch eine Chance. Wenn ich auf Tour bin, dann bin ich wieder offener dafür, als wenn ich zu Hause herumsitze. Die Ausrede, dass ich keine Zeit dafür habe, gibt es dann auf jeden Fall nicht mehr.
Wie ist der Stand bei Ihrem Architekturstudium?
Poisel: Wenn nichts mehr schiefläuft, dann bin ich im August fertig. Der Anfang war schon heftig. Es sind enorm ambitionierte Leute in dem Studiengang und da muss man sich schon hineinhängen und doppelt so viel geben, wenn man ernst genommen werden will als jemand, der eigentlich was ganz anderes bisher gemacht hat. Da wurden die Nächte durchgelernt und es war extrem zeitaufwendig. Ich bin wirklich froh, wenn es jetzt rum ist.
Wollen Sie in dem Beruf auch arbeiten?
Poisel: Ich habe einen Freund, der ein kleines Architekturbüro hat. Ich kann mir schon vorstellen, an ein paar kleineren Projekten mitzuwirken. Es ist auch als Musiker wichtig, mal mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen und zwischenmenschliche Beziehungen in seinem Alltag zu pflegen. Daraus entsteht ja im Endeffekt auch die Kunst. Wenn man entweder zu Hause oder auf Tour ist, ist das nicht hilfreich.
Arbeiten Sie auch an ganz neuer Musik?
Poisel: Da rede ich immer ganz ungern darüber, weil ich das Gefühl habe, ich möchte das erst mal für mich behalten. Aber was ich sagen kann ist, dass ich im Kopf jede freie Sekunde irgendwie an neuen Songs arbeite. Das hört nie auf. Richtig ins Studio gehen werde ich wahrscheinlich erst dann ab August, September. Es könnte schon sein, dass dann relativ schnell ein neues Album kommt. Es wäre schön, Anfang/Mitte nächsten Jahres mit etwas Neuem am Start zu sein.
Sie sind letztes Jahr 40 geworden. Hat das für Sie etwas verändert?
Poisel: Als 39-Jähriger denkt man schon, dass man auf dieses Damoklesschwert zurast. Seitdem ich jetzt 40 bin, interessiert es mich irgendwie gar nicht mehr. Es ist mir kein Stein auf den Kopf gefallen, es ist nichts Schlimmes passiert. Ich denke eher als Nächstes an die 50, und dafür bin ich ja noch total jung (lacht). Ich habe noch eine ganze Dekade vor mir, bevor der nächste runde Geburtstag ansteht.