Blumen für Familie Blum: Die Sinti-Familie lebte von 1934 bis 1938 in Dresden-Laubegast. In der NS-Zeit folgten ein Berufsverbot, Zwangsarbeit und Deportation. Nun erinnern zwölf Stolpersteine am früheren Wohnort an das Schicksal.
Die Stadt Dresden setzt bei der Erinnerung an Opfer der NS-Diktatur auch weiterhin auf die markanten Stolpersteine. Am Freitagvormittag begann im Stadtteil Laubegast eine ganze Serie von Zeremonien, bei denen tagsüber an verschiedenen Orten im Stadtgebiet 37 der mit einer Messingkappe versehenen, quadratischen Steine in den Boden eingelassen werden. Vor dem Volkshaus in Laubegast wird an zwölf Mitglieder der Sinti-Familie Blum erinnert. Sie hatten einst ein Marionetten-Theater betrieben, wurden von den Nazis zuerst mit Berufsverbot belegt, dann zu Zwangsarbeit gezwungen und deportiert. Zwei Jungen überlebten nicht und kamen in Auschwitz ums Leben.
Zur Verlegung der Steine in Laubegast waren rund 50 Menschen gekommen. Viele von ihnen hatten weiße Rosen mitgebracht. Claus Dethleff, Chef des Vereins Stolpersteine für Dresden, verlas die Geschichte der Familie. Ihr in Dresden geborener Sohn Willy hatte seinen elfjährigen Bruder Rudolf 1944 im Konzentrationslager Buchenwald nicht allein lassen wollen und meldete sich freiwillig für die Liste derjenigen, die nach Auschwitz sollten. „Dadurch wurde Stefan Jerzey Zweig – ein dreijähriger Junge, der eigentlich auf der Liste stand – das Leben gerettet. Die Geschichte dieses Jungen wurde durch den Roman ‚Nackt unter Wölfen‘ von Bruno Apitz berühmt.“
Der Künstler Gunter Demnig (76), der die Stolpersteine erfand und den ersten 1992 in Köln verlegte, brachte die zwölf Steine selbst in den Boden ein. Die Nachfrage nach den Steinen sei so groß, dass er nun eine vierte Werkstatt damit betrauen müsse, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Meist kämen Heimat- oder Geschichtsvereine mit diesem Anliegen auf ihn zu. In einem kleineren Ort in Rheinland-Pfalz wären einmal sechs Schülerinnen in die Sprechstunde des Bürgermeisters gekommen und hätten ein fertiges Konzept für Stolpersteine inklusive ihrer Finanzierung vorgelegt. In Sachsen habe er aber auch von einem Ort gehört, wo sich AfD, CDU und Freien Wähler zusammen dagegen ausgesprochen hätten.
„Die Widerstände sind aber minimal“, sagte Demnig. Auch viele Angehörige der Betroffenen würden sich die Steine wünschen. „Die meisten dieser Opfer haben weder Gräber noch Grabstein oder sonst irgendwas. Jetzt ist wenigstens der Name wieder da.“ Im Talmud heiße es: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Dies habe ihm einst der Rabbi von Köln mit auf den Weg gegeben, als die Idee für die Steine geboren wurde. In den kommenden Tagen sei er in Thüringen unterwegs. Nach Leipzig und Dresden folgten nun Gera, Jena, Sonneberg, Suhl und Gotha. Nach einem kurzen Urlaub gehe es dann in Süddeutschland weiter.
In ganz Europa hat Demnig mittlerweile mehr als 100 000 Stolpersteine verlegt, die an das Schicksal von Juden, Antifaschisten, Zeugen Jehovas, Homosexuellen, Euthanasie-Opfern sowie an Sinti und Roma erinnern. In Dresden sind es seit Freitag nun 371. Am Alten Leipziger Bahnhof von Dresden gibt es fortan eine Stolperschwelle. Sie erinnert daran, dass von hier aus mehrere Hundert Jüdinnen und Juden in das Getto Riga und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.