Hamburg Open: Shrimps, Polo-Shirts und „salatige“ Salate – so war das VIP-Finale am Rothenbaum

Seit diesem Jahr gibt es einen neuen VIP-Bereich im Tennisstadion am Rothenbaum in Hamburg. Ein Nachmittag bei Wein und Lachs und der Hitze-Schlacht zwischen Alexander Zverev und Arthur Fils.

Schon Mitte des ersten Satzes kommt der erste Schock: Der Turnierarzt läuft auf den Platz. Das Spiel zwischen Alexander Zverev und Arthur Fils muss für mehrere Minuten unterbrochen werden. Ein Raunen geht durchs Publikum. Ist etwas mit Zverevs Knie, das Finale womöglich schon vorzeitig vorbei? Beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon hatte sich der 27-Jährige eine Knieverletzung zugezogen, trägt seitdem eine Bandage. 

Auf dem Platz bei 31 Grad und wedelnden Fächern um ihn herum klagt er nun über Übelkeit, soll für nah sitzende Zuschauer hörbar gesagt haben: „Ich habe das Gefühl, ich muss kotzen.“ Er bespricht sich kurz mit seinem Physiotherapeuten und dem Arzt. Letzterer verabreicht ihm Pulver in der Wasserflasche: Elektrolyte für den Diabetiker. Zverev spielt weiter, die Zuschauer atmen auf. 

Für viele hier im ausverkauften Stadion in Hamburg Rothenbaum ist der Titelverteidiger, der in Hamburg aufgewachsen ist, die große Hoffnung. Siegt er, wäre er der erste Deutsche nach Gottfried von Cramm 1949, der den Titel eines Traditionsturniers verteidigt.

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Im neuen VIP-Bereich sind sich die meisten kurz zuvor einig: „Unser Zverev“ wird gewinnen, verkünden die Gäste bei Weiß- und Roséwein. In diesem Jahr hat zum ersten Mal der Veranstalter Tennium das Turnier organisiert. Als abgegrenzten Bereich ließ er rechts neben dem Haupteingang ein Zelt für bis zu 350 Personen errichten. Das Ziel: Es soll der neue „place to be“ sein. Ab 340 Euro kann sich jeder eine der Karten für den Bereich samt Sitzplätzen mit besserer Sicht auf den Platz kaufen. Man hofft auf Prominente und möglicherweise auch auf neue Sponsoren.

Tennis zwischen Shrimps und Promis 

Promi-Gäste wie Star-Koch Tim Mälzer oder ProSieben-Moderator Steven Gätjen waren im Laufe des Turniers schon da, um sich selbst ein Bild zu machen. Von innen sieht der „Rothenbaum Club“ aus wie ein gehobenes Restaurant. Auf der Speisekarte stehen Gerichte wie Lachs bei 45 Grad, Pasta mit Shrimps oder Rinderfilets. „Die Salate hier sind sehr salatig“, sagt ein Mitarbeiter. Viele Besucher tragen Polo-Shirts.

„Der VIP-Bereich ist jetzt viel größer und edler. Es ist kein Vergleich zu letztem Jahr“, sagt Besucherin Laura Jansen. Die 28-jährige Marketing-Managerin freut sich vor allem über „die Großzügigkeit“. Wer einmal in dem Zelt ist, kann sich ohne Begrenzung an der Essenstheke mit den verschiedenen Ständen bedienen.

Neu ist in diesem Jahr am Tennisstadion in Hamburg Rothenbaum ein Clubzelt für VIP-Gäste. Auf der Terrasse vor dem Zelt tauschen sich die Besucher über Tennis aus
© Tennium

Eine Frau mit Brillantenkette um den Hals, die nicht namentlich genannt werden möchte – den Eintritt wolle man sich dann doch nicht verbauen – sagt: „Dieses Schicki-Micki brauche ich nicht“ und nippt an ihrem Wein. Ein anderer Gast, Florian Tkatsch, 40, erzählt, er habe sich die Karten vor allem für die bessere Sicht auf den Platz besorgt. Der Geschäftsführer einer Werbeagentur ist zufrieden mit dem neuen Bereich, stört sich nur daran, dass er die Getränke im Glas, die er sich gekauft hat, nicht mit ins Stadion nehmen durfte und es auch keine Umfüllmöglichkeit gegeben habe.

Über Zverev braut sich ein Gewitter zusammen 

Fehlende Getränke sind auch auf dem Platz ein Thema. Arthur Fils gestikuliert wütend, Zuschauer hören, dass er sich über nicht wieder aufgefülltes Wasser beschwert. Das hindert ihn allerdings nicht daran, Zverev ein ebenbürtiges Match zu liefern. Ist es Zverevs Knie, ist es der Blutdruck des Diabetikers?, fragen sich die Zuschauer. Bis es ihm dann doch gelingt gelingt, für Satz-Gleichstand zu sorgen. Das Spiel zieht sich in die Länge, das Publikum wird unruhig, und dann braut sich auch noch ein Gewitter zusammen. Einsatz für das ausfahrbare Dach, das in einer kreisförmigen Metallkonstruktion aus dem Himmel hängt. Zusammengefaltet ähnelt es einem Stamm Fledermäuse, nun breitet es sich langsam über dem Publikum aus wie der dunkle Verdacht, dass „unser Zverev“ an diesem Tag vielleicht doch keine deutsche Tennis-Geschichte mehr schreibt. 

Wenige Minuten später wischen sich nicht nur Zverev und Fils Tropfen aus dem Gesicht. Während die beiden in Schweiß baden, werden die Gäste im obersten Rang von dem Regenschauer getroffen, den der Sturm ins Stadion weht. Gegen das Hamburger Wetter ist selbst das ausfaltbare Dach kein hundertprozentig sicherer Schutz. Den Ausgang hätte sich wohl auch Zverev anders vorgestellt. Über Hamburg donnert es, und der Hamburger verliert – nach genau drei Stunden und 33 Minuten. Die Entscheidung fällt im Tie-Break. Zverev verliert das Match mit 3:6, 6:3, 6:7 (1:7).

Nach dem Sieg regnet es nicht nur vom Himmel, sondern auch Champagner für den Sieger Arthur Fils
© FernandoxSoares

Es sei „ein Hunde-Kampf“ gewesen, sagt Fils später in der Presse-Konferenz. Zverev gibt sich optimistisch. Er freue sich schon darauf, das nächste Mal auf dem Platz zu stehen. Am Ende hat Fils statt genug Wasser immerhin Champagner bekommen – Zverev gießt es ihm erst über den Kopf, dann in den Mund. Er selbst hält an diesem Tag nicht den Siegerpokal in den Händen, dafür demnächst aber eventuell die deutsche Flagge als Träger bei Olympia. Für den ehrgeizigen Tennis-Star vermutlich nur ein kleiner Trost.

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