Rückzug von Apple : Endlich mal gute Nachrichten für deutsche Autobauer

Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten – heißt es oft im Journalismus. In diesem Sinne wäre der Rückzug von Apple aus dem Automobilsektor eine gute Nachricht für deutsche Autobauer.

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Es kommt nicht oft vor, dass in diesen Wochen mal eine halbwegs erfreuliche Nachricht in Deutschland eintrifft, erst recht nicht, wenn sie den Kern der deutschen Industrie betrifft – und dann auch noch aus dem Zentrum der permanenten Umwälzung, dem Silicon Valley. Aber so kann und darf man wohl die Nachricht interpretieren, der Tech-Gigant Apple stelle seine Arbeiten an einem eigenen Apple-Car überraschend ein.  

Zugegeben, die Nachricht muss auch nicht gleich Jubelstürme in Wolfsburg, Stuttgart, Dingolfing und Ingolstadt auslösen. Aber sie enthält doch einige Botschaften für die deutschen Autobauer, die eine genauere Betrachtung lohnen.

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Da wäre als erstes die Erkenntnis, dass die Entwicklung von Autos und ihre Produktion in einem industriellen Maßstab eine gar nicht so triviale Angelegenheit ist: Das Zusammenspiel aus Design, Technik und Software, Motorisierung und den Bedingungen einer großen Serienproduktion mit ihrer Logistik und ihren Lieferketten stampft man nicht mal eben aus dem Boden – das erfordert mindestens Jahrzehnte an Erfahrung und Feinschliff.

Deutsche Autobauer sind nicht so leicht nachzuahmen

Es ist nicht unmöglich, wie der Aufstieg von Tesla und auch einiger chinesischer Autobauer zeigt, die jetzt ebenfalls massiv auf den europäischen Markt drängen. Doch die Autoproduktion in einem industriellen Maßstab und auf einem so hohen Niveau wie es die deutschen Autobauer seit Jahrzehnten praktizieren (und wie man es auch von einem Apple-Car erwartet hätte) ist nicht so leicht nachzuahmen. Zumal, wenn man als weitere Bedingung noch die Rentabilität hinzunimmt: Apple hat seine Pläne ja offenbar auch deshalb beerdigt, weil man erkannte, dass man für unter 100.000 Dollar kaum Autos produzieren könnte, die auch nur annähernd an die Margen heranreichen, die die Apple-Manager sonst von ihren Produkten gewöhnt sind.

Das ist unzweifelhaft richtig – Margen von 25 bis 30 Prozent sind mit Autos im Massengeschäft nicht zu erreichen, sondern allenfalls im absoluten Luxussegment. Und schon deutlich niedrigere Margen von zehn bis 15 Prozent sind extrem sportlich. Andererseits beweisen gerade die deutschen Autobauer – trotz immer neuer Zweifel an der Zukunftsfähigkeit ihrer Produkte –, dass sie mit ihren Autos gutes Geld verdienen können: Bei Mercedes etwa blieben bei einem Umsatz von 153 Mrd. Euro im vergangenen Jahr immerhin gut 14 Mrd. Euro als Nettoergebnis, der Konzern übertraf einmal mehr die meisten Analystenschätzungen.

Das soll nicht heißen, dass die deutschen Autobauer nicht vor enormen Herausforderungen stünden. Doch zunächst einmal können sie auf Kompetenzen und auf einer industriellen Substanz aufbauen, die andere gerne hätten und die sich längst nicht so schnell replizieren lässt. Diese Erfahrung macht ja auch gerade die Lichtgestalt Elon Musk mit seiner Automarke Tesla: Lieferkettenprobleme, Qualitätsmängel, enttäuschte Kundenerwartungen und empfindliche Kostensteigerungen schmälern den Absatz in einem umkämpften Markt und drücken die Rentabilität. Für Tesla und Musk mag das ein schmerzhafter Abstieg in die Normalität sein, seine deutschen Wettbewerber sind dort seit Jahrzehnten und mit solchen Widrigkeiten und Rückschlägen bestens vertraut.  

Autonomes Fahren nur ein Erfolgskriterium 

Die Frage, wann das autonome Fahren kommt und wir tatsächlich während der Fahrt auf dem iPad herumdaddeln, Filme schauen oder mit den Kindern spielen, ist da fast schon eine nebensächliche Spielerei. Vielleicht wird es irgendwann so weit sein, aber alle bisherigen Versprechungen haben sich als viel zu optimistisch erwiesen. Die deutschen Autobauer sind hier weder ganz vorne dabei noch hängen sie weit zurück – wenn die Technik so weit ist, wird sie kommen, und zwar überall. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass sie allein über die Zukunft des Automarktes entscheiden wird. 

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Wichtiger ist da eine ganz andere Aufgabe – es ist die eigentliche Herausforderung für deutsche Autokonzerne: die Batterietechnik. Wer hier ganz vorne ist, wird den Wettbewerb um attraktive Produkte und hohe Margen gewinnen. Die heutigen Lithium-Ionen-Batterien haben viele Nachteile: Sie leisten viel zu selten, was ihre Hersteller versprechen, sie sind zu teuer (was die Autos unattraktiv macht) und praktische alle Autobauer hängen bei Technik und Rohstoffen von chinesischen Herstellern ab, vor allem von BYD (die jetzt auch noch mit Macht in westliche Automärkte vorstoßen). Kurz: Wenn das Elektroauto die Zukunft ist, wofür viel spricht, dann müssen die deutschen Hersteller in neue Batterietechnologien investieren.   

Dies ist die große Erkenntnis, auch aus der Apple-Absage: Selbst wenn sie alles rund um das Auto hinbekommen hätten – die Produktion, die Lieferketten, das autonome Fahren –, am Ende hing auch Apples Erfolg am Zugang zu günstiger und besserer Batterietechnologie. Hier entscheidet sich die Marge im künftigen Automarkt. Auch BMW, Mercedes und VW haben (zu) lange gebraucht, um dies zu erkennen. Doch immerhin haben sie es verstanden und investieren jetzt. Das Rennen um die besten Batterie- und Stromspeichertechnologien geht gerade erst los – es ist heute die Chance für die deutschen Autobauer.  

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