Eine exklusive Analyse zeigt, wer Friedrich Merz zum Kanzler wählen würde – und wer nicht: Der CDU-Chef ist noch immer ein Altherren-Kandidat. Nicht mal die eigenen Parteimitglieder stehen voll hinter ihm.
Friedrich Merz hat im stern offen seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur erklärt („Ich fühle mich fit“). Seine Persönlichkeitswerte haben sich allerdings sogar verschlechtert. Vor allem die wichtige Gruppe der Frauen unter 60 Jahren tut sich mit dem CDU-Chef schwer, wie eine Analyse des Forsa-Instituts für den stern zeigt.
23 Prozent aller Befragten würden Merz aktuell bei einer Direktwahl zum Kanzler küren. Damit liegt er zwar klar vor dem angeschlagenen Amtsinhaber Olaf Scholz (15 Prozent) und Vizekanzler Robert Habeck (18 Prozent), aber deutlich unter den Werten, die die Union in der Sonntagsfrage erreicht (30 Prozent).
Das hat vor allem einen Grund, so Manfred Güllner, Chef des Forsa-Instituts: „In allen Altersgruppen erhält Merz bei den Frauen deutlich geringere Werte als bei den Männern.“
Friedrich Merz hat ein Frauenproblem
Konkret würden 28 Prozent der Männer für den CDU-Politiker stimmen, aber nur 18 Prozent der Frauen. Besonders jüngere Frauen fremdeln mit Friedrich Merz. Von den Frauen zwischen 18 und 29 Jahren würden nur 9 Prozent für den 68-Jährigen stimmen und von denen zwischen 30 und 45 Jahren auch nur 13 Prozent. Bei den Männern ist die Unterstützung für Merz bei den 45 bis 59-Jährigen mit 29 Prozent am höchsten. Bei den über 60-Jährigen erreicht er 28 Prozent. Der Oppositionsführer als Altherren-Kandidat.
Wahlen, so lautet eine alte Weisheit, werden in der Mitte gewonnen. „Für Merz würden sich vor allem die Wahlberechtigten entscheiden, die sich selbst im rechten politischen Spektrum verorten“, analysiert Forsa-Chef Manfred Güllner. Mit 47 Prozent liege der Wert des CDU-Chef im rechten politischen Lager 18 Prozentpunkte über dem Anteil derjenigen, die sich selbst der politischen Mitte zurechnen.
In urbanen Milieus kommt der Mann aus dem Sauerland offenbar nicht an. In Städten mit mehr als einer halben Million Einwohner würden ihn gerade 20 Prozent wählen.
Ein Viertel der CDU-Mitglieder würde nicht für den Parteichef stimmen
Eine Schwäche von Merz ist, dass er – anders etwa als CSU-Chef Markus Söder – die Anhängerschaft der Union nicht voll mobilisiert. Von Wählern, die bei der vergangenen Bundestagswahl CDU angekreuzt haben, würde sich heute die Hälfte (52 Prozent) bei einer Direktwahl für Merz entscheiden. Auch bei den aktuellen Anhängern ist sein Rückhalt mit 58 Prozent nicht viel größer. Von den Mitgliedern der CDU würden sich nur 77 Prozent für den eigenen Parteichef entscheiden. Ein knappes Viertel überzeugt er nicht – auch hier vermutlich vor allem die Frauen.
Regelmäßig erhebt Forsa für den stern Eigenschaftsprofile von Spitzenpolitikern. Friedrich Merz kann sich im Vergleich zum Januar 2023 nur bei einem einzigen Kriterium verbessern: 49 Prozent der Deutschen halten ihn für führungsstark – drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Seine positivste Eigenschaft ist, dass verständlich reden kann (57 Prozent). Den größten Rückgang muss der CDU-Chef beim wichtigen Kriterium „kompetent“ hinnehmen – von 52 auf 44 Prozent. Hier mögen umstrittene Äußerungen zu Zahnarztterminen für Geflüchtete oder taktische Volten in der Steuerpolitik geschadet haben.
SPD-Reservekanzler Pistorius schlägt Merz um Längen
Nur 28 Prozent halten Friedrich Merz für vertrauenswürdig. Zum Vergleich: Über Verteidigungsminister und SPD-Reservekanzler Boris Pistorius sagen das 51 Prozent der Deutschen. Die weichen Faktoren sind die Schwachstelle beim Image des CDU-Chefs. Gerade mal 22 Prozent der Deutschen finden ihn sympathisch. Über Pistorius sagen das 49 Prozent der Bürger und sogar 65 Prozent der Unionswähler. Den eigenen Spitzenmann charakterisieren so gerade 32 Prozent.
Fazit des Zahlenanalyse: Trotz eines katastrophalen Erscheinungsbilds der Ampel-Koalition kommt die Union nicht so recht über die 30-Prozent-Marke hinaus. Und der wahrscheinliche Kanzlerkandidat schneidet schlechter ab als die eigene Partei. Dazu passt ein weiteres Umfrage-Ergebnis, das Forsa für den stern erhoben hat: Nur 38 Prozent der Deutschen glauben, dass eine von CDU/CSU-geführte Bundesregierung mit Friedrich Merz die aktuellen Probleme besser bewältigen könnte als das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP. Das bedeutet gegenüber August 2022 eine Steigerung um immerhin 20 Prozentpunkte, aber eine klare Mehrheit der Bürger (55 Prozent) bezweifelt, dass es eine Merz-Regierung besser könne. Noch ist Friedrich Merz nicht mehr als ein Scheinriese.
Die Daten wurden vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa für den stern und RTL Deutschland am 28. und 29. Februar erhoben. Datenbasis: 1008 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozentpunkte. Für die Kanzlerfrage hat Forsa für den stern eine Sonderauswertung des RTL-ntv-Trendbarometers vorgenommen.