Bundeshaushalt: Investitionen in unsere Zukunft? Fehlanzeige

Der Bund gibt mit seinem Haushalt fast 500 Mrd. Euro aus. Doch eine neue Studie zeigt, dass nur ein Bruchteil auf die Zukunft von Deutschland einzahlt.

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Über nichts sprechen Politiker so gerne wie über die Zukunft, das gilt auch für Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Der Nachtragshaushalt 2023 etwa, den die Ampel erst vor wenigen Wochen durch den Bundestag brachte, sichere „Zukunftsinvestitionen und bedeutende Vorhaben der Koalition“, verkündete Lindner vollmundig. Was die großen Worte jedoch in konkreten Zahlen wert sind, hat nun das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim berechnet

Demnach zahlte 2023 nur jeder fünfte Euro, den der Bund ausgab, auf die Zukunft des Landes ein. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, in der die ZEW-Forscher aus den Zahlen des Bundeshaushalts die sogenannte Zukunftsquote ermittelten: Im vergangenen Jahr lag die bei genau 20 Prozent – das war ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr 2022. Die „Zukunftsquote“ erfasst dabei alle Ausgaben des Bundes, die auf die Zukunftsfähigkeit des Landes einzahlen: Das können Investitionen in eine modernere Infrastruktur wie neue Straßen oder Schienen ebenso sein wie eine bessere Versorgung mit Internet, Mobilfunknetz oder höhere Bildungsausgaben. 

20 Prozent von etlichen hundert Milliarden Euro – das klingt nicht nach gerade viel, und es ist auch nicht viel, zumal auch die 20 Prozent nur in der „weiten Definition“ der Quote und inklusive der so genannten Sondervermögen erreicht wurden. Hinter diesen Sondervermögen verbergen sich seit der Corona-Krise immer neue Schattenhaushalte, mit denen der Bund wichtige akute Aufgaben über zusätzliche Schulden finanziert hat: etwa für den Wiederaufbau nach der Ahrflut, für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Aufrüstung der Bundeswehr und für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds, der Investitionen in die Energiewende finanzieren soll. Die Ausgaben aus diesen vier Sonderetats kamen laut ZEW auf eine „Zukunftsquote“ von 44 bis 68 Prozent – allein mit dem regulären Bundeshaushalt von 476 Mrd. Euro 2023 hätte die Quote also deutlich unter einem Fünftel gelegen.

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Große Ausgabenposten machen kaum Investitionen möglich

Die Ergebnisse werfen auch ein Schlaglicht auf den Zustand des Bundeshaushalts nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November vergangenen Jahres. Damals hatten die Karlsruher Richter geurteilt, dass schuldenfinanzierte Nebenhaushalte gegen das Grundgesetz verstoßen und alle geplanten Ausgaben eines Jahres nur aus dem regulären Haushalt bestritten werden dürfen – unter Einhaltung der Schuldenbremse. Weil die Ampel danach kurzfristig einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen musste, löste das Urteil ein wochenlanges Gefeilsche aus und führte die Koalition an den Rand des Scheiterns. 

„Das Ende der schuldenfinanzierten Nebenhaushalte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt daher eine große Herausforderung dar“, sagt nun ZEW-Forscher Friedrich Heinemann. Denn mit den heutigen Regeln zum Bundeshaushalt und den vielen gesetzlich festgelegten großen Ausgabenblöcken etwa für Rente, Soziales, Familien und Gesundheit sind große Veränderungen und mehr Zukunftsinvestitionen kaum möglich.

Die Daten der Wirtschaftswissenschaftler dürften daher auch die kommende Debatte über den Bundeshaushalt 2025 befeuern. Bundesfinanzminister Lindner muss in den kommenden Wochen einen ersten Entwurf für den Haushalt im kommenden Jahr vorlegen. Im Vergleich zur alten mittelfristigen Haushaltsplanung vor dem Karlsruher Urteil muss die Regierung erneut kräftig sparen, die Rede ist von einem Betrag zwischen 15 und 30 Mrd. Euro. Es gebe „keine zusätzlichen zur Verteilung anstehenden Finanzmittel“, schrieb Lindner bereits vor einigen Tagen zur Eröffnung der Etatgespräche an seine Kabinettskollegen.

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Reform der Schuldenbremse? Unwahrscheinlich

Die ZEW-Wissenschaftler bringen daher abermals eine Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz ins Spiel. Konkret schlagen sie vor, künftig die Aufnahme neuer Schulden zu lockern, die dadurch möglichen zusätzlichen Ausgaben jedoch „mit der Bedingung zu verknüpfen, mit den aufgenommenen Schulden eine genau quantifizierte Ausweitung der Zukunftsquote nachweisen zu müssen“. 

Allerdings ist eine solche Reform derzeit ausgesprochen unwahrscheinlich: Vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr wollen sich sowohl Union als auch FDP als Hüter solider Staatsfinanzen profilieren und lehnen jede Reform der Schuldenregel im Grundgesetz ab – obwohl es selbst in den eigenen Reihen zahlreiche Kritiker der heutigen Regeln gibt. SPD und Grüne sind dagegen offen für eine Reform.   

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