E-Fuels, mehr Grenzschützer, europäische Flugabwehr: Für ihre neue Amtszeit hat Ursula von der Leyen viele Pläne. Ab Jahresende soll es losgehen – schon für die ersten 100 Tage gibt es Versprechen.
Was macht Ursula von der Leyen, wenn sie Ende des Jahres eine zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen EU-Kommission antritt? In den von ihr vorgelegten politischen Leitlinien macht die deutsche Spitzenpolitikerin ihre Pläne für die kommenden fünf Jahre öffentlich. Das ist relevant, weil die Europäische Kommission in der EU die einzige Institution ist, die neue EU-Gesetze vorschlagen kann. Ein Überblick nach Themenbereichen:
Rückzieher beim Verbrenner-Aus und leichteres Bahnreisen
Die CDU-Politikerin verspricht einen Vorstoß für Ausnahmen für sogenannte E-Fuels. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem die synthetischen Kraftstoffe eine Rolle spielten, heißt es in ihren politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre. Das möchte sie durch eine gezielte Änderung des entsprechenden EU-Gesetzes erreichen. Was konkret geändert werden soll, wollte die Spitzenpolitikerin auf Nachfrage nicht beantworten. Die EU hat eigentlich beschlossen, dass ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden sollen, die im Betrieb kein klimaschädliches CO2 ausstoßen. Die Bundesregierung hatte sich auf Drängen der FDP dafür eingesetzt, dass es Ausnahmen für E-Fuels geben soll.
E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren theoretisch klimaneutral betrieben werden können. Sie sind aber verhältnismäßig teuer und werden etwa im Luftverkehr dringend gebraucht. Denn es ist schwieriger, Flugzeuge im großen Stil elektrisch zu betreiben als Autos.
Im Kampf gegen den Klimawandel soll es Verbrauchern insbesondere im Bereich der Mobilität leichter gemacht werden, auf nachhaltigere Optionen umzusteigen. Um grenzüberschreitende Zugfahrten in der EU zu erleichtern, will von der Leyen eine Verordnung über die einheitliche digitale Buchung von Fahrkarten vorschlagen. Damit soll sichergestellt werden, dass Verbraucher eine einzige Fahrkarte auf einer einzigen Plattform kaufen können und die Fahrgastrechte für die gesamte Reise gelten.
Erschwingliches Wohnen
„Europa befindet sich in einer Wohnungskrise, von der Menschen jeden Alters und Familien jeder Größe betroffen sind“, sagt von der Leyen. Kaufpreise und Mieten stiegen in die Höhe. Daher werde sie einen Plan für erschwinglichen Wohnraum entwickeln, um alle Ursachen der Krise zu untersuchen und die erforderlichen Investitionen freizusetzen. Dazu soll ein eigener Kommissar ernannt werden.
Weniger Abhängigkeiten bei wichtigen Medikamenten
Engpässe bei Antibiotika, Insulin, Schmerzmitteln und anderen Medizinprodukten sorgen in der EU seit längerem für Sorge. Um Abhilfe zu schaffen, will von der Leyen ein EU-Gesetz zu kritischen Arzneimitteln vorschlagen. Es soll Abhängigkeiten bei kritischen Arzneimitteln und Inhaltsstoffen verringern – insbesondere bei Produkten, bei denen es nur wenige Herstellerunternehmen oder -länder gibt.
Weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungen
Um unternehmerische Initiativen zu erleichtern, verspricht von der Leyen einen weiteren Bürokratieabbau. Das Motto soll lauten: „Weniger Verwaltungsaufwand und Berichterstattung, mehr Vertrauen, bessere Durchsetzung, schnellere Genehmigungen.“ Zudem kündigt sie an, wenn nötig Vorschläge zur Vereinfachung von Rechtsvorschriften zu machen.
Kampf gegen illegale Migration
Von der Leyen will die europäische Grenzschutzagentur Frontex deutlich stärken und die Zahl der EU-Grenzschützer auf 30.000 Menschen verdreifachen. „Sicherere Grenzen werden uns auch dabei helfen, die Migration strukturierter und gerechter zu steuern“, sagt sie. Für weniger illegale Migration sollen zudem auch weitere Kooperations- und Unterstützungsabsprachen mit Drittstaaten sorgen. Weiter verspricht die Spitzenpolitikerin einen härteren Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus. Dazu soll das Personal der Polizeibehörde Europol verdoppelt und eine neue Strategie gegen Drogenschmuggel entwickelt werden.
Abwehr von Gefahren aus der Luft
Von der Leyen will den Aufbau eines europäischen Luftverteidigungssystems und einer europäischen Cyberabwehr vorschlagen. Für eine gemeinschaftliche Flugabwehr hatten jüngst bereits Polen und Griechenland geworben. Von der Leyen sagt nun, ein „European Air Shield“ könne nicht nur den Luftraum schützen, sondern auch ein starkes Symbol für die Einheit Europas im Bereich der Verteidigung sein.
Um die Verteidigungs- und Rüstungspolitik auf EU-Ebene zu stärken, will von der Leyen zudem einen Verteidigungskommissar ernennen. Er soll eng mit dem EU-Außenbeauftragten zusammenarbeiten, der in der EU federführend für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist. Darüber hinaus ist vorgesehen, Investitionen in Rüstungsprojekte zu erleichtern.
Schutzschild für die Demokratie
Die EU braucht nach Ansicht von der Leyens eigene Strukturen zur Bekämpfung der Manipulation von Informationen und der Einflussnahme aus dem Ausland. Deswegen möchte sie einen Vorschlag für einen „Europäischen Schutzschild für die Demokratie“ vorlegen. Die neuen Strukturen würden sämtliche Kompetenzen bündeln und für die Verbindung und Abstimmung mit den nationalen Stellen sorgen, erklärt sie. Die Aufklärungs-, Aufdeckungs- und Handlungskapazitäten müssten gestärkt werden, aber auch die Möglichkeiten, Sanktionen auszusprechen.
Deal für saubere Industrie
In den ersten 100 Tagen der neuen Legislaturperiode will von der Leyen eine Strategie für eine saubere Industrie in Europa vorlegen. Der sogenannte „Clean Industrial Deal“ werde Investitionen in Infrastruktur und Industrie kanalisieren, insbesondere für energieintensive Sektoren, heißt es. „Dies wird zur Schaffung von Leitmärkten für alles von sauberem Stahl bis zu sauberen Technologien beitragen. Es wird die Planung, Ausschreibung und Genehmigung beschleunigen“, sagt von der Leyen. Die Strategie solle auch dazu beitragen, die Energiekosten zu senken. Zudem möchte sie Maßnahmen vorschlagen, die es Investoren erleichtern sollen, in schnell wachsende Unternehmen zu finanzieren.
Klimaziel bis 2040 gesetzlich verankern
Um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, soll ein weiteres Zwischenziel im Klimagesetz verankert werden. Es sieht vor, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Zudem kündigt von der Leyen einen europäischen Klimaanpassungsplan an, der die Mitgliedsstaaten bei der Vorsorge und Planung unterstützen soll. Da sich das Klima in Europa schneller erwärme als im globalen Durchschnitt, müsse die Vorbereitung auf den Klimawandel verbessert werden. Unter anderem sollen in dem Plan die Risiken und der Vorsorgebedarf in Bereichen wie etwa Infrastruktur, Energie, Wasser, Lebensmittel sowie der Bedarf an Daten und Frühwarnsystemen ermittelt werden.
Für niedrigere Energiepreise plant von der Leyen etwa Vorschläge für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. Investitionen in saubere Energieinfrastrukturen und -technologien sollen erhöht und prioritär behandelt werden. Nach dem Vorbild der gemeinsamen europäischen Gaseinkäufe sollen auch weitere Rohstoffe gemeinsam gekauft werden.
Faires Einkommen für Bauern
Ebenfalls in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit will von der Leyen eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorstellen. Es soll darum gehen, wie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Agrarsektors innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen der Erde sichergestellt werden kann. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass Landwirtinnen und Landwirte ein faires Einkommen haben“, verspricht von der Leyen.
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