Schwierige Freundschaft: Scholz trifft Macron: Kann es schlimmer werden als Fischbrötchen?

Geht Freundschaft durch den Magen? Bei Olaf Scholz und Emmanuel Macron will das trotz allerlei Köstlichkeiten nicht so recht klappen. Am Freitag gibt es einen neuen Versuch.

Eigentlich, sagt Olaf Scholz, sei es ganz anders als viele denken. Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch wird der Kanzler nach Emmanuel Macron gefragt. Der französische Staatschef kommt am Freitag nach Berlin, um gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und eben Scholz das eingeschlafene Gesprächsformat „Weimarer Dreieck“ wiederaufleben zu lassen. Wie steht es also um Macron und ihn? Scholz sagt: „Emmanuel Macron und ich haben ein sehr gutes persönliches Verhältnis. Ich würde es sehr freundschaftlich nennen.“ 

Politische Beobachter sehen das freilich etwas anders. Der nüchterne Hanseat und der überambitionierte Franzose, so die allgemeine Einschätzung, hätten bis heute keinen Draht zueinander gefunden. Inhaltlich gibt es immer wieder Streit, zum Affront kam es nicht. Noch nicht.

Man kann den beiden nicht vorwerfen, dass sie es nicht bei jedem Treffen aufs Neue miteinander versucht hätten. Nicht nur die Liebe, auch eine sehr gute Freundschaft kann durch den Magen gehen. Und wann immer Scholz und Macron zusammenkamen, wurden Delikatessen aufgetischt – bis zu jenem Tag in Hamburg, als der französische Staatspräsident mit einem Fischbrötchen kämpfte. Die Geschichte einer komplizierten deutsch-französischen Beziehung in fünf Menü-Karten.

Dezember 2021: Trüffel und Lamm im Élysée-Palast

Knapp 48 Stunden nachdem er seinen Amtseid geschworen hat, landet der neue Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Flughafen Paris-Orly. Es ist Tradition, dass der erste Auslandsbesuch nach Frankreich führt. Schon für die Vorspeise dürfte sich die Reise gelohnt haben: Im Präsidentenpalast lässt Macron „Calisson aus kleinem Gemüse mit Arganöl und Trüffel“ servieren, berichtet die „Bild“-Zeitung. Anschließend gibt es Lammkeule und Kartoffeln, zum Nachtisch „Milles-Feuilles mit Madagaskar-Vanille“. 

Als das Personal des Élysées die Teller abräumt, sind die noch halb voll. Hat es nicht geschmeckt? Wollte man es schnell hinter sich bringen?

Es sei ein „freundschaftlicher Besuch“ gewesen, sagt Scholz anschließend und betont seinen Willen zur Zusammenarbeit. Dass er jüngst als Finanzminister gemeinsam mit Kanzlerin Merkel einen europäischen Corona-Aufbaufonds konzipiert hatte, dürfte ihm bei den Franzosen einen Vertrauensvorschuss gegeben haben. Schwierigkeiten zeichnen sich jedoch schon ab: An der Grenze zur Ukraine zieht Russland seine Truppen zusammen. Zur Pipeline Nord Stream 2 und dem deutschen Verhältnis zu Wladimir Putin will sich Scholz nicht so recht äußern.

Scholz und Macron vor dem Élysée-Palast
© David Silpa/UPI Photo

Oktober 2022: Meerestiere und Schokodessert im „Salon des Portraits“

Angeblich sind es Terminprobleme, die dazu führen, dass eine gemeinsame Sitzung der deutschen und französischen Regierung entfallen muss. Eher aber dürften es die vielen Streitthemen gewesen sein, die eine Zusammenkunft im prunkvollen Schloss Fontainebleau verhindern. Der Ukraine-Krieg legt in dieser Zeit die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland offen. Kürzlich hat Scholz Entlastungen für die hohen Energiekosten in Deutschland angekündigt, ohne dies vorher mit europäischen Partnern abzustimmen. Auch gibt es Unmut der Franzosen darüber, dass gemeinsame Rüstungsprojekte, etwa das Kampfflugzeugesystem FCAS, stocken. 

Ein „Arbeitsmittagessen“ zwischen Scholz und Macron findet dann doch statt. Es ist der Versuch, die Wogen etwas zu glätten. Im Kreis ihrer engsten Vertrauten verspeisen die beiden Meerestiere, Fischfilet und edles Schokodessert im „Salon des Portraits“ im Pariser Präsidentenpalast. Anschließend gibt es ein Vieraugengespräch. Immerhin: aus geplanten zwei Stunden wurden mehr als drei. 

Scholz NYT Bericht 18.34

Januar 2023: Steak und Rotwein in der Brasserie „La Rotonde“

60 Jahre Élysée-Vertrag! Zu diesem Jubiläum der deutsch-französischen Freundschaft gelingt es, die zuvor verschobene gemeinsame Kabinettssitzung nachzuholen. Macron lädt den Kanzler abends in das Bistrot „La Rotonde“ im Pariser Stadtteil Montparnasse ein. Es ist nicht irgendein Restaurant, es ist das Lieblingsrestaurant des Präsidenten. Eine Geste der Verbundenheit in schwierigen Zeiten. Denn gemeinsame Antworten auf große Herausforderungen liefern Scholz und Macron bisher nicht. 

Zu Beginn des Jahres hat Macron mit einem Alleingang in Berlin für Verärgerung gesorgt: Überraschend gab er bekannt, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Dies war offensichtlich nicht mit Scholz abgesprochen. Das Essen könnte man deshalb als eine Art Wiedergutmachung verstehen. Zu den Stammgästen in der historischen Brasserie zählten unter anderem Picasso, Ernest Hemingway und Simone de Beauvoir. Serviert wird traditionelle französische Küche. Was genau Macron und Scholz dort speisen, ist nicht überliefert. Macron allerdings soll besonders Steak und Rotwein schätzen.

Macron und Scholz in „La Rotonde“
© Steffen Kugler

Juni 2023: Spargel, Rehrücken und Rhabarber im „Kochzimmer“

Es bleibt persönlich: Zum ersten Mal empfängt Scholz einen Staats- oder Regierungschef in Potsdam, seinem Wohnort. Bei einem Spaziergang zeigt der Kanzler dem Franzosen das Zentrum der Brandenburger Landeshauptstadt. Sie setzen sich ins Café des Museums Barberini und spazieren über die – ja, sie heißt wirklich so – „Freundschaftsinsel“. 

Schließlich kehren sie im „Kochzimmer“ ein,  das einzige Ein-Sterne-Restaurant der Stadt. Hier wird „neue preußische Küche“ serviert. Die „Potsdamer Neusten Nachrichten“ veröffentlichen damals das Menü: „Spargel mit Taubnesseln, Broccolistielen, Mandelmilch und Trauben, danach Eigelb mit Morcheln, Bärlauch, Erbsen und Kaffeesalz, anschließend gerösteter Duroc-Schweinebauch mit Kopfsalat, Rübchen und Frühlingslauch, gebratener Rehrücken mit Pfifferlingen, roten Rübchen und Stachelbeeren sowie ein Comté-Käse mit Aprikose, Schafgarbe und Bittermandel, zum Dessert Rhabarber mit Ingwer, weißer Schokolade und Kaiserkeks.“ Das Essen dauerte fast drei Stunden – deutlich länger als geplant. „Gemeinsam gehen wir die Herausforderungen dieser Tage und unserer Zeit an“, twittert Scholz auf Deutsch und Französisch.

Macron und Scholz im Restaurant „Kochzimmer“ in Potsdam
© Michael Kappeler

Oktober 2023: Fischbrötchen in Hamburg

Das französische und deutsche Kabinett tagen gemeinsam in Hamburg. Ein wichtiges Zeichen – denn zuletzt hatten im Juli innenpolitische Schwierigkeiten ein symbolisches Treffen deutsch-französischer Verbundenheit verhindert. Damals wollte Macron eigentlich zum ersten offiziellen Staatsbesuch eines Franzosen in 23 Jahren kommen. Und sagte ab. Nachdem ein 17-Jähriger bei einer Verkehrskontrolle getötet wurde, gab es in Frankreich heftige Ausschreitungen. Macron befand, dass er in einer solchen Situation besser nicht das Land verlasse. 

Nun also zwei Tage Hamburg mit der gesamten Entourage. Zu diesem Zeitpunkt belastet gerade eine geplante Reform des europäischen Strommarktes das Verhältnis zwischen Scholz und Macron. Deutschland stört sich, dass Frankreich nach einer Genehmigung aus Brüssel seiner Wirtschaft Atomstrom zu günstigen Konditionen abgeben darf. 

Dieses Mal ist die Menü-Auswahl eher dürftig. Beim Spaziergang mit den Ehefrauen Britta Ernst und Brigitte Macron durch den Hamburger Stadtteil Blankenese gab es am Imbissstand eine Hamburger Spezialität: Fischbrötchen mit Elbaal und Bismarckhering – inklusive rohen Zwiebeln, versteht sich. Den Gesichtern auf den Fotos zufolge wird das Ehepaar Macron wegen dieser Köstlichkeit nicht erneut nach Hamburg fahren. 

Einige Tage nach dem Treffen verkündet Macron, dass die Strommarkt-Reform „bis Ende des Monats“ stehe. Vielleicht ist das das eigentliche Geheimnis dieses couple franco-allemand: Je schlichter das Essen, desto erfolgreicher die Gespräche?

Olaf Scholz (l.) mit seiner Frau Britta Ernst (r.), dem Ehepaar Macron – und Fischbrötchen.
© John Macdougall

Und was gibts am Freitag? 

Im sogenannten „Weimarer Dreieck“ treffen sich Scholz und Macron am Freitag mit dem Polen Donald Tusk. Davor bekommen der Deutsche und der Franzose allerdings auch Zeit zu zweit. Nötiger denn je? Das Verhältnis dürfte tatsächlich einen neuen Tiefpunkt erreicht haben. Ende Februar stichelte Macron bei einer Unterstützerkonferenz der Ukraine kaum unverhohlen gegen die, die zu Beginn des Ukraine-Krieges nur „Schlafsäcke und Helme“ hätten liefern wollen. Auf der anschließenden Pressekonferenz kam es zum Eklat: Da schloss Macron die Entsendung von Bodentruppen nicht aus. Dem widersprach Scholz in den folgenden Tagen immer wieder. Als Scholz wiederum in der Verteidigung seines „Taurus-Neins“ andeutete, Frankreich und Großbritannien hätten Soldaten vor Ort, sorgte das für Verstimmung in Paris und London. 

Welche einfache Berliner Spezialität könnte da noch helfen? Eisbein mit Sauerkraut? Currywurst mit Pommes? Oder doch Mustafas Gemüsedöner?

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