Kamala Harris steht in den Startlöchern für Joe Bidens Nachfolge. Während sich die Demokraten hinter ihrer Vizepräsidentin versammeln, wittern die Republikaner Betrug.
Joe Biden ist raus. Um 13:46 Uhr Ostküstenzeit verbreitete sich die Nachricht seines Rückzugs aus dem Rennen ums Weiße Haus um die ganze Welt. „Ich glaube, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere“, erklärte Biden in einer Mitteilung in den sozialen Medien. Kurz darauf sprach sich der 81-Jährige für die Nachfolge seiner Stellvertreterin Kamala Harris aus.
Danach geht alles ganz schnell.
Während seine Parteifreunde den Präsidenten mit Lob und Respekt für seinen Rückzug überhäuften, versammelten sich Demokraten auf allen Führungsebenen hinter Harris. Sie hoffen damit, einen Monat voller Chaos ein für allemal hinter sich zulassen.
Am Sonntagabend wirkt es, als ob die Vizepräsidentin auf dem besten Weg ist, in Bidens Fußstapfen zu treten. Vom Capitol Hill bis Hollywood stärken ihr Demokraten den Rücken. Keine anderen führenden Parteimitglieder haben bisher Pläne angekündigt, die 59-Jährige herauszufordern. Und Bidens Wahlkampfteam hat sich bereits offiziell in „Harris for President“ umbenannt.
„Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um die Demokratische Partei und unsere Nation zu vereinen – um Donald Trump und seine extreme Agenda des Projekts 2025 zu besiegen“, verkündet Harris in einem Statement. „Wir haben noch 107 Tage bis zum Wahltag. Gemeinsam werden wir kämpfen. Und gemeinsam werden wir gewinnen.“
Mögliche Rivalen stellen sich hinter Kamala Harris
In kürzester Zeit sicherten wichtige Parteigrößen Harris ihre Unterstützung zu. Darunter eine Reihe einflussreicher Gouverneure, die in den vergangenen Wochen noch selbst als mögliche Spitzenkandidaten gehandelt wurden
„Hart. Furchtlos. Hartnäckig. Angesichts unserer gefährdeten Demokratie und unserer ungewissen Zukunft gibt es niemanden, der besser geeignet ist, den Fall gegen Donald Trumps düstere Vision zu verfolgen und unser Land in eine gesündere Richtung zu führen, als die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris“, schrieb der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom auf der Plattform X. Und setzt damit Gerüchten über eine eigene Kandidatur ein Ende
Auch Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro teilte mit, er werde alles tun, um Harris zu unterstützen. Ähnlich äußerte sich North Carolinas Gouverneur Roy Cooper.
Gretchen Whitmer, Gouverneurin des Swing States Michigan, hatte ihre Kandidatur bereits ausgeschlossen. Bisher hält sie sich aber noch mit einer direkten Unterstützung für Harris zurück.
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Prominente Demokraten würdigen Bidens Verzicht
Zuvor hatten bereits dutzende prominente Demokraten Bidens Verzicht begrüßt und die Verdienste des amtierenden Präsidenten gewürdigt.
Der Chef der Demokraten im US-Senat, Chuck Schumer, pries Biden als „wahren Patrioten“ an, der „sein Land, seine Partei und unsere Zukunft an erste Stelle setze“. Auch Nancy Pelosi, frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses, lobte Bidens Entscheidung. „Das Vermächtnis seiner Vision, seiner Werte und seiner Führung macht aus ihm einen der wichtigsten Präsidenten der amerikanischen Geschichte“, schrieb Pelosi, die zuvor hinter den Kulissen verstärkt Druck auf Biden ausgeübt hatte.
Ex-Präsident Barack Obama, in dessen Regierungszeit Biden Vizepräsident war, sieht in dessen Verzicht den Nachweis für die „Liebe zum Land“ und nennt ihn einen „Patrioten ersten Ranges“. Zugleich warnte er seine Parteikollegen: „Wir werden in den kommenden Tagen völliges Neuland betreten.“ Weder Obama noch Pelosi haben sich bislang hinter Harris als Nachfolgerin gestellt.
Das ehemalige Präsidentenpaar Bill und Hillary Clinton würdigte Bidens „außerordentliche Laufbahn“. „Wir schließen uns Millionen Amerikanern an, um Präsident Joe Biden für alles zu danken, was er getan hat.“ Die Clintons sprachen sich zudem für Harris Kandidatur aus. „Wir werden alles tun, um sie zu unterstützen“, erklärten sie. „Nichts besorgt uns mehr als die Gefahr einer zweite Trump-Amtszeit.“
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Republikaner rund um Donald Trump setzen auf Attacke
Es dauerte nicht lange, bis sich besagter Donald Trump zu den Neuigkeiten aus dem Weißen Haus äußert.
„Der korrupte Joe Biden war nie in der Lage, für die erneute Präsidentschaft zu kandidieren – und ebenso nicht in der Lage, das Amt zu bekleiden“, schrieb der 78-Jährige auf seinem Netzwerk „Truth Social“. Kurze Zeit später legte er in einem zweiten Posting nach: Sein Wahlkampfteam habe Zeit und Geld in „den Kampf gegen den betrügerischen Biden“ investiert. „Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen“, empörte Trump sich. Harris erwähnte er in den Posts kein einziges Mal.
Dafür teilt sein frischgekürter Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance Harris umso härter gegen Harris aus. „Joe Biden war der schlechteste Präsident meines Lebens, und Kamala Harris hat ihn auf Schritt und Tritt begleitet“, schrieb Vance auf der Plattform X. Er warf Harris vor, Bidens „Politik der offenen Grenzen und des grünen Betrugs“ mitzuverantworten und behauptete, die Vizepräsidentin habe „fast vier Jahre lang über Bidens geistige Fähigkeiten gelogen“. Er und der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump seien „bereit, Amerika zu retten, egal wer an der Spitze der Demokraten steht“.
Mike Johnson, der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, forderte Biden dazu auf, unverzüglich sein Amt niederzulegen. „Wenn Joe Biden nicht in der Lage ist, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, dann ist er auch nicht in der Lage, das Amt des Präsidenten auszuüben“, schrieb Johnson auf X. „Er muss sofort von seinem Amt zurücktreten.“ Andere republikanische Politiker wie die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene und Senator Josh Hawley warfen den Demokraten vor, „ihre eigenen Wahlen zu fälschen“.
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Hollywood dankt „Legende“
In Hollywood reagierten Stars und Sternchen mit Anerkennung auf Bidens Entscheidung, aus dem Rennen zu steigen. Barbra Streisand, eine bekennende Demokratin, drückte dem Präsidenten ihre Dankbarkeit aus, „dass er unsere Demokratie aufrechterhalten“ habe.
Schauspieler Mark Hamill, der durch seine Rolle des Luke Skywalker in der Star-Wars-Reihe berühmt wurde, lobte Bidens Bilanz in höchsten Tönen. „Er hat dem Amt nach vier Jahren der Lügen, Verbrechen, Skandale und des Chaos wieder Ehrlichkeit, Würde und Integrität verliehen.“ Nun sei es die Pflicht patriotischer Amerikaner, den Demokraten zu wählen, der Bidens Erbe ehren und weiterführen werde.
Der Talkshow-Moderator und Komiker Jon Stewart reagierte auf Bidens Brief mit nur einem Wort. „Legende“, schrieb er.