Als Adele ihre Auftritte in München ankündigte, waren die günstigen Plätze – ab 70 Euro – binnen Stunden ausverkauft. Wer jetzt noch einen Platz ergattern will, zahlt bis zu zehn Mal so viel. Warum sind Konzerttickets neuerdings so teuer?
Ein Wochenende am Meer mit Halbpension oder doch lieber zweieinhalb Stunden Live-Musik? So oder ähnlich muss man mittlerweile abwägen, wenn man zu einem der Mega-Konzerte möchte, die unter anderem Adele für diesen Sommer in Deutschland angekündigt hat. Die Preise für Tickets erreichen nicht nur beim britischen Superstar Schmerzgrenzen. Spätestens seit der Corona-Pandemie müssen Fans für fast alle Konzerte immer tiefer in die Taschen greifen. Bei vielen Ticket-Portalen wird deswegen inzwischen sogar Ratenzahlung angeboten. Das Live-Erlebnis des Lieblingsstars wird zur echten Investition.
Adele: Die Tortur vom Ticketverkauf17:37 Aber wie kam es dazu? Es ist fast unmöglich, bei der Abrechnung von Superlativ-Konzerten wie dem von Adele, pauschal aufzuschlüsseln, wer an was wie viel verdient – zu unterschiedlich sind die jeweiligen Verträge und Konditionen. Aber es reicht ein kleines Rechenspiel um zu belegen, in welchen absurden Höhen sich Konzertticketpreise mittlerweile bewegen: Rund 800.000 bezahlende Zuschauer werden insgesamt zu den zehn Konzerten erwartet, die Adele in diesem Sommer in München geben wird. Würde jedes Ticket 100 Euro kosten, brächte das einen Gesamtumsatz von 80 Millionen. Müsste doch reichen, um alle reich zu machen, sollte man meinen. Warum werden dann Preise von bis zu 722 Euro verlangt?
Zwei Antworten:
1. Das Publikum erwartet heute von Stars wie Adele und Taylor Swift gigantische Show-Spektakel. Und die kosten Millionen: Swift fährt mit 50 LKWs voller Bühnentechnik durch die Welt, an einem Abend arbeiten in einer Arena gerne mal 1000 Personen.
2. In den vergangenen Jahren sind die Preise für Personal, Energie, Logistik, Unterbringung der Musiker und Musikerinnen und Hallenmiete teils enorm in die Höhe geschossen.
„Die Branche hatte in den vergangenen zwei Jahren große Kostensteigerungen. Und davor hatten wir Corona, da liefen gar keine Veranstaltungen mehr“, sagt Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) in Hamburg. „Das spüren wir deutlich, und das kommt auch bei den Ticketkäufern an. Unsere Kosten sind im Durchschnitt um insgesamt 40 Prozent gestiegen, die Ticketpreise um etwa 15 Prozent.“
Konzerte kompensieren die Verluste durch Streaming
Ein weiterer Faktor, der die Preise hochtreibt, ist das Streaming. Weil damit nur Superstars wirklich Geld verdienen, sind alle anderen Musiker darauf angewiesen, auf der Bühne ihre Brötchen zu verdienen. Damit hat sich eine alte Regel des Musikgeschäfts auf den Kopf gestellt: Während Tourneen früher weniger Geld brachten, dafür aber die profitablen Plattenumsätze steigerten, dienen Alben heute eher als Werbung für Konzerttourneen – wo man dann über die Ticketpreise die wegbrechenden Einnahmen kompensiert. Und solange die Fans bereit sind, fast jede Summe zu zahlen – auf Ebay gehen Tickets oft für Tausende Euro weg – wird sich daran nichts ändern.
In diesem Kampf gibt es mächtige Veranstalter, Ticketverkäufer und Künstler, die ihre Größe dazu nutzen, um möglichst viel Geld zu machen. Es kommt aber auch vor, dass Veranstalter für Millionengarantien Tourneen von Megastars kaufen, ohne daran später groß zu verdienen – nur wegen des Renommees.
Ein Brancheninsider beteuert aber, dass es ein großes Bewusstsein dafür gäbe, die Preisspirale nicht zu überdrehen. Dem stimmt auch BDKV-Chef Johannes Everke zu: „Wir wollen uns selbst nicht das Wasser abgraben und viele von uns machen das ja auch aus Liebe zur Musik, vor allem die Betreiber der kleineren Clubs. Wir machen uns viele Gedanken, wie sich das auf den Nachwuchs auswirkt.“