Kanzler in Serbien: Ist es richtig, mit schwierigen Herrschern Geschäfte zu machen?

Olaf Scholz ist kurzfristig nach Serbien gereist, um ein Rohstoff-Abkommen mit der EU zu unterstützen. Die Reise offenbart ein Dilemma des Kanzlers.

Zwei Kampfjets begleiten den Flieger von Olaf Scholz beim Anflug auf Belgrad. Am Flughafen steht neben der Ehrengarde Präsident Aleksandar Vučić persönlich Spalier, bevor die Kanzlerkolonne an Dutzenden Deutschland- und Europaflaggen vorbei ins Zentrum der Stadt fährt. Kein Zweifel: Großes Empfangskino für den Kanzler. Das kann der serbische Präsident. 

Dass der Bundeskanzler relativ spontan seine Reisepläne wegen eines Sieben-Millionen-Einwohner-Landes umwirft, kommt selten vor. Erst recht, wenn der Herrscher dieses Landes als schwieriger Partner gilt. 

Genau das aber hat Scholz am Donnerstagabend getan. Da reiste er nach dem Ende des Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft auf dem Churchill-Schloss Blenheim direkt weiter nach Serbien. Zu Vučić, obwohl er diesen gerade noch auf dem Briten-Gipfel gesehen hatte. 

Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern ist schwierig. Vučić, dessen Land sich seit 2014 um eine EU-Beitrittsperspektive bemüht, mäandert in seiner Politik zwischen Annäherung an die EU und Flirts in Richtung Russland und China. Innenpolitisch tritt der seit 2014 regierende Politiker, erst als Premier, dann als Präsident, zunehmend autoritär auf. Regelmäßig gibt es gegen ihn und seine Regierung Korruptionsvorwürfe. Unter seiner Führung ist das Land bei der Pressefreiheit zuletzt auf Platz 91 abgerutscht.

Besuch in Serbien: Deutschland braucht Lithium 

Warum ehrt Scholz nun den Serben also mit einem Blitzbesuch? Die Antwort ist simpel: Weil die Chemie stimmt und zwar buchstäblich. Am Dienstag hat die serbische Regierung nach langem Streit und entgegen der Proteste vieler Umweltschützer den Weg für den Abbau von Lithium im Westen des Landes freigemacht. 

Das chemische Element ist wichtig für die Batterieherstellung. Batterien wiederum werden für den Bau von Elektroautos gebraucht, rund zehn Kilo pro Fahrzeug. Ohne mehr Elektroautos dürfte die angekündigte Energiewende kaum zu schaffen sein.  

Kehren die Briten wieder in die EU zurück? 6.16

Weil es in Deutschland nur wenig Lithium gibt, muss der übergroße Teil importiert werden. Als Lieferant tut sich vor allem China hervor, das Lithium-Minen weltweit aufkauft. Experten gehen davon aus, dass die Volksrepublik bis 2025 rund ein Drittel der weltweiten Lithiumvorkommen kontrollieren könnte.   

Die Wahl des kleineren Übels 

Für den Abbau in Serbien hat hingegen das australische Bergbauunternehmen Rio Tinto den Zuschlag bekommen. Dem Unternehmen zufolge könnten in Westserbien jährlich rund 58.000 Tonnen Lithium gewonnen werden, was rund 17 Prozent des europäischen Bedarfs abdecken würde. Auch drei deutsche Firmen – Mercedes, VW und Stellantis – sind beteiligt. 

Deshalb ist Scholz nach Belgrad gekommen, um den Abschluss eines Lithium-Deals zwischen Serbien und der EU mit seiner Anwesenheit zu adeln. 

Für Vučić ist das eine willkommene Aufwertung. Er war zuletzt wegen Manipulationsvorwürfen bei den Parlamentswahlen im Dezember 2023 und seines pro-russischen Kurses in Europa isoliert.  

Beste Kontakte zu einem brutalen Putsch-Regime 

Für Scholz ist die Angelegenheit zweischneidig. Er braucht wirtschaftliche Erfolge und weniger Abhängigkeit von China. Und liefert sich dafür ein Stück weit einem unberechenbaren Präsidenten aus, der mit seiner Kosovo-Politik auch immer wieder in der Region zündelt. Scholz vertraut darauf, dass Deutschland für Serbien der wichtigste Handelspartner ist, viel wichtiger als Russland. 

Neu sind solch problematische Deals nicht, sondern vielmehr Teil der Realpolitik. In den Siebziger Jahren unterhielten sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR beste Kontakte nach Chile, wo der Putschist Augusto Pinochet innenpolitisch Regierungskritiker brutal verfolgte und ermorden ließ, außenpolitisch das Land aber für wirtschaftliche Kooperationen öffnete.   

Der geplatzte Deal mit Nordstream 2 

Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei aus dem Jahr 2016. Damals versprachen die Europäer dem Erdoğan-Regime Milliardenhilfen, welches im Gegenzug zusagte, Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Am Abkommen hielt die EU auch dann fest, als sich nur wenige Monate später nach einem gescheiterten Putschversuch gegen Erdoğan die Menschenrechtslage in der Türkei massiv verschlechterte.  

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Mehr als acht Milliarden Euro sind im Rahmen des Deals bisher an die Türkei geflossen. Ob er erfolgreich war, darüber gibt es geteilte Meinungen. 

Klar gescheitert ist hingegen das deutsch-russische Gaspipeline-Projekt Nordstream 2, das die deutsche Regierung trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland weiter betrieb. Noch zu Beginn seiner Amtszeit verteidigte Scholz Nordstream 2 als reines „Wirtschaftsprojekt“. Die Aussetzung des Projekts mit Beginn des Ukraine-Kriegs führte zu dramatischen Energieengpässen in Deutschland. 

Der Lithium-Deal mit Serbien hat für die EU und für Deutschland mehrere Vorteile. Er verringert nicht nur bei Lithium-Importen die Abhängigkeit von China, sondern erhöht durch den australischen Betreiber auch die Chancen, dass beim Abbau des Leichtmetalls internationale Standards des Umweltschutzes eingehalten werden. Umgekehrt trägt er zur Stabilisierung der Regierung Vučić bei und verleiht dem serbischen Präsidenten mehr Macht. 

„Selbstverständlich macht es Sinn, den Zugang zu wichtigen Rohstoffen durch strategische Partnerschaften zu sichern. Sich diese Sicherheit ausgerechnet durch eine Partnerschaft mit der serbischen Regierung zu erhoffen, ist allerdings riskant“, sagt Matthias Ecker-Ehrhardt, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Bamberg. Eine solche Partnerschaft gebe der serbischen Regierung „einen starken Trumpf“ in die Hand, den diese bei nächster Gelegenheit wird ausspielen können – etwa, um der serbischen Ablehnung eines souveränen Kosovo Nachdruck zu verleihen, oder auch, um sich diplomatische Nachsicht für die Unterstützung serbischer Nationalisten im Kosovo und der Srpska zu erkaufen.  

Nach Ansicht von Ecker-Ehrhardt sollten Bundesregierung und Europäische Kommission darum unbedingt klarstellen, wo die „roten Linien“ dieser Partnerschaft verlaufen: „Jede Destabilisierung seiner Nachbarn muss die serbische Regierung etwas kosten und auch das jähe Ende dieser Partnerschaft sollte als sicherer Preis benannt werden.“ 

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