Politikerinnen und Politiker der Grünen haben sich besorgt über die zunehmenden öffentlichen Anfeindungen gegen ihre Partei gezeigt. Anlass für die Äußerungen war die Absage der Grünen-Veranstaltung zum Aschermittwoch im schwäbischen Biberach wegen aggressiver Proteste vor der Halle. „Demokratischer Diskurs macht uns aus – nicht das Verhindern von Gesprächen, nicht das Beschimpfen und nicht das Überschreiten von Grenzen“, sagte Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Die Grünen-Politikerin warnte vor Protestformen, die den Dialog unmöglich machten. „Ich finde es wirklich absurd, dass wir in einer freien Demokratie leben und es nicht möglich ist, dass man in einen demokratischen Diskurs geht“, sagte Göring-Eckardt. Die Grünen hätten den Demonstrierenden in Biberach ein Gesprächsangebot gemacht, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir habe sich der Debatte gestellt. Gespräche zu verhindern, sei ein „absolutes Armutszeugnis“.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“, friedlicher Protest und offene Kritik gehörten zu einer lebendigen Demokratie. „Gewalt, Einschüchterungsversuche und Angriffe auf die Polizei, wie wir es in Biberach gesehen haben, aber ganz sicher nicht.“ Wer den politischen Austausch verhindert, „diskreditiert das Anliegen von friedlich Protestierenden“.
Die baden-württembergische Landesvorsitzende Lena Schwelling zeigte sich schockiert von den Erlebnissen in Biberach. „Das war ein einschneidendes Erlebnis, ich kann es mir nicht wirklich erklären“, sagte sie dem Südwestrundfunk (SWR). „Wir eignen uns ganz gut als Feindbild“, ergänzte sie mit Blick auf ihre Partei. „Wir werden mit vielem in Verbindung gebracht, was gerade schiefläuft.“
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) mahnte eine Mäßigung in der politischen Debatte an. „Es mag bei dem einen oder anderen schwer in Mode sein – insbesondere bei süddeutschen Profipopulisten – alles Übel in der Welt bei den Grünen abzulegen“, sagte die Grünen-Politikerin in Düsseldorf. Doch müssten die Menschen sich „stets bewusst machen, dass aus Worten Taten werden können“.
Auch Vertreter anderer Parteien nahmen die Grünen in Schutz. Wenn Protest derart „aggressiv“ sei und „einschüchternd“ wirken solle, dass Veranstaltungen abgesagt werden müssten, dann seien „Grenzen überschritten“, betonte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). „Wir müssen alle miteinander zu einem respektvollen Umgang wieder zurückkommen, wenn Protest zu artikulieren ist.“
Die Grünen hatten die kurzfristige Absage ihres politischen Aschermittwochs in Biberach mit Sicherheitsbedenken begründet und auf das „aggressive Verhalten“ einiger Demonstranten verwiesen. Vor der Absage war Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) von den Protestierenden vor der Halle ausgebuht worden. Bei einer Grünen-Veranstaltung im schwäbischen Schorndorf wurde Parteichefin Ricarda Lang von Demonstranten drangsaliert und beschimpft.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte mit Blick auf das Geschehen in Biberach ein Verbot von Traktoren bei Demonstrationen. „Die Versammlungsbehörden und die Polizei müssen umgehend reagieren und Traktoren bei Versammlungen untersagen“, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke der „Rheinischen Post“. Er verwies auf die „Gefährlichkeit von Traktoren und Zugmaschinen“ und forderte „mehr Hundertschaften und Wasserwerfer, um den Rechtsstaat durchzusetzen“.