Max Kobbert: „Das verrückte Labyrinth“: Erfinder erklärt, warum Kinder so häufig gewinnen

Das verrückte Labyrinth ist eins der erfolgreichsten Brettspiele, nicht nur in Deutschland. Erfinder Max Kobbert erzählt, wie oft er sich dabei verlaufen hat und was er heute am liebsten spielt.

1983 hatte Max Kobbert eine zündende Idee, die sein Leben verändern sollte. Binnen eines Tages brachte der mittlerweile 79-Jährige die Grundregeln für ein Spiel zu Papier, das zu einem der erfolgreichsten Brettspiele Deutschlands wurde. Im stern-Interview verrät Max Kobbert, was der weltberühmte Rubik-Würfel mit seinem verrückten Labyrinth zu tun hat, warum von 100 Spieleideen nur eine auf den Markt kommt und worauf es beim Erfinden von Spielen wirklich ankommt.

Herr Professor Kobbert, wann haben Sie zuletzt „Das verrückte Labyrinth“ gespielt?

Ich spiele es immer wieder mal. Vor allem, wenn neue Bekannte bei uns zu Besuch sind. Die wissen meist schon Bescheid und wollen es unbedingt auch mal mit dem Erfinder spielen. Ich finde es auch immer noch gut. Erst findet man keinen Weg, dann findet man doch noch einen Dreh. Dieser Impuls ist auch bei mir noch lebendig.

Drehen wir die Zeit mal ein paar Jahrzehnte zurück. Sie sind während des Zweiten Weltkriegs geboren. Was haben Sie als Kind gespielt?

Wir hatten damals natürlich nicht viel. Also habe ich mir schon als Kind mit meinem jüngeren Bruder Spiele für uns ausgedacht. Die Skizze von meinem allerersten habe ich heute noch. Wir haben auch zu der Zeit schon häufig den großen Klassiker „Mensch, ärgere dich nicht“ gespielt. Irgendwann fragte mal jemand, warum man bei dem Spiel eigentlich dreimal würfeln soll, um rauszukommen. Oder aus welchem Grund ausgerechnet die Sechs dazu führt, dass man eine Figur aufs Spielbrett setzen darf. Das empfand ich erstmal wie ein Sakrileg, als würde man die zehn Gebote übertreten. Doch dann wurde mir klar, dass die Spielregeln von Menschen gemacht sind. Und das war für mich der Auslöser, mir selbst ein Spiel zu überlegen.

Das verrückte Labyrinth

Was kam dabei heraus?

Ich habe mir Papier genommen und einen Spielplan mit 100 Lauffeldern aufgemalt. Sich da durchzuwürfeln erschien mir aufregend. Aber als wir das Spiel dann spielten, wollten die anderen Mitspieler schon nach ein paar Schritten wissen, ob wir unbedingt zu Ende spielen müssen. Meine Spiele-Erfinder-Leidenschaft hat also direkt mit großer Frustration begonnen. Das Wichtigste war aber, dass ich schon als Kind entdeckt hatte, dass Spiele von Menschen erfunden werden. Dazu war ich sehr kreativ und habe mir immer neue Sachen auf diesem Feld ausgedacht. Natürlich nie mit dem Gedanken, diese Ideen mal zu veröffentlichen. Das kam später.

Nehmen Sie uns gern mit.

Auf unserer Hochzeitsreise hatte ich eine Spielidee. Das war 1971. Colomino. Ausgerechnet auf dieser Reise probierte ich das mit meiner Frau aus. Und es hat so gut funktioniert, dass ich es danach gleich dem Ravensburger Verlag anbot. Ich hatte wahnsinniges Glück, denn der damalige Direktor Erwin Glonnegger war so angetan von dem Spiel, das er es ins Programm aufnahm. Ravensburger hat das dann unter dem Namen Colomino veröffentlicht. Das ist eine Art zweidimensionales Domino.

Max Kobbert

Klingt ein bisschen als wäre Spiele erfinden ein Kinderspiel, das jeder kann. Man denkt sich etwas aus, schreibt es auf, schickt es an einen Verlag und der macht das dann. Läuft das immer so?

Nein. Nach dem Erfolg von Colomino dachte ich tatsächlich, das klappt jetzt immer so. Aber von 100 Ideen, die man da einreicht, kommt vielleicht eine auf den Markt. Viele Spieleerfinder denken sich etwas aus, trommeln Freunde zusammen und das Ganze funktioniert dann auch irgendwie. Doch sich die Spielregeln auszudenken, ist das Eine. Das Verfassen, das in Worte fassen, der Spielregeln ist die größere Herausforderung. Man muss eine Menge Frust verkneifen können als Spieleautor. Mich hat das immer motiviert. Ich habe versucht, daraus zu lernen.

3D Labyrinth

Wie war es denn beim „Verrückten Labyrinth“, Ihrem späteren Welterfolg?

Das war sehr besonders. Typisch und untypisch zugleich. Ich interessierte mich schon als Kind für gezeichnete Labyrinthe, wo die Maus den Käse finden soll und solche Sachen. Irgendwann dachte ich mir, dass es doch eigentlich schade um die schöne Zeichnung ist, die sich da jemand ausgedacht und mit viel Mühe zu Papier gebracht hat. Ich mache da einen Strich durch und dann ist die Sache erledigt. Also habe ich mir überlegt, dass man mal ein Spiel machen müsste, bei dem sich ein Labyrinth ständig verändert. Ich habe dann vieles ausprobiert. Dass sich irgendwas dreht, sich Türen öffnen und schließen. Das hat alles nicht funktioniert. Dann kam die Zeit des Rubik-Würfels. Den habe ich mir gleich gekauft und Lösungen gesucht. Und es war wieder ein Anlass, mir etwas Neues überlegen. Ich habe mir also eine Puzzlekugel ausgedacht. Mit einem völlig anderen Mechanismus als der, den Ernő Rubik (Anm. d. Red.: Rubik stammt aus Ungarn und erfand 1974 den legendären Zauberwürfel) entwickelt hatte. Die Kugel funktionierte auch. Ich ließ sie mir also patentieren und fand einen Hersteller, der daran interessiert war. Aber als die Manager aus London und New York dann bei einem Treffen in Frankfurt entscheiden wollten, wie es damit weitergeht, hatten sie plötzlich zwei Kugeln auf dem Tisch. Meine und eine von Rubik. Nun können Sie sich vorstellen für welche sie sich entschieden hatten.

Schon wieder ein Rückschlag. Wie ging es weiter?

Ich ließ mich nicht entmutigen und habe als nächstes das Kugelprinzip in die Fläche gebracht. Leider gab es schon ähnliche Ideen. Ich wollte aber etwas Eigenes machen. Dann kam mir die Idee mit den festen und beweglichen Teilen, die man durcheinander verschieben und damit das Muster ändern kann. Zuerst wusste ich aber nicht, was ich genau damit anstellen soll. Irgendwann blitzte dann mein alter Gedanke des sich verändernden Labyrinths wieder auf. Ich habe also auf die Teile Labyrinth-Elemente gezeichnet, es ausprobiert und es funktionierte auf Anhieb. Das Muster war im Nu fertig. Sieben mal sieben Felder groß. Die einfache Regel war erstmal, wer zuerst aus dem Labyrinth rauskommt, hat gewonnen. Das dauerte nur zwei Minuten, also brauchten wir eine neue Regel. Die Idee war dann, dass man im Labyrinth hin und her geschickt wird zu verschiedenen Zielen und zum Schluss nach Hause. Das war binnen eines Tages zusammengeschrieben. 

Wie ist der Ravensburger Verlag auf Ihre Idee aufmerksam geworden?

Erstmal habe ich meine Familie zusammengetrommelt, es funktionierte perfekt und alle waren begeistert. Schlussendlich war ich dann bei einem Spieleautoren-Treffen in Göttingen und habe das Labyrinth dort vorgestellt. Das war 1983. Da schaute mir dann der damalige Ravensburger-Direktor Glonnegger über die Schulter, sah den Prototypen meines verrückten Labyrinths, tippte mich an und sagte: 

‚Herr Kobbert, das wird ihre Rente‘.

Hatte er recht?

Ja. Es dauerte noch drei Jahre bis Ravensburger es veröffentlicht hat. Und dann trat es seinen Siegeszug an und ist bis heute einer der Klassiker auf der ganzen Welt.

DvL Junior

Haben Sie eine Idee, warum ausgerechnet Ihr Spiel so erfolgreich ist? Gibt es ein kleines Geheimnis?

Ich glaube, es sind zwei oder sogar drei Dinge. Zum einen macht es Freude, immer wieder einen Weg zu finden, der erst unmöglich schien. Man löst ein Problem und hat ein Aha-Erlebnis. Diese Erlebnisse hat man bei diesem Spiel dauernd. Der Weg zum Ziel ist versperrt. Man guckt und guckt, hat ein Brett vorm Kopf. Auf einmal erkennt man, dass nur ein Teil verschoben werden muss, um ans Ziel zu kommen. Diese kurzfristigen Erfolgserlebnisse sind sehr wichtig. Das ist der eine Punkt. Das Zweite ist, dass man das Spiel sehr schnell begreift, ohne seitenlange Regeln lesen zu müssen. Man guckt zwei Minuten zu, dann kann man selbst mitspielen. Und drittens: Kinder können das verrückte Labyrinth genauso gut spielen wie Erwachsene. Das haben wir bei unserer Tochter festgestellt. Die war sieben Jahre alt, als wir das getestet haben und gewann dauernd. Warum? Kinder können besonders gut anschaulich denken, zum Teil sogar besser als Erwachsene. Genau das ist bei dem Spiel gefordert. Man hat es tatsächlich schwer, gegen Kinder zu gewinnen. Das ist ganz lustig. Es ist also ein perfektes Familienspiel. Ich glaube, diese drei Punkte haben wesentlich zum Erfolg beigetragen – nicht nur in Deutschland, auch international.

Abgesehen von Ihrem verrückten Labyrinth: Was sind für Sie Spieleklassiker, was spielen Sie selbst am liebsten?

In der Familie haben wir viele Jahre Mahjong gespielt. Das ist übrigens gar nicht so alt, wie es den Anschein erweckt. Als Kind und Jugendlicher waren es die alten Klassiker Halma, Elfer raus, Kniffel, ‚Mensch, ärgere dich nicht‘ und Monopoly ist auch nicht tot zu kriegen. Mittlerweile spiele ich wieder sehr viel mit meiner Frau. Unsere Lieblingsspiele sind momentan drei einfache Würfelspiele. Das eine heißt „Noch mal“ . Da bekommt man farbige Tableaus und muss dann bestimmte Sachen ankreuzen. Die anderen heißen „Qwixx“und „Qwirkle“ und haben ein ähnliches Prinzip. 

 

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