USA-Reise: Habeck in Amerika: Drei Städte, vier Tage, sechs Fragen

Washington, New York, Chicago – Robert Habeck war mal wieder in den USA, um nach dem Rechten zu sehen. Ein paar Fragen sind offen.

Es ist schon fast Tradition geworden: Einmal im Jahr fliegt Robert Habeck in die Vereinigten Staaten, um als Wirtschaftsminister auf dem wichtigsten Auslandsmarkt für deutsche Firmen nach dem Rechten zu sehen. Und sich als Vizekanzler um die Beziehungen zu Deutschlands mächtigstem Verbündeten zu kümmern. Vier Tage war der Grüne in den USA unterwegs, in Washington, New York und Chicago. Zeit für ein paar Fragen:

1.Moment mal, Chicago? War da nicht was? 

Hätte Habeck nur eine Region besuchen wollen, in der sich viele deutsche Firmen niedergelassen haben, hätte er auch nach Georgia oder Texas fliegen können. 5800 Firmen haben 619 Milliarden Dollar in den USA investiert, mehr als 900.000 Jobs geschaffen. Viele auch im Mittleren Westen rund um die großen Seen, so wie der deutsche Maschinenbauer Trumpf, in dessen neuer vollautomatischer Smart Factory Habeck vorbeischaute. 

Chicago hat ein weiteres Plus: Es ist Obama City, hier lebt der Ex-Präsident, hier rief er am Abend des ersten Wahlsieges den jubelnden Menschen zu: „Change has come to America“.

Man muss nicht gleich mit der K-Frage kommen, die ihn sowieso auf Schritt und Tritt verfolgt – wann entscheiden die Grünen? Und für wen entscheiden sich die Grünen? Fürs Erste wäre Habeck ja schon mehr als zufrieden, wenn er in Deutschland so etwas Ähnliches wie Joe Bidens Inflation Reduction Act (IRA) durchsetzen könnte, unbegrenzte Steuerrückzahlungen, mit denen Obamas Nachnachfolger gerade klimafreundliche Investitionen ankurbelt. Denn anders als die deutsche Wirtschaft, die in diesem Jahr mit 0,2 Prozent, nennen wir es, Wachstum herumkrebst, boomt die US-Wirtschaft zuletzt mit über 3 Prozent. Anders als in Amerika gilt in Deutschland leider die, wie Habeck sagt, „strengste Schuldenbremse der Welt“. 

2. Was hat Habeck in Washington für die deutsche Wirtschaft herausgeholt? 

So sehr Habeck den IRA bewundert, so sehr fürchtet er ihn auch. Aus zwei Gründen: Seit Inkrafttreten des US-Subventionspaktes vor einem Jahr stehen dauernd Firmenchefs bei ihm in Berlin-Mitte auf der Matte. Sie fragen nach mehr Förderung für längst geplante Projekte, weil sie andernorts für ihre Investitionen noch mehr Geld bekämen. Undsoweiter. Außerdem enthalten die Förderregeln „Made in America“-Klauseln, die genau definieren, welcher Anteil eines Produktes in, eben, Amerika hergestellt worden sein muss. So wächst der Druck auf deutsche Unternehmen, ganze Produktionszweige in die USA zu verlagern.

Über Ausnahmen für befreundete Länder, wenigstens für bestimmte Branchen, verhandeln Deutschland, Frankreich, die ganze Europäische Union seit über einem Jahr. Greifbares hat erwartungsgemäß auch Habeck bei seinen Gesprächen in Washington nicht erreichen können. Da helfen auch die „historisch guten“ deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht weiter. 

Der Grund dafür sind die anstehenden US-Wahlen. Ein Washingtoner Politik-Experte brachte es in vertraulicher Runde so auf den Punkt: Der sicherste Weg sofort Ärger mit beiden politischen Lagern zu bekommen, sei, das Wort „Freihandel“ in den Mund zu nehmen. Nun wäre Habeck nicht Habeck, würde er nicht trotzdem Bewegung und „ernsten Willen“ verspüren. In der Sache wird sich vor den Wahlen trotzdem nicht viel ändern. Und danach? Kommt ganz auf deren Ausgang an.

3. Wie geht Habeck um, mit dem Mann, dessen Namen er nicht nennen mag? 

Es gibt einen Mann, über den Robert Habeck nicht gerne spricht, obwohl der ihn auf der gesamten Reise auf Schritt und Tritt verfolgt. Der Mann gewinnt eine Vorwahl nach der nächsten, ist als republikanischer Präsidentschaftskandidat nicht mehr zu verhindern – und damit stiller Gast in jeder Unterredung.

Fragt man Habeck, was Donald Trump 2.0 für die deutsche Wirtschaft bedeuten würde – schließlich hat der Mann mit Einfuhrzöllen gedroht, um die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, was auf deutscher Seite zu Verlusten in dreistelliger Milliardenhöhe führen könnte – fragt man ihn also danach, dann wird der Minister grundsätzlich: „Ich finde diese Spekulationen ganz falsch.“ Der Wahlkampf sei nicht gelaufen, er habe ja noch nicht einmal begonnen. Britt Biden Rede Lügen überführt

Bisweilen scheint es fast so, als versage sich Habeck schon den Gedanken daran, dieser Trump könnte im November gewinnen. Was insofern erstaunt, als dass derselbe Habeck seiner Vorgängerregierung bis heute verübelt, wie wenig sie das Land auf denkbare Unbilden wie einen Gas-Notstand oder Trump 1.0 vorbereitet hatte. Es galt das Motto, dass nicht sein konnte, was nicht sein durfte.

Und heute? Einmal erinnert Habeck daran, wie unter der ersten Trump-Administration alles, was es an laufenden Gesprächsformaten gab, „im Grunde kaputtgehauen wurde“. Habeck will darum alle Kontakte intensivieren, vertiefen, verfestigen. Einen direkten Draht ins Trump’sche Lager sucht Habeck trotzdem nicht, jedenfalls nicht auf dieser Reise. Dabei wäre es interessant zu erfahren, wie man dort über die Botschaften denkt, die Habeck mitgebracht hat: 

Dass Deutschland das notorische Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllt. 

Dass das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern zuletzt gestiegen ist, der deutsche Bilanzüberschuss sich trotzdem sogar verringert hat – auch weil Deutschland statt russischem Pipeline-Gas nunmehr amerikanisches LNG kauft. 

Trump hatte beides immer vehement gefordert. Aber Habeck spricht weder mit noch über ihn. Bei einer kurzen Fahrt über den Chicago River passiert das Schiff einen riesigen silberblau glänzenden Wolkenkratzer, Habeck schaut beinahe demonstrativ zum südlichen Ufer. Doch für einen Moment schwebt direkt über dem Minister in meterhohen Lettern der Name des Unaussprechlichen. 

4.Wie hält es Robert Habeck denn nun mit der Solidarität mit Israel?

So oft steht der Vizekanzler nicht vor dem UN-Hauptquartier am New Yorker East River, um der Presse zu erklären, was er gerade mit dem UN-Generalsekretär besprochen hat. Die Krisen der Welt nämlich, Ukraine, Gaza, Iran, Taiwan, auch über seine Idee einer „diplomatischen Initiative“ haben sie geredet, damit „der Weltraum nicht das nächste Schlachtfeld“ wird. Ach so, und über diesen Hilfskorridor für den Gazastreifen, an dem Deutschland sich nun beteiligen will. 

„Nein, das ist aus meiner Sicht gar kein Schwenk“ in der Israelpolitik, behauptet Habeck – auch wenn die deutsche Diplomatie bisher immer nach gemeinsamen Lösungen mit Israel gesucht hat, nicht explizit ohne. Es ist einiges ins Rutschen geraten in den letzten Tagen. „Man muss ehrlich sein und sagen, dass die Unterstützung für Israels Vorgehen im Gazastreifen nicht mehr sehr stark ausgeprägt ist auf der internationalen Ebene“, hatte Habeck bereits in Washington gesagt. Da war bekannt geworden, dass das US-Militär einen provisorischen Hafen für Gaza bauen will.Biden Netanjahu

Wie also steht es nun um Habecks Solidarität? Er traf sich mit Vertretern der jüdischen Community New Yorks. Solidarität und Beistand in Zeiten steigenden Antisemitismus‘ – ein Herzensanliegen Habecks, wie man seit seinem zehnminütigen Video weiß, das er vier Wochen nach den „fürchterlichen Angriffen auf jüdisches Leben“ aufgenommen hat.

Für ihn, für die gesamte Bundesregierung, erklärte Habeck nun im Schatten des UN-Hochhauses, gelte weiter das Wort der Staatsräson. Und trotzdem sei es „gerade für Deutsche“ eine Aufgabe, Israels Regierung zu sagen, „ihr müsste auch was ändern im Gazastreifen“.

5. Wird Habeck jetzt Deutschlands Chefdiplomat? 

Auch als Vizekanzler ist man in gewisser Weise für alles zuständig, insofern darf Habeck auch im Revier seiner Parteifreundin und -konkurrentin, Außenministerin Annalena Baerbock, wildern. Dass er in Washington mit diversen US-Ministern spricht, normal. Auch Treffen mit Sicherheitsberater Jake Sullivan sind nichts Besonderes, die Drähte sind kurz. Dass aus dem gern frei assoziierenden Redner Habeck so bald dennoch kein Diplomat wird, davon konnten sich Studierende der New Yorker Columbia Business School am Freitag bei einer Rede überzeugen. 

Reichlich forsch forderte der German Minister for Economy and Climate Action die USA auf, endlich mehr für den Klimaschutz zu tun. Denn während er, Habeck, Deutschland „back on track“ bringe, seien die USA weiter meilenweit vom Pfad zur Klimaneutralität entfernt. Und überhaupt gelte für Politiker seiner Generation, dass man sich verdammt nochmal um die Lösung der Probleme im Hier und Jetzt kümmern müssten. Oder wie es auf Habecksch heißt: „You have to solve your fucking problems.“

6.Was verbindet zwei deutsche Astronauten mit Seleskijs Sicherheitsberater und dem saudischen König? 

Antwort: Alle drei standen schon vor dem Weißen Haus und wurden vom Secret Service nicht reingelassen. Probleme mit der Anmeldung. Auf die Internationale Raumstation ISS haben es Alexander Gerst und Matthias Maurer geschafft, zum Chef des National Space Council wurden sie nicht vorgelassen. Habeck Mondmission6:49

Dabei hatte Habeck sie extra mitgenommen, um gemeinsam mit ihnen dafür zu werben, dass ein Deutscher mitfliegen darf, wenn die NASA in einigen Jahren ihre Mondlandemission „Artemis“ startet. Die Europäer liefern ein Servicemodul, das die Astronauten unter anderem mit Sauerstoff versorgen soll, größter Geldgeber: Deutschland. 

Und nun standen sie hier draußen. Dafür kam Raumfahrtkoordinator Shirag Parikh raus zu den Astronauten, um bei einem Spaziergang zwei Stunden mit ihnen zu sprechen. 

Ob es was genutzt hat? Es sehe ganz gut aus, hieß es nach den Gesprächen. Es sei denn, es kommt was dazwischen. Der Mann, dessen Namen Habeck lieber nicht nennt, zum Beispiel.

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