Portugiesen wählen neues Parlament – Rechtsruck möglich

Bei den Parlamentswahlen in Portugal haben die Wähler am Sonntag darüber entschieden, ob das Land weiter nach rechts rückt. Umfragen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der regierenden Sozialistischen Partei (PS) von Pedro Nuno Santos und der oppositionellen Demokratischen Allianz (AD) von Luís Montenegro voraus. Das Mitte-Rechts-Bündnis könnte zwar knapp stärkste Kraft werden, aber ohne eigene Regierungsmehrheit – damit könnte der rechtsextremen Chega-Partei die Königsmacher-Rolle zufallen.

Die erst seit fünf Jahren im Parlament vertretene Chega („Es reicht!“) des vor allem bei jungen Wählern beliebten Ex-Sportreporters André Ventura lag in den Umfragen im Vorfeld des Urnengangs auf Platz drei. Die Partei, die 2019 mit einen einzigen Sitz erstmals ins Parlament eingezogen war und 2022 gut sieben Prozent der Stimmen gewann, konnte nun auf zweistelliges Ergebnis hoffen. 

AD-Spitzenkandidat Montenegro hat eine Zusammenarbeit mit Chega wiederholt ausgeschlossen. Andere Spitzenpolitiker der AD haben sich allerdings weniger klar geäußert. Beobachter schließen daher nicht aus, dass Chega letztlich doch zum Mehrheitsbeschaffer für eine konservative Minderheitsregierung werden könnte.

Montenegro hatte im Wahlkampf versprochen, das Wirtschaftswachstum durch Steuersenkungen anzukurbeln und die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. In seinem Wahllokal in der nordportugiesischen Stadt Espinho sagte der 51-jährige Rechtsanwalt am Sonntag, er blicke „hoffnungsvoll in die Zukunft“.

Die vorgezogene Wahl war angesetzt worden, nachdem der sozialistische Regierungschef António Costa im November wegen Korruptionsvorwürfen gegen sein Umfeld seinen Rücktritt eingereicht hatte. Obwohl die Ermittlungen gegen Costa selbst schnell eingestellt wurden, trat er bei der Neuwahl nicht wieder an.

Sein Nachfolger an der Parteispitze und PS-Spitzenkandidat Santos ist nicht unumstritten: 2022 war er wegen eines Skandals um Abfindungszahlungen an eine Managerin der staatlichen Luftfahrtgesellschaft TAP als Infrastrukturminister zurückgetreten.

In seinem Wahllokal in Lissabon rief Santos seine Landsleute am Sonntag dazu auf, für eine hohe Wahlbeteiligung zu sorgen. Es sei „sehr wichtig“, das Land weiter voranzubringen, sagte der 46-Jährige, der seinen kleinen Sohn zur Wahl mitbrachte.

2015 hatte der zurückgetretene Costa mit linken Parteien eine Regierung gebildet. Bei seinem Amtsantritt versprach er, den im Zuge der Finanzkrise von der konservativen Vorgängerregierung auferlegten Sparkurs zurückzunehmen. Seitdem hat Portugal einen Wirtschaftsaufschwung erlebt: Die Kaufkraft nahm zu, die Arbeitslosigkeit ging zurück, die öffentlichen Finanzen erholten sich. Bei der Wahl 2022 holten die Sozialisten eine absolute Mehrheit.

Zuletzt waren den Meinungsumfragen zufolge aber immer mehr Menschen unzufrieden mit der sozialistischen Regierung: Sie hat es ihrer Ansicht nach trotz der guten Wirtschaftslage versäumt, zentrale Themen wie die grassierende Wohnungsnot, die marode staatliche Gesundheitsversorgung und das reformbedürftige Bildungswesen anzugehen. 

Beobachtern zufolge war der Ausgang der Parlamentswahl wegen der zahlreichen unentschlossenen Wähler bis zuletzt völlig offen. Gegen Mittag lag die Wahlbeteiligung nach offiziellen Angaben bereits bei über 25 Prozent – etwas mehr als bei der Wahl 2022. Erste Hochrechnungen wurden nach Schließung der Wahllokale gegen 20.00 Uhr erwartet.

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