Das Wort des Herren: Vielleicht hätte Sebastian Hotz besser einen antisemitischen Witz machen sollen

Der rbb hat einen Satiriker wegen eines Posts gegen Donald Trump und „Werte“ gefeuert. Aber Antisemiten, Frauenfeinde und „völkische Jammer-Ossis“ dürfen bleiben? Unser Kolumnist wundert sich.

Als Theologe empfehle ich diese Woche allen Führungskräften des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Blick in die Bibel. Buch der Sprichwörter, Kapitel 4, 27: „Weiche weder zur Rechten noch zur Linken; wende deinen Fuß vom Bösen.“  

Aber der Reihe nach. Seit vergangenem Wochenende ist Folgendes passiert: Donald Trump entgeht knapp einem Attentat. Der Comedy-Autor und Radiomoderator Sebastian Hotz alias „El Hotzo“ schreibt kurz darauf, dass der Attentäter Donald Trump „leider knapp verpasst“ habe und dass er es „absolut fantastisch“ findet, „wenn Faschisten sterben“. Der rbb verkündet daraufhin das Ende der Zusammenarbeit mit Sebastian Hotz. Die rechte Influencerin Naomi Seibt fragt im Anschluss an den Rauswurf auf der Plattform X, vormals Twitter, warum Sebastian Hotz noch für den rbb arbeite. Elon Musk nimmt Seibts Beitrag zum Anlass, seine 190 Millionen Follower zu fragen,  warum die deutsche Regierung El Hotzo dafür bezahle, Donald Trump und ihm den Tod zu wünschen. Regierungspressesprecher Steffen Hebestreit antwortet in der Bundespressekonferenz auf den Tweet von Elon Musk und verweist mit einer gewissen Erschöpfung auf die Meinungsfreiheit in Deutschland.

Es ist Donnerstagabend. Es kann sein, dass sich morgen der Papst, Thomas Gottschalk und der aktuelle „Bachelor“ einschalten und sich danach erkundigen, ob „El Hotzo“ auch wirklich nicht mehr beim rbb arbeitet. Alles ist möglich. Wir leben in der absurdesten aller möglichen Welten. Selbst das ZDF, wo Sebastian Hotz überhaupt kein Mitarbeiter ist, distanziert sich. Sein Tweet stehe „nicht im Zusammenhang mit dem ZDF“, lässt der Sender verlauten. Als ich auf der ZDF-Webseite nach „Sebastian Hotz“ suche, finde ich unter den „Top Ergebnissen“ eine Fernsehserie, in der Sebastian Hotz mitspielt. Der Name der Serie lautet – kein Witz! – „I don’t work here“.

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Messermänner einschläfern? Darüber darf man laut nachdenken

Die rbb-Programmdirektorin Katrin Günther begründet die Kündigung damit, dass Hotz’ Äußerungen „mit den Werten, für die der rbb einsteht, nicht vereinbar“ wären. Ich kann das bestens nachvollziehen. Auch Satire hat ihre Grenzen dort, wo die Menschenwürde angegriffen und das Recht auf Leben infrage gestellt werden. Unabhängig davon, ob es um Unsympathen, Autokraten oder Gewalttäter geht. Dass die rbb-Programmdirektorin die Äußerungen von Hotz als Verstoß gegen die Werte ihrer Organisation bezeichnet, ist durchaus verständlich. Dennoch habe ich Fragen.

Kolumne Stephan Anpalagan 21:28

Als Dieter Nuhr in der rbb-Sendung „Nuhr im Ersten“ vor einigen Wochen fragt: „Was sind das für Menschen, die mit einem Messer aus dem Haus gehen. Sollte man solche Leute nicht besser einschläfern lassen?“, scheint niemand beim rbb einen Werteverstoß wahrzunehmen. Vielleicht liegt es daran, dass Nuhr auf die Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund abzielt. Das ist im Deliktfeld Messerkriminalität zwar ein beliebtes Stilmittel, führt aber zuweilen zu einer merklichen Ernüchterung. Als die saarländische AfD im Jahr 2019 wissen will, welche Staatsangehörigkeit – neben der deutschen – die deutschen Messerkriminellen haben und wie deren Vornamen lauten, erfährt sie, dass diese Deutschen Michael, Daniel, Andreas, Sascha, Thomas, Christian, Kevin, Manuel, Patrick, David, Jens, Justin und Sven heißen.

Auch von den Werten gedeckt: Witze über Juden und „Weiber“

Zurück zum rbb. In der bereits erwähnten Sendung „Nuhr im Ersten“ erzählt die Österreicherin Lisa Lasselsberger alias „Lisa Eckhart“ im Jahr 2020 laut Berichten der „Jüdischen Allgemeinen“: „Nimmt man von allen Ching-Chongs die Ding-Dongs und legt sie nebeneinander auf, hat man etwa die Länge einer kongolesischen Vorhaut.“

Der rbb sieht darin keinen Verstoß gegen seine Werte. Beim WDR erzählt Eckhart einen Witz, in dem es um „Juden“, „Geld“ und „Weiber“ geht. Der damalige Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Direktor des American Jewish Committee in Berlin, der Bundesverband „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus“, das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“, die Jüdische Studierendenunion Deutschland und weitere sehen darin Antisemitismus. Nicht aber der WDR, dort führt das, was Eckhart oder Nuhr erzählen, nicht zur Beendigung der Zusammenarbeit.

Die Kabarettistin Lisa Fitz veröffentlicht im Jahr 2018 ein Lied mit folgendem Text:

„Die Welt wird fieser und an wem mag’s liegen? Der Schattenstaat, die Schurkenbank, der Gierkonzern, wer nennt die Namen und die Sünden dieser feinen Herrn? Rothschilds, Rockefeller, Soros & Consorten, die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten.“

Es ist offensichtlicher Antisemitismus. Das Lied hat für Lisa Fitz keine Konsequenzen. Im Gegenteil. Ihr wird im Jahr darauf der Bayerische Verdienstorden verliehen; 2020 darf sie im SWR einen Kabarettbeitrag zum Thema „Meinungsfreiheit“ zum Besten geben.

Im selben Jahr redet sich der Kabarettist und Autor Serdar Somuncu in Rage. Es geht um rassistische Äußerungen, über die sich zumeist Frauen ärgern würden. Laut Somuncu sind das „schlecht gebumste, miese, hässliche Schabracken. Das einzige, was ihnen geblieben ist, ist, dass sie keine Schwänze lutschen können, sondern meinen, Kolumnen schreiben zu können“. Es ist nur ein kleiner Ausschnitt eines längeren rassistischen und frauenfeindlichen Wutanfalls, der im Podcast „Schroeder & Somuncu“ bei „radioeins“, einem Sender des rbb, zu hören ist. Erst nach massiver Kritik will der rbb die schlimmsten Passagen löschen. Somuncu und Schröder führen ihre Sendung bis Ende 2023 weiter. Von einem Werteverstoß ist keine Rede.

Am 13. Oktober 2023 erzählt Richard David Precht in einem Podcast des ZDF, dass orthodoxe Juden nicht arbeiten dürften, „Diamantenhandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen“. Sein Podcast-Partner Markus Lanz stimmt zu. Dabei ist das nicht nur falsch, sondern ein klassisch antisemitisches Stereotyp, das Precht öffentlichkeitswirksam reproduziert. Die beiden entschuldigen sich später, das ZDF hält an Precht und Lanz fest. 

Als der Fernsehmoderator Oliver Pocher im Mai 2024 beim SWR-Sommerfestival auftritt, nimmt er sich eine Frau in der ersten Reihe vor. Er bedrängt sie, macht sich über sie lustig, fragt, ob sie noch Jungfrau sei, und bringt sie dazu, ihren Arbeitgeber zu verraten. Nach der Veranstaltung wendet sich die Frau unter Tränen an den SWR und bittet darum, dass die Aufzeichnung nicht veröffentlicht wird. Doch Oliver Pocher verbreitet einen Zusammenschnitt auf seinem Instagram-Kanal, den 1,7 Millionen Menschen abonniert haben. Darauf angesprochen, möchte SWR-Kommunikationschefin Anja Görzel dem „Focus“ gegenüber keine Angaben über die Qualität der Sendung machen und erklärt, „Zensur lehnen wir ab“. Erst nach massiver öffentlicher Kritik schafft es der SWR, sich von Oliver Pocher zu distanzieren.

Der Fall „El Hotzo“: Worauf ich meinen rechten Arm verwette

Ich könnte mich ewig weiter wundern. Darüber, dass der Komiker Uwe Steimle, der sich gerichtlich bezeugt als „völkisch-antisemitischer Jammer-Ossi“ bezeichnen lassen muss und trotz all seiner antisemitischen Entgleisungen vom MDR verteidigt wird. Darüber, dass Thomas Gottschalk trotz seiner rassistischen und geschichtsvergessenen Einlassungen in der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ ein gefeierter Moderator des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleibt.

Vielleicht hätte Sebastian Hotz besser einen antisemitischen Witz machen sollen. Ich würde meinen rechten Arm darauf verwetten, dass ihn rbb, ZDF, WDR und SWR mit einem Verweis auf die Kunst-, Satire-, Meinungs- und Pressefreiheit verteidigt hätten. Freiheitskolumnistinnen hätten ihm gehuldigt. Vielleicht hätte Elon Musk ein paar Cybertrucks zur Verstärkung vorbeigeschickt.

Stattdessen offenbaren Verantwortliche des öffentlich-rechtlichen Universums ihre gesammelte Rückgratlosigkeit einer staunenden Weltöffentlichkeit. Die Geschwindigkeit, mit der in solchen Fällen freie Autoren einer rechten Meute zum Fraß vorgeworfen wurden, ist beschämend, aber nicht überraschend.

Weiter rechts ist man nicht ganz so rigoros, wenn einer seinen politischen Gegnern den Tod wünscht. Das zeigt das Beispiel des CDU-Politikers Frank Bommert. In einer WhatsApp-Story Anfang 2024 äußert Bommert einen nur mäßig verklausulierten Todeswunsch gegenüber Robert Habeck, Annalena Baerbock, Ricarda Lang und Olaf Scholz. Darauf angesprochen, lügt Bommert erst – später gesteht er gegenüber seinen Parteikollegen. Die CDU spricht einen Verweis aus, Bommert bleibt Landtagsabgeordneter, stellvertretender Landes- und Fraktionsvorsitzender. Wo sind die Werte, wenn man sie braucht?

Der Fall Bommert ist gut dokumentiert. Wie eine Organisation ihrer Fürsorgepflicht nachkommt, Ruhe bewahrt, den Delinquenten anhört und keine überhastete Entscheidung trifft. Wie sich Verantwortliche dem Sturm entgegenstellen und den Druck aushalten. Man kann die ganze Sache auf der Webseite des rbb nachlesen. Danach können wir meinetwegen über Werte reden.

Amen.

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