Landtagswahlen 2024: Wie Rechtsextreme TikTok überlisten, um AfD-Propaganda zu verbreiten

Der rechtsextreme Social-Media-Experte Erik Ahrens hat schon den AfD-Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah auf TikTok groß gemacht. Nun will er Eric Engelhardt zum Star aufbauen, den Vorsitzenden der Thüringer „Jungen Alternative“. 

Erik Ahrens hat einmal Englisch und Spanisch in Frankfurt auf Lehramt studiert. Heute ist er ein bestens vernetzter rechter Multiplikator. Kaum hatte Elon Musk dem österreichischen Neonazi Martin Sellner vor wenigen Tagen seinen X-Account nach über drei Jahren Sperrung wieder zurückgegeben, grüßte Sellner den Weggefährten Ahrens mit den Worten: „Endlich kann ich auch mal @erikahrens_ffm folgen.“ Geschmeichelt repostete Ahrens den kameradschaftlichen Gruß der Zentralfigur des jüngst von „Correctiv“ enthüllten Potsdamer Geheimtreffens.

Rechtsextreme unter sich: Erik Ahrens veröffentlicht im Verlag des rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek, betreibt das neurechte Online-Magazin „Konflikt“ und hat das rechtsextreme Propagandainstitut „GegenUni“ gegründet. Außerdem kennt sich Ahrens ziemlich gut mit TikTok und Co. aus. Daraus hat er einen Job gemacht: Er arbeitet für den AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah als Social-Media-Berater. 

Social-Media-Experte Erik Ahrens erklärt sein Propaganda-Tool TikTok.
© Telegram Screenshot

Ahrens und Krah passen gut zusammen. Denn sie sind ganz offen rassistisch und völkisch. So schrieb Ahrens auf X (vormals Twitter): „Erbliche Veranlagung ist der Schlüssel zu allem, wer sie nicht versteht, wird überall nur Rätsel und Irrwege sehen.“ Auf derselben Plattform schrieb Maximilian Krah in Bezug auf Aminata Touré, die als Sozialministerin von Schleswig-Holstein Deutschlands erste schwarze Ministerin ist: „Wer ethnische Afrikaner und Afghanen in die Regierung nimmt, macht die Regierung auch kulturell afrikanischer und afghanischer.“

„Echte Männer sind rechts“

Ahrens baute für Krah einen TikTok-Kanal auf, der die AfD-Ideologie bei vielen jungen Menschen regelrecht Kult werden ließ. Ahrens weiß genau, wie man effiziente Kurzvideos erstellt. So hat Krahs TikTok-Clip „Junge Männer brauchen Ideale“ inzwischen 1,4 Millionen Aufrufe. Darin sagt das Mitglied des AfD-Bundesvorstands Krah: „Echte Männer sind rechts. Echte Männer haben Ideale. Echte Männer sind Patrioten. Dann klappt das auch mit der Freundin.“

In verfassungsfeindlichen Kreisen positioniert sich Erik Ahrens immer wieder als Social-Media-Guru. Bei einem Vortrag des „Instituts für Staatspolitik“, Götz Kubitscheks neurechtem Thinktank im sächsisch-anhaltinischen Schnellroda, verglich Ahrens die Bedeutung von TikTok für die AfD mit der Erfindung des Radios in den 1920er Jahren.

Auf dem Internet-Blog von Kubitscheks Verlag „Sezession“ veröffentlicht Ahrens gerade eine dreiteilige Serie über die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“. Hier scheint jemand sehr sorgfältig an einer Karriere als Chefpropagandist der Rechtsextremen zu feilen.

Im Vorfeld der Thüringer Landtagswahlen, die am 1. September 2024 stattfinden werden, hat sich Ahrens nun eine neue Herausforderung gesucht, um sein Profil als Social-Media-Spin-Doktor weiter zu schärfen: Er möchte den Landesvorsitzenden der „Jungen Alternative“, Eric Engelhardt, zum TikTok-Star aufbauen. Auch diese beiden Aktivisten passen sehr gut zusammen, denn die „Junge Alternative“ gilt dem Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem.

Opfer-Erzählungen als Propaganda-Werkzeuge

Der 22-jährige IT-Fachmann Eric Engelhardt aus Sonneberg ist für den Social-Media-Experten Ahrens in mehrfacher Hinsicht interessant. Am wichtigsten: Engelhart behauptet, er sei kürzlich erst von TikTok zensiert worden. Zensur – so nennen Rechtsextreme gern jede effiziente Maßnahme gegen Hassrede.

Auf X schildert Engelhart seinen Fall folgendermaßen: Er habe ein Video auf TikTok gepostet, das mit über 200.000 Visits sofort viral gegangen sei. Ein Folge-Video habe 30.000 Visits erzielt, sei dann aber wegen Hassrede gesperrt worden. Zwei weitere Folge-Videos seien dann noch von der „For You“-Page genommen worden, jenem Informations-Feed, der von TikToks geheimnisvollem Algorithmus auf das persönliche Interessenprofil eines jeden Nutzers maßgeschneidert wird. Dadurch sei der Erfolg von Engelhardts Videos ausgebremst worden.

Mit Engelhart hat Social-Media-Experte Ahrens nun einen exemplarischen Rechten gefunden, den er als Opfer eines großen Mediums inszenieren kann. Opfer-Erzählungen sind eines der effizientesten Propaganda-Werkzeuge der Rechten. Wenn es Ahrens nun gelingt, einen von TikTok gemaßregelten Rechten zum TikTok-Star zu machen, hätte er sein Meisterstück als rechtsextremer Chef-Propagandist abgeliefert. 

Rechtes Power-Pärchen

Ein weiterer Aspekt, der Eric Engelhart für Ahrens so interessant macht: Der junge AfDler ist liiert mit Candy Jacobs, ebenfalls Mitglied der „Jungen Alternativen“ in Thüringen. Candy Jacobs hat erst vor kurzem auf TikTok einen viralen Hit gelandet.

AfD-Paar Eric Engelhard und Candy Jacobs.
© Instagram Screenshot

In einem Kurzvideo nimmt Jacobs die Wahl der Berliner Architektin und gebürtigen Iranerin Apameh Schönauer zur „Miss Germany 2024“ zum Anlass für völkische und rassistische Propaganda. Sie interpretiert das Ereignis als Schmähung der wahren deutschen Schönheit. Der 40-Sekunden-Clip heißt „Miss Germany ist eine Iranerin“ und hat innerhalb von wenigen Tagen eine Million Aufrufe erzielt.

Darin sagt Jacobs: „Miss Germany ist eine Iranerin. Schönheit ist nicht mehr eine Frage des Aussehens. Sondern eine politische Frage. Deutsches Aussehen und deutsche Kultur wird heutzutage mit der iranischen gleichgesetzt. Um Miss Germany zu werden, hat das Aussehen keinen Wert mehr. Sich im Land aufzuhalten, reicht auch. Und wer das anders sieht, ist eben in den Augen der politisch Korrekten ein Rassist. Bei dieser Miss-Wahl hat Deutschland mal wieder gezeigt, dass Qualitätsmerkmale wie Schönheit, Tradition und Identität abgeschafft wurden.“ 

Ahrens wittert hier ganz offensichtlich großes Synergie-Potential: Ein rechtes, ostdeutsches Pärchen, das bewiesen hat, dass es mit viralen Kurzvideos ein großes Publikum erreichen kann. Der Mann kann sich als Zensuropfer stilisieren, die Frau kann ihm mit ihrer Reichweite zur Hilfe eilen. Ein Propaganda-Traum. 

Ahrens sucht nun TikTok-Nutzer, mit deren Hilfe Engelhardts ausgebremste Videos doch noch massenhaft verbreitet werden können. Auf X sagt er der chinesischen Video-Plattform ganz unverhohlen den Kampf an: „Gib mir 5 motivierte Unterstützer und wir machen einen Rechten bekannt. Gib mir 15 und wir übernehmen TikTok. Alles was sie dafür brauchen ist ein Smartphone.“

Die TikTok-Armee

Zur Durchsetzung seiner Kampagne leitet er seit Tagen seine X-Follower auf die Chat-Plattform „Telegram“ um. Dort hat er eine Chatgruppe namens „TikTok-Guerilla“ gegründet, die inzwischen mehr als 450 Mitglieder hat und stetig wächst. In diesem Kanal soll der Sturm auf TikTok orchestriert werden.

Ahrens hat hier alle beanstandeten Videos aus Engelhardts TikTok-Account gepostet. Dazu hat er noch weiteres Videomaterial zur Verfügung gestellt: Aufnahmen von Demos, wehende Fahnen, gereckte Arme. Schließlich weiß er, wie man mitreißende Politpropaganda macht. Man kann die User nicht nur mit Text langweilen, mag er noch so extrem sein. Schlußendlich hat Ahrens noch eine neunminütige Anleitung auf die Chat-Plattform hochgeladen, in der er ausführlich erklärt, wie man ein effizientes TikTok-Video erstellt. Dieses Tutorial ist ein perfekter Einführungskurs in TikTok-Propaganda.

Hoss und Hopf Elternprotokolle18:08

Die Mitglieder des Telegram-Kanals sind nun aufgefordert, die Engelhardt-Videos neu zusammenzuschneiden, mit passender Musik zu unterlegen und mit unterschiedlichen Effekten zu verfremden. Durch eine solche Neubearbeitung des Ausgangsmaterials soll verhindert werden, dass der TikTok-Algorithmus die Videos als Kopien des beanstandeten Ausgangsmaterials erkennt. Diese Guerilla-Clips sollen nun von möglichst vielen Accounts verbreitet werden. Nicht nur auf TikTok, sondern auch auf Instagram und Youtube-Shorts.

Erik Ahrens verwendet hier laut eigener Aussage eine Strategie, mit der schon der frauenfeindliche Influencer Andrew Tate, eine der Galionsfiguren der Rechten, Social-Media-Sperren umgangen hat. Ahrens lockt mit schnellem TikTok-Ruhm: „Bereits das erste Video auf einem Kanal kann viral gehen, sodass Ihr mit guten Videos schnell Reichweite erhaltet. Sobald ein Kanal in der Reichweite eingeschränkt wird, beginnt Ihr einen neuen Kanal.“

Seitdem die Arbeit an diesem Artikel begonnen wurde, ist der Telegram-Kanal „TikTok-Guerilla“ um mehr als hundert Mitglieder gewachsen. Auf X ist schon die Rede von einer TikTok-Armee. Manche Nutzer haben bereits die ersten Zusammenschnitte gepostet. Manche davon werden schnell wieder von TikTok gesperrt, andere sammeln eifrig Zuschauer.

Triumphierend postet Ahrens auf Telegram erste Erfolgsmeldungen: Für einen neuen Zusammenschnitt von Engelhardts Videomaterial gab es in 15 Stunden über 130.000 Views und 27.500 Likes. Man kann nur hoffen, dass TikToks Überwachungsmechanismen so gut sind wie immer befürchtet.

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