Die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus will die Privatisierung von Landeseigentum erschweren und dafür die Verfassung ändern. Grüne und Linke finden das gut. Der CDU-Fraktionschef sagt lieber nichts.
Die Berliner SPD hat eine neue Diskussion über höhere Hürden für den Verkauf von landeseigenen Unternehmen angestoßen. Sie setzt sich für eine Änderung der Berliner Verfassung ein. „Ich möchte kommende Generationen davor schützen, dass das Hab und Gut der Berlinerinnen und Berliner wieder bei Kalbsschnitzel und Rotwein verscherbelt wird – haben wir alles erlebt“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh der Deutschen Presse-Agentur. „Wir streben eine Privatisierungsbremse in der Landesverfassung an.“
Bremen habe das schon gemacht. „Meine Fraktion unterstützt das Vorhaben. Wir arbeiten jetzt an einem entsprechenden Antrag.“ Saleh hatte bereits im vergangenen Dezember bei einer Rede im Abgeordnetenhaus erklärt, er halte es für sinnvoll, eine Privatisierungsbremse für öffentliche Unternehmen, die dem Gemeinwohl dienen, in die Verfassung aufzunehmen.
SPD will das Thema vorantreiben
Die SPD-Fraktion will das Vorhaben nach der Sommerpause voranbringen. Sie ist allerdings auf den Koalitionspartner CDU angewiesen und braucht für eine Änderung der Landesverfassung außerdem eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Saleh hält das Bremer Modell für überlegenswert: Das Bundesland hat schon 2012 entschieden, die Privatisierung öffentlicher Unternehmen nur zuzulassen, wenn es bei einem Volksentscheid eine Zustimmung dafür gegeben hat.
„Gerade jetzt, in einer finanziell angespannten Situation, muss man auch kommende Generationen davor schützen, dass am Ende leichtsinnig Entscheidungen getroffen werden, die dann nur schwer wieder zu reparieren sind“, erklärte Saleh. „Wir werden als SPD-Fraktion eine Privatisierungsbremse auch bei unserem Koalitionspartner einfordern.“
CDU-Fraktionsvorsitzender lehnt Stellungnahme ab
CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hatte sich im Dezember skeptisch geäußert: „Die Landesverfassung ist ein hohes Gut, das man nicht leichtfertig abändern sollte“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Einen Kommentar zu Salehs Ankündigung, das Thema voranbringen zu wollen, lehnte er ab.
Grüne: „Für gute Ideen sind wir immer offen“
Zustimmung kommt dagegen aus der Opposition, verbunden mit dem Hinweis, dass es ähnliche Überlegungen schon früher gab: „Für gute Ideen sind wir immer offen, besonders wenn es rot-grün-rote Projekte waren“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, André Schulze.
„Wir erinnern nur ungern daran, dass die SPD unser progressives Bündnis aufgekündigt hat, um ihr Wohl als CDU-Juniorpartnerin zu suchen“, so der Grünen-Abgeordnete. „Wir würden uns von der Dauerregierungspartei SPD wünschen, erst einmal mit ihrem Koalitionspartner zu sprechen und dann die Öffentlichkeit zu suchen.“
Linke verweist auf Vorschlag von 2011
Linke-Fraktionsvorsitzende Anne Helm teilte auf dpa-Anfrage mit, der Linke-Wirtschaftssenator Harald Wolf habe bereits 2011 erstmals vorgeschlagen, dass die Menschen in Berlin per Volksentscheid das letzte Wort bei einem Verkauf von Landesunternehmen haben sollten.
Rot-Grün-Rot habe 2019 erste Gespräche mit der FDP und CDU über das Thema geführt, die aber an deren ablehnender Haltung gescheitert seien. „Sollte sich bei Letzterer diese geändert haben, würde uns das überraschen, aber natürlich freuen“, sagte Helm.
Linke fordern weitgehenden Schutz vor Privatisierung
„Für die Linke sind die öffentlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge ein hohes Gut, die wir schon seit Langem durch eine Privatisierungsbremse in der Verfassung schützen wollen.“Wichtig sei ihrer Partei, Regelungen zu finden, die nicht nur die Unternehmenshülle, sondern beispielsweise auch die ihnen gehörenden Immobilien vor Privatisierung schützten.
Der Landesverband Berlin/Brandenburg von Mehr Demokratie e. V. befürwortet die Initiative der Berliner SPD-Fraktion. „Berlinerinnen und Berliner müssen darüber abstimmen dürfen, wenn Landesunternehmen verkauft werden“, sagte Landesvorstandssprecherin Regine Laroche. Die Unternehmen würden über Steuern von allen mitfinanziert, ein Verkauf sei ein klarer Eingriff in die allgemeine Daseinsvorsorge.