Stern-Chefredakteur: Gregor Peter Schmitz über den aktuellen stern: „Trump 2 könnte Amerika zerfetzen“

Chefredakteur Gregor Peter Schmitz blickt in der aktuellen stern-Ausgabe auf seine Zeit in den USA zurück. Und er wagt einen Blick in die Zukunft: Was eine weitere Amtszeit von Donald Trump bedeuten würde.

Ich muss in diesen Tagen, da die Bilder vom US-Vorwahlkampf zu sehen sind, an ein Seminar an einer amerikanischen Uni vor vielen Jahren denken. Es ging um die Idee von Amerika, und die klang sehr schön. Vom „Recht auf Glücklichsein“ lasen wir, genauer „Pursuit of happiness“, was noch viel fröhlicher klingt. Genauso wie der Satz über „The shining city upon a hill“, die leuchtende Stadt auf dem Hügel, gemeint war natürlich: Amerika. Selbstredend fielen auch die Worte, man solle nicht fragen, was das Land für einen tun, sondern was man selbst für sein Land tun könne.

Im Rückblick erstaunt mich am meisten, wie ernsthaft-glücklich dieses Seminar verlief. Niemand riss einen zynischen Spruch. Natürlich waren die Schwächen jeder Amerika-Nostalgie schon damals offensichtlich. Amerikas Gründerväter wollten Rechte für alle garantieren, außer für diejenigen, die eine Frau oder ein Sklave waren. Amerika zerbrach fast an der Rassenfrage; es hat in der Welt viel Gutes, aber auch viel Schlimmes angerichtet. Es ist so unfassbar reich – und zugleich so ungeheuerlich arm. Seine Präsidentschafts-Vorwahlen sind Volksfeste der Basisdemokratie. Feiern können allerdings in der Regel nur Kandidaten, die genug Dollarscheine mitbringen. Trotzdem verbarg sich so viel hinter dieser Idee namens Amerika. Die Institutionen, die mutigen Medien, die stolzen Gerichte. Hatte Amerika nicht viel harte Macht, Militär und Geld, aber auch ganz softe: seine Musik, seine Filme, seine Hochschulen. Waren wir nicht auch aus aller Welt dorthin gekommen?

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Der Abschied vom American Dream 

Heute ist Amerika noch immer erfolgreich, vielleicht mehr denn je. Seine Wirtschaft brummt, es beherrscht die Zukunftstechnologien. Aber seine Gesellschaft ist bankrott, seine Institutionen sind sturmreif geschossen. Im Kongress sitzen Menschen, die von Trump-Anhängern attackiert wurden und die trotzdem weiterhin sagen, Donald Trump sei der beste Präsident. Am Obersten Gerichtshof urteilen Männer und Frauen, die von Trump auf Lebenszeit ernannt wurden. Vielleicht hieven sie ihn wieder ins Amt, weil sie dann weiter Abtreibung verbieten und Gewehre erlauben können. In vielen Redaktionen warten Mitarbeiter nicht auf Nachrichten, sondern darauf, Fake News zu basteln. „America first“ ist zum wichtigsten, zum egoistischen Exportschlager geworden. Und die Universitäten? Dort tobt der Streit, wer was wie noch sagen darf.

Nicht an allem davon ist Donald Trump schuld. Aber er hat vier Jahre lang wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Schafft er es zurück ins Weiße Haus und stoppen ihn nicht Gerichtsverfahren oder am Ende doch der müde Joe Biden, wird er mit einem Flammenwerfer ausgestattet sein. Seine erste Präsidentschaft hat das Land gerade so überlebt, weil manche am Ende doch „No“ zu Trump sagten, als er den Staatsstreich probte. Warum sollte ihm das noch mal passieren? Er hat gemerkt, dass für ihn keine Grenzen gelten – und er wird sich nur noch mit den Treuesten der Treuen umgeben.

Die Autoritäre Persönlichkeit: Interview Karen Stenner 8.20

Es wirkt schnell albern, wenn wir den Amerikanern vorschreiben wollen, wie sie zu wählen haben. Doch genau hinschauen sollten wir, etwa im neuen stern-Newsletter unseres Auslandsressorts zur US-Wahl, den Sie hier abonnieren können. Denn Trump 2 könnte Amerika zerfetzen – und den Rest der Welt gleich mit. Sein Rachedrang wird an den eigenen Staatsgrenzen kaum haltmachen. Die Ukraine will Trump binnen 24 Stunden so gut wie aufgeben, den Klimaschutz sowieso. Aus der Nato möchte er vermutlich raus, auch weil er die Deutschen (nicht ganz zu Unrecht) für Trittbrettfahrer hält. Wir sind darauf nicht vorbereitet – was uns lähmt. Wir spüren akute Ansteckungsgefahr, so wie wir uns hierzulande mittlerweile zerstreiten und beschimpfen. Auch das ist ähnlich, bei Trump und der AfD: Niemand kann sagen, nicht gewusst zu haben, was diese Menschen vorhaben. Gefährlich sind nicht nur jene, die gegen die Demokratie kämpfen. Gefährlich sind auch all jene, die nicht für die Demokratie kämpfen.

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