Bandengewalt in Haiti: Regierungschef Ariel Henry tritt zurück

Angesichts der eskalierten Bandengewalt in Haiti ist der unter heftigen Druck geratene Regierungschef Ariel Henry zurückgetreten. „Die Regierung, die ich führe, kann von dieser Situation nicht unberührt bleiben. Wie ich immer gesagt habe, ist kein Opfer zu groß für unser Vaterland Haiti“, sagte Henry in einer am Montag (Ortszeit) online veröffentlichten Rücktrittsrede. Zuvor hatte der Vorsitzende des karibischen Staatenbündnisses Caricom, Guyanas Präsident Mohamed Irfaan Ali, Henrys Rücktritt bekanntgegeben.

„Wir nehmen den Rücktritt von Ministerpräsident Ariel Henry zur Kenntnis“, sagte Ali bei einem Krisentreffen zur Lage in Haiti in Jamaikas Hauptstadt Kingston. Es gebe eine Vereinbarung für eine Übergangsregierung und eine „friedliche Machtübergabe“ in dem verarmten Karibikstaat, sagte Ali weiter. Ziel seien letztlich „freie und faire Wahlen“.

Ein US-Regierungsvertreter sagte, Henry habe seinen Rücktritt in einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken bestätigt. Henry könne im US-Außengebiet Puerto Rico bleiben, wo er sich derzeit aufhält.

Die Gewalt in Haiti war Ende Februar während einer Auslandsreise Henrys in Kenia eskaliert. Bewaffnete Banden im Land attackierten Polizeistationen und befreiten tausende Häftlinge aus Gefängnissen, sie griffen auch den Präsidentenpalast an.

Die Gangs forderten den Rücktritt des seit 2021 regierenden Henry, der eigentlich Anfang Februar aus dem Amt des Ministerpräsidenten hätte scheiden sollen. Henry hatte sich stattdessen Ende Februar mit der Opposition darauf verständigt, bis zur Abhaltung von Neuwahlen gemeinsam zu regieren.

Bei dem Krisentreffen der Karibischen Gemeinschaft in Kingston sagte US-Außenminister Blinken am Montag weitere Unterstützung für Haiti in Höhe von 133 Millionen Dollar (rund 122 Millionen Euro) zu. Davon seien 100 Millionen Dollar für eine internationale Sicherheitsmission und 33 Millionen Dollar für humanitäre Hilfen vorgesehen.

Die eskalierende Bandengewalt schaffe in Haiti eine „unhaltbare Situation“, sagte Blinken. „Wir alle wissen, dass dringendes Handeln sowohl auf politischer Ebene als auch auf der Sicherheitsebene notwendig ist.“ Der US-Außenminister betonte zugleich: „Nur die Bevölkerung Haitis kann über ihre Zukunft entscheiden – niemand anderes.“

Die USA hatten Haiti zwischen 1915 und 1934 besetzt – und intervenierten seither immer wieder in Haiti. US-Präsident Joe Biden hat eine Beteiligung des US-Militärs an einer Mission in Haiti allerdings ausgeschlossen. 

Auch Kanada hat eine direkte Beteiligung an einem Haiti-Einsatz abgelehnt, allerdings bisher bereits 91 Millionen Dollar an Hilfsgeld zur Verfügung gestellt. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte bei dem Treffen in Kingston weitere Unterstützung zu.

Die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 hatte den ohnehin von Kriminalität, politischer Instabilität und großer Armut geprägten Karibikstaat in eine noch tiefere Krise gestürzt. Gangs kontrollieren inzwischen weite Teile des Landes, die Zahl der Morde hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. In Haiti hat es seit 2016 keine Wahlen mehr gegeben.

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