Smartphones: Lauscht Ihr Smartphone mit? Facebook-Partner prahlt mit Schnüffel-Technologie

Seit Jahren hält sich der Verdacht, dass Facebook und Co. uns belauschen. Nun wirbt ein Unternehmen damit, genau das zu können. Zu den Kunden gehören Meta, Google und Amazon.

Kennen Sie das? In einem Gespräch unterhält man sich über ein neues Produkt – und bekommt bei Facebook kurz darauf wie aus dem Nichts Werbung dafür. Den Verdacht, dass unsere Smartphones uns belauschen, gibt es seit Jahren. Bislang wurde er aber meist als Spinnerei abgetan. Eine Firma in den USA behauptet aber nun: Das ist seit Jahren möglich. Und verkauft die Technologie an Interessierte.

Das geht aus einer Verkaufspräsentation hervor, die „404 Media“ zugespielt wurde. Demnach lassen sich durch „aktives Zuhören“ gesammelte Daten mit KI-Hilfe so bearbeiten, dass die für ein zielgerichtetes Ausspielen von Werbung genutzt werden könnnen, heißt es in der Präsentation der Cox Media Group, kurz CMG. Man könne „in Echtzeit die Absichten der Nutzer auswerten, indem man ihre Gespräche mithört.“

IV Frances Haugen Facebook

Lauschen Facebook und Co. per Smartphone?

Das Produkt des Unternehmens ist, die so abgehörten Daten dann mit denen zu verbinden, die von den Kunden selbst gesammelt werden. Um so ein noch genaueres Bild der eigenen Nutzer zu bekommen. Das würden auch die Techriesen zu schätzen wissen, prahlt CMG in der Präsentation: Google, Facebook und Amazon seien Kunden für die Lausch-Technologie.

Damit konfrontiert, reagierten die Firmen sehr unterschiedlich, berichtet „404 Media“: Google entfernte sehr rasch CMG aus einer Liste aus Partnerprogrammen, Facebooks Mutterkonzern Meta gab an, eine Untersuchung der Geschäftsbeziehung eingeleitet zu haben. Man wolle herausfinden, ob die Firma gegen Metas AGBs verstoße. Amazon betonte „man habe nie mit CMG an diesem Programm gearbeitet und plane auch nicht, das zu tun.“ Sollte man Verstösse durch Partner entdecken, gehe man aber dagegen vor. 

Tatsächlich hatte die Firma schon in der Vergangenheit mehrfach behauptet, die Gespräche von Nutzern mithören zu können. Auch die Köpfe der Marketing-Fima MindSift erzählten in ihrem Podcast vor wenigen Dutzend Zuhörern, dass sie eine solche Technologie anbieten.

Viele Fragen offen

Wie genau das Mitlauschen technisch abläuft, ist immer noch unklar. Denn das war einer der Gründe für die lange Skepsis gegenüber den Behauptungen: Würden die Apps tatsächlich sämtliche Gespräche abhören und hochladen, müssten Smartphones ja Unmengen an Daten in die Cloud hochladen. Das tun sie allerdings nicht – es lässt sich schließlich leicht überprüfen.

Die Aussagen aus dem Podcast lassen eine andere Herangehensweise herauslesen: Die Schnüffel-Technologie speichert demnach nicht ganze Gespräche, sondern achtet mit KI-Hilfe darauf, ob bestimmte Schlagworte fallen. Etwa so, wie es auch Sprachassistenten wie Alexa oder Siri tun. Während die dann aber eine Verbindung zum Server herstellen und tatsächlich zuhören, könnte sich die Schnüffel-App das sparen: Es reicht, wenn sie meldet, dass das Schlagwort gefallen ist. Und schon weiß die App dahinter, dass es in dem Gespräch über iPhones, eine Schwangerschaft oder den Kauf eines neuen Autos ging – und kann entsprechende Werbung anbieten.

Schutzmaßnahmen

Zumindest beim iPhone ist das eher unwahrscheinlich: Seit iOS 14 zeigt ein gelber Punkt am oberen Rand, wenn das Mikrofon eingeschaltet wird – egal, welche App das gerade tut. Würden Apps wie Facebook also aus dem Nichts mitlauschen, wäre das angesichts Milliarden von iPhone-Nutzern sicher schnell aufgeflogen. Mehr zur Bedeutung der Leuchten finden Sie hier.

Dass eine solche Technologie nicht grundsätzlich abwegig ist, zeigt Google: Die Pixel-Smartphones des Herstellers erkennen jederzeit, welches Lied gerade läuft – ganz ohne dazu aufgefordert zu werden. Sie analysieren einfach Musik, während sie im Hintergrund zu hören ist. Die KI statt auf Millionen von Songs auf einige Tausend Schlagworte zu trainieren, wäre dann kein Hexenwerk. Vor allem, wenn der Betreiber des Betriebssystems selbst die Technologie einbauen würde.

Grundsätzlich muss man sich allerdings bewusst machen, dass es auch eine deutlich einfachere Erklärung dafür gibt, dass Apps uns wie aus dem Nichts Werbung anzeigen – wenn sie auch nicht weniger gruselig ist. Die Überwachung unserer Daten über soziale Netzwerke und Tracking ist so genau, dass selbst Geheimdienste diese Daten einkaufen, statt selbst zu spitzeln (hier erfahren Sie mehr). Die über uns gesammelten Daten können also durch KI ausgewertet auch Interessen vorhersagen, die uns vielleicht vorher noch nicht bewusst sind – und uns entsprechende Werbung anzeigen. Könnte man über unser Smartphone lauschen, wäre das nur ein weiteres Puzzleteil – zu den vielen, die ohnehin schon über uns bekannt sind.

Quellen: 404 Media, Podcast.

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