Auf der Gläubigerliste der Signa-Gruppe finden sich zahlreiche deutsche Sparkassen und Volksbanken. Sie haben Millionen in Projekte von René Benko investiert
Seit das Signa-Imperium von René Benko zusammengebrochen ist, bangen die Kapitalgeber um ihr Geld. Zu ihnen sollen zahlreiche deutsche Sparkassen sowie Volksbanken und Raiffeisenbanken gehören. Das geht aus einer Gläubigerliste hervor, die die Bild-Zeitung veröffentlicht hat. Auffällig dabei: Selbst kleine regionale Geldhäuser stechen mit größeren Millionenbeträgen hervor. Damit scheinen in den Kreditportfolios von Sparkassen und Volksbanken teilweise erherbliche Benko-Risiken zu schlummern.
So soll demnach zum Beispiel die Raiffeisenbank im Hochtaunus in Hessen 14,8 Mio. Euro an Signa verliehen, die Sparkasse im niedersächsischen Soltau 5,7 Mio. Euro Kredit an den Benko-Konzern ausgegeben haben.
STERN PAID 46_23 Elbtower René Benko und Olaf Scholz
In den vergangenen Wochen mussten zahlreiche Gesellschaften der Signa-Unternehmensgruppe Insolvenz anmelden. Die Schweizer Bank Julius Bär, die deutlich größer ist als viele deutsche Regionalbanken, brachte das in Turbulenzen. Sie gehört zu den größten Geldgebern – und musste Kredite in Höhe von 586 Mio. Franken vollständig abschreiben. Der Jahresgewinn halbierte sich deshalb. Chef Philipp Rickenbacher musste seinen Hut nehmen und das Bankhaus verlassen.
Könnte die Signa-Pleite also auch die deutschen Genossenschaftsbanken und Sparkassen in Bedrängnis bringen, die der Firmengruppe größere Kreditsummen bewilligt haben?
80 Mio. Kredit von der DZ Bank an die Signa-Gruppe
Capital hat bei 15 Sparkassen und Genossenschaftsbanken nachgefragt, die laut „Bild“ in Signa investiert haben. Doch nur ein Institut antwortete auf die Anfrage zu den Kreditrisiken, alle anderen 14 hüllten sich in Schweigen: Keinen Kommentar gab es von der Berliner Volksbank, die Signa einen Kredit im Volumen von 10 Mio. Euro gewährt haben soll. Nicht äußern wollten sich zudem die Kreissparkasse Göppingen (7,5 Mio.), Sparkasse Groß-Gerau (20 Mio.), Kreissparkasse Soltau (5,7 Mio.), die Nassauische Sparkasse (15,5 Mio.) und die Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg (17,2 Mio.). Ebenso zu ihren Benko-Krediten schwiegen die Sparkasse Heidelberg (13,2 Mio.), Sparkasse Leipzig (3,5 Mio.), Sparkasse Rhein-Nahe (35 Mio.), Sparkasse Saarbrücken (1,8 Mio.), Volksbank eG Seesen (4,3 Mio.), Volksbank Odenwald (7,7 Mio.), VR-Bank Memmingen (60 Mio.) sowie die Raiffeisenbank im Hochtaunus eG (14,8 Mio.).
Lediglich die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, gab Auskunft. Laut Liste steht Signa bei ihr mit 80 Mio. Euro in der Kreide. Den genauen Betrag wollte eine Sprecherin nicht bestätigen, nur so viel: Die Tochtergesellschaft DZ Hyp, die sich um gewerbliche Immobilienfinanzierung kümmere, unterhalte „zwei kleinere Objektfinanzierungen in sehr überschaubarem Rahmen“ in zweistelliger Millionenhöhe. Mit den kreditnehmenden Signa-Unternehmen bestünden langjährige Geschäftsbeziehungen. „Die Finanzierungen sind besichert“, sagte die Sprecherin zu Capital. „Sie bereiten uns keine Sorgen.“ Bei einer Bilanzsumme von 627 Mrd. Euro im Jahr 2022 stellt ein 80 Mio. Kredit für die DZ Bank tatsächlich eine kleine Position dar.
Signa verkauft Luxusimmobilien7.49
VR Bank Memmingen investiert Millionen in Düsseldorf
Andere Banken könnten auf wackeligeren Beinen stehen: Ein besonders großes Darlehen hat die bayerische Volksbank Raiffeisenbank Memmingen erteilt. Saftige 60 Mio. Euro sollen von ihr an Benkos Signa-Gruppe geflossen sein. Bei einer Bilanzsumme von 1,3 Mrd. Euro im Jahr 2022 könnte sich ein Ausfall des Darlehens bei der Regionalbank durchaus bemerkbar machen. In ihrem Geschäftsbericht für 2022 bezeichnet die VR Bank Memmingen das gewerbliche Immobilienkreditgeschäft als Haupttreiber bei den wachsenden Forderungen an Kunden.
Der Kredit könnte nach Recherchen des „Handelsblatt“ für eine Düsseldorfer Signa-Immobilie erteilt worden sein, in der sich früher eine Galeria-Filiale befand. Die Wirtschaftszeitung verweist auf das Grundbuch des Grundstücks, in dem die VR-Bank Memmingen als einzige Bank mit einer Grundschuld eingetragen sei. Die Lage der infrage stehenden Immobilie überrasche, da Genossenschaftsbanken ihre Tätigkeit üblicherweise auf ihr regional abgestecktes Geschäftsgebiet beschränken. Auf Anfrage von Capital wollte sich die VR Bank Memmingen nicht äußern.
Verband der Genossenschaftsbanken will beruhigen
Einen weiteren hohen Kredit hat wohl die Raiffeisenbank im Hochtaunus erteilt: 14,8 Mio. Euro soll die hessische Genossenschaftsbank einem Signa-Unternehmen geliehen haben. Der Geschäftsbericht 2022 wies eine Bilanzsumme in Höhe von 1,4 Mrd. Euro aus. Ebenfalls in Hessen konnte Signa die Volksbank Odenwald von sich überzeugen und einen Kredit von deutlich über 7 Mio. Euro erhalten. Die in Niedersachsen ansässige Volksbank Seesen soll Signa einen 4,3 Mio.-Euro-Kredit bewilligt haben. Auch diese Institute schwiegen zu einer Capital-Anfrage und reagierten nicht.
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bemüht sich, die Risiken durch die Kreditvergaben an den Signa-Konzern herunterzuspielen. Banken der genossenschaftlichen Finanzgruppe betrieben ihr Kreditgeschäft umsichtig. „Risiken aus den insolventen Signa-Töchtern betreffen nach unserer aktuellen Analyse unsere Institute nur im Einzelfall in sehr überschaubaren und wenig risikorelevanten Größenordnungen“, antwortete der BVR auf Nachfrage von Capital.
Signa steht bei Sparkassen in der Kreide
Neben den mutmaßlich betroffenen Volks- und Raiffeisenbanken mauern auch die Sparkassen. Die Bild-Zeitung gibt die Höhe des Signa-Kredits der Sparkasse Rhein-Nahe in Rheinland-Pfalz mit 35 Mio. an, bei einer Bilanzsumme von zuletzt 6,4 Mrd. Euro. Auch die Kreissparkasse im baden-württembergischen Göppingen taucht mit einem 7,5 Mio.-Euro-Darlehen auf, die Nassauische Sparkasse aus Hessen soll über 15,5 Mio. Euro an Signa verliehen haben.
Darüber hinaus sollen zwei niedersächsische Institute Kredite an Signa-Unternehmen vergeben haben: 5,7 Mio Euro sollen von der Kreissparkasse Soltau gekommen sein, von der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg sogar 17,2 Mio. Euro.
Sicherungsfonds springen bei Schwierigkeiten ein
Unklar bleibt, ob die Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre Millionen wiedersehen oder überhaupt eine Teilrückzahlung erwarten können. Allein gegen die Signa Holding waren bei Gericht Ende Januar bereits 302 Forderungsanmeldungen in Höhe von insgesamt 8,6 Mrd. Euro eingegangen. Eine Gläubigerliste liegt Capital vor. Ansprüche meldeten unter anderem die Sparkasse Rhein-Nahe und die Kreissparkasse Göppingen an. Der Insolvenzverwalter ließ mitteilen, von den Forderungen gegen die Signa Holding seien lediglich 80,3 Mio. Euro berechtigt. Den Rest bestreite er vorläufig.
Dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken an einem Signa-Investment zerbrechen, ist nahezu ausgeschlossen: Sollten Volksbanken oder Raiffeisenbanken in finanzielle Schwierigkeiten geraten, würde der Sicherungsfonds der deutschen Genossenschaftsbanken einspringen und die Summe zuschießen. Die Sparkassen sind durch das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe geschützt, das den Fortbestand der ihr zugehörigen Institute bei Schieflage gewährleistet.
Auch hier hätten Capital Details interessiert. Doch der für die Sparkassen-Institute zuständige Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) schweigt zu dem Komplex lieber und ließ die Anfrage von Capital unbeantwortet.
Zuletzt setzten dem Signa-Imperium, deren Kern das Immobiliengeschäft ist, gestiegene Zinsen, zunehmende Baukosten und hohe Energiepreise zu. Die Pleitewelle riss unter anderem die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof mit sich. Ende Januar meldete auch die KaDeWe-Gruppe Insolvenz an, die sich knapp zur Hälfte in Signa-Besitz befindet.