Gefährliches Virus: Vogelgrippe hat Antarktis erreicht. Droht Pinguinen ein Massensterben?

Forscher haben erstmals die tödliche Form der Vogelgrippe im ewigen Eis nachgewiesen. Sie befürchten eine Katastrophe für die Tierwelt. Neben Pinguinen sorgen sie sich auch um andere Lebewesen. 

Nun ist es offiziell: Das Vogelgrippe-Virus wurde auf dem antarktischen Festland nachgewiesen, dem Reich der Pinguine. Die Nachricht ist schockierend, kommt jedoch wenig überraschend: Seit Monaten hatten Forscher genau dieses Szenario vorhergesagt, das fatale Folgen für die Biodiversität haben könnte. 

Nachdem sich das Virus zuerst in Europa und Nordamerika ausgebreitet hatte, wütete es in Südafrika, im Oktober 2022 schließlich auch in Südamerika. Von dort aus brauchte es nur noch Seevögel, die den Erreger in die Antarktis trugen. 

Vor einigen Tagen schließlich fanden Forscher einer Station des British Antarctic Survey auf Bird Island einige kranke Skuas, eine Möwenart, sowie Riesensturmvögel. Die Wissenschaftler schickten Proben zum Testen zurück ins Vereinigte Königreich. „Sie waren tatsächlich positiv“, sagt Norman Ratcliffe, ein Seevogelökologe beim British Antarctic Survey.

Massensterben von Tierarten ist eine reale Gefahr

Zuvor wurde das als H5N1 bekannte Virus bereits bei Eselspinguinen bestätigt, die tot auf der Seelöweninsel der Falklandinseln, einem britischen Territorium, gefunden wurden.

Für Forscher ist die Gefahr eines Massensterbens zu einer realen Gefahr geworden. So sollen neben seltenen Pinguinen bis zu 100 Millionen Seevögel dort ihre Brutgebiete haben, aber auch Robbenarten wie Weddellrobbe und Seeleopard leben hier. 

„Auf einigen der antarktischen und subantarktischen Inseln gibt es Arten, die nur auf diesen Inseln vorkommen, und zwar nur in geringer Zahl, zu Hunderten oder Tausenden“, sagte Thijs Kuiken von der Erasmus-Universität Rotterdam in den Niederlanden. „Wenn das Virus diese Populationen erreicht, sind sie vom Aussterben bedroht.“

Pinguine verfügen über eine geringe Immunität

Bevor H5N1 hier auftauchte, waren hochpathogene Vogelgrippeviren in diesem Gebiet noch nie nachgewiesen worden. Das bedeutet, dass die Pinguine und all die anderen Tiere wahrscheinlich nur über eine geringe Immunität verfügen. Da sie in großen, dicht gedrängten Kolonien brüten, kann sich das Virus vermutlich schnell verbreiten. Was im schlimmsten Fall ein Massensterben verursachen könnte. So war es im letzten Jahr auch in Südamerika, als Chile den Tod von Tausenden von Humboldt-Pinguinen vermelden musste. 

In der Antarktis kommt erschwerend hinzu, dass viele Pinguine ohnehin vom Aussterben bedroht sind, da die steigenden Temperaturen das Meereis schwinden lassen, das die Tiere zur Ernährung, Fortpflanzung und Verteidigung benötigen.

Zudem hat sich der Erreger besser an seine Umgebung angepasst und ist damit noch gefährlicher geworden. So ist er mehrfach von Vögeln auf Säugetiere übergesprungen und hat zum Beispiel Seeelefanten und andere Meeressäugetiere befallen, die sich an der Küste versammeln. Fast 30 Arten sind bislang betroffen. Dazu gehören streunende Katzen und Hunde genauso wie Füchse, Tiger und Leoparden. Im Januar ist in Alaska erstmals ein Eisbär mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 entdeckt worden.  

Auch Neuseeland bangt nun um Artenvielfalt

Zum ersten Mal tauchte das Virus der aktuell vorherrschenden Linie H5N1 im Jahr 1996 bei einem Geflügelzüchter in der südchinesischen Provinz Guandong auf. Fast zwei Jahrzehnte später gibt es kaum noch ein Gebiet auf der Erde, das nicht betroffen ist. Denn mit dem antarktischen Fund wackelt nun auch die letzte Bastion: Australien und Ozeanien.

In Neuseeland bereitet man sich auf die Ankunft bereits vor. „Wir wissen nicht genau, wie sich HPAI (hochpathogene aviäre Influenzaviren) auf einheimische Arten auswirkt, aber es ist wahrscheinlicher, dass koloniebrütende Vögel oder Tiere, die mit diesen Vögeln interagieren, in Zeiten engen Kontakts betroffen sind“, sagt Bruce McKinlay von der University of Otago in Neuseeland. Potenziell gefährdet seien aber auch nicht brütende Ansammlungen von Wasservögeln, die sich in Feuchtgebieten oder an Hochwasserschlafplätzen aufhalten. 

„Bei einigen wenigen Arten könnte die Impfung bei Ausbrüchen ein wirksames Mittel sein, um eine in Gefangenschaft lebende Zuchtpopulation zu schützen und das Aussterben der Art zu verhindern“, so McKinlay. Es sei jedoch nicht möglich, alle gefährdeten Vögel zu impfen. Man müsse sich wohl auf die Arten in Gefangenschaft konzentrieren, bei denen die vollen zwei Dosen des Impfstoffs verabreicht werden können.

Vogelgrippe-Impfungen werden getestet

Aktuell führen die neuseeländischen Forscher eine Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung gegen die Vogelgrippe für fünf stark gefährdete einheimische Arten durch.

In Deutschland bereiten die zuständigen Behörden in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe den Einsatz von Impfstoffen bei Geflügel vor, heißt es beim Friedrich-Löffler-Institut in Greifswald.

Zwar steht nach wie vor kein geeigneter, regulär zugelassener Impfstoff gegen aktuell zirkulierende Viren zur Verfügung. Im vergangenen Jahr wurden aber zwei rekombinante Impfstoffe bei Hühnern getestet. Bei keinem der geimpften Tiere wurde eine Virusausscheidung nach Kontakt mit dem Erreger beobachtet. Da diese Impfstoffe bei Wassergeflügel nicht eingesetzt werden können, wurden zudem zwei weitere Impfstoffe bei Enten erfolgreich getestet. 

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