Zeitpunkt für Kanzlerkandidatur: Warum Friedrich Merz Streit mit Markus Söder meidet? Weil er’s kann!

Wann entscheidet die Union die K-Frage? Das ist jetzt klar. CDU-Chef Friedrich Merz hat einen Vorschlag von CSU-Chef Markus Söder akzeptiert, was nur ein weiteres Indiz ist: Merz macht’s. 

Friedrich Merz ist ein alter Polit-Profi – und manchmal merkt man das sogar. Am Dienstag hat der CDU-Chef mal eben eine Debatte abgeräumt, die seine Union lange beschäftigt hat. Ganz beiläufig, in zwei Sätzen, ohne Basta-Wumms. Ein Wirkungstreffer im Vorbeischlendern, wie ihn eben nur Profis setzen.  

„Ich neige dazu vorzuschlagen, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland zu treffen“, sagte Merz der FAZ. „Sonst werden diese Wahlen zu sehr zu einer vorgezogenen Bundestagswahl.“

Er neigt dazu. Na dann. War da was?

Man muss vielleicht kurz erklären, wie das zuletzt so lief zwischen Berlin und München, zwischen CDU und CSU. Nach all den Verwerfungen rund um die Bundestagwahl 2021 waren Merz und Markus Söder bemüht, die neue Einigkeit zu zelebrieren, wo und wann immer es sich anbot. Tragischerweise wartet am alpenweiß-rhöndorfblauen Horizont schon die nächste Kanzlerkandidatenfrage. Und mit ihr verbunden sind zwei Worte, die großes Potenzial haben, die wiederentdeckte Schwesternliebe zu stören: der Prozess und der Zeitpunkt.

Friedrich Merz und der Meteorologe von der CSU

Zuerst der Zeitpunkt. Wann einigen sich CDU und CSU auf ihren Kanzlerkandidaten (Gendern überflüssig)? Diese Frage war zuletzt ein Thema für Meteorologen geworden, Spezialisierung Spätsommer. Denn genau dort, im Spätsommer 2024, hatte Merz die Klärung der K-Frage immer verortet. Was als Zeitangabe in etwa so präzise ist wie das Sauerland als Treffpunkt für eine Wanderung. Kein Wunder also, dass sich der Wetterforscher und Ministerpräsident im Nebenberuf Söder berufen fühlte, zur Klärung der Sachlage beizutragen. Spätsommer, befand er, das sei nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland, also nach dem 22. September.  

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Das war, zugegeben, selbst für Söders Verhältnisse frech. Denn es wird kaum die Neigung der Erdachse zur Sonne gewesen sein, die ihn in dieser Erkenntnis geleitet hat. Schon eher könnte es die Aussicht auf eine dankbare politische Großwetterlage gewesen sein. Erlebt die CDU in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eine Wahlschlappe nach der anderen, steht Merz angeschlagen da. Und Söder könnte noch einmal versuchen, seinen Platz von München nach Berlin zu verlegen.  

Vor einem halben Jahr noch wollte Merz auf die Provokation nicht eingehen.“Der Spätsommer reicht bis Ende September“, sagte er. Von daher könne er zwischen seiner und Söders Position keinen Widerspruch erkennen. So weit, so offen. Weil aber nach allen Regeln mittelfränkischer Staatskunst jeder gegen Söder ist, der nicht fest an seiner Seite steht, war der Fall für Beteiligte und Beobachter klar: Söder und Merz streiten um den Zeitpunkt zur Klärung der K-Frage.

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Dieser Streit wäre in den kommenden Wochen wohl eskaliert. Schon allein, weil Journalisten wieder und wieder nach dem Zeitpunkt gefragt hätten. Das hat Merz nun verhindert. Er sieht die Dinge jetzt wie Söder. Warum? Weil er’s sich leisten kann. Es ist eine klassische Entscheidung der Kategorie: Der Stärkere gibt nach. 

Merz punktet als Oppositionschef. Er hat der Partei ein neues Grundsatzprogramm verpasst. Er darf davon ausgehen, im Mai mit nahezu nordkoreanischem Ergebnis als Parteivorsitzender wiedergewählt zu werden. Seine Ex-Kollegen bei Black-Rock würden wohl bilanzieren: Merz‘ Goodwill ist groß genug, um drei ostdeutsche Landtagswahlen zu überstehen. Er kann sich nur selbst schlagen. Aber das wäre eine andere Geschichte. 

Verfahren? Welches Verfahren!

Und damit zum Prozess. Wer entscheidet mit wem und in welcher Reihenfolge, wer Kanzlerkandidat wird? Das klingt angesichts der komplexen Strukturen von CDU und CSU mit vielen Bezirksfürsten wie eine höchstkomplizierte Angelegenheit. Ist sie aber nicht. Der viel zitierte Prozess zur Klärung der K-Frage ist eine Fata Morgana. Man mag aus der Ferne viele kleine Länder-Oasen sehen, an deren Palmen ein“Mitsprache“-Banner weht. Aber an der einen Wasserstelle, die es tatsächlich gibt, sitzt ein entspannter Friedrich Merz und gönnt sich ein Pils.

Die K-Frage entscheidet sich im Zwiegespräch des CDU-Chefs mit sich selbst. 

„Friedrich, willst Du das machen?“

„Ja, Friedrich, Du musst das jetzt machen!“

Es ist ganz einfach. Der Zeitpunkt ist inzwischen völlig egal. Das weiß am Ende auch Markus Söder. 

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