Crowdfunding: Wie dieser Student aus Italien den Nationalstolz seiner Landsleute entfachte

Andrea Troise, Ingenieur-Doktorand aus Bari, fehlte das Geld zur Finanzierung seines Studienplatzes für Weltraumforschung bei der Nasa. Er postete einen Aufruf im Netz. Und die finanzielle Misere endete in einem Happy End.

Die Italiener sind nicht bekannt dafür, patriotisch zu sein. Nationalstolz zeigt sich eigentlich nur beim Fußball. Der Volkssport besteht sogar eher darin, das eigene Land schlecht zu machen. Schlaglöcher auf den Straßen, überbordende Müllcontainer, unzuverlässige Busse und eine wuchernde Bürokratie, all das ist ein großes Thema. Man schaut fast schon ehrfürchtig auf ein Land wie Deutschland, in dem, so denken die Italiener, vieles besser funktioniert.

Nach zwei Tagen hatte er 8000 Euro zusammen

Doch der Traum eines Studenten aus Apulien entfachte bei seinen Unterstützern im Internet so etwas wie nationalen Eifer. Andrea Troise will Weltraumforscher werden. Er ist Doktorand am Polytechnikum in Bari und wurde unter weltweit 120 Mitbewerbern für das Space Studies Progam am Johnson’s Space Center in Houston im US-Bundesstaat Texas ausgewählt. Er bekam dafür ein Stipendium von 12.000 Euro. Aber das reichte nicht – denn die Ausbildung kostet 20.000 Euro.

Andrea Troise bei einem Vortrag in seiner Uni in Bari
© privat

Um trotzdem damit beginnen zu können, postete er einen Aufruf im Internet, in dem er darum bat, man möge ihm doch aushelfen, finanziell. „Ciao a tutti, ich bin Andrea Troise, Ingenieur, 25 Jahre alt, mit der Leidenschaft für Raumfahrt und alle technischen, ökologischen und ökonomischen Fragen, die damit zusammenhängen“. Das war zwei Monate vor Ende der Zahlungsfrist. „Ich dachte, dass es einige Zeit brauchen würde, bis das fehlende Geld für meinen Studienplatz zusammenkommen würde“, sagt Andrea. Doch seine Botschaft auf „GoFundMe“ ging viral. Innerhalb von zwei Tagen sammelte er 8225 Euro, daraufhin beendete er das Crowdfunding.

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Insgesamt 242 Spenden gingen ein, die meisten zwischen fünf und 50 Euro, die größte Spende lag bei 300 Euro. Seine Fans schickten aber nicht nur Geld, sondern auch ermutigende Kommentare. Andrea Bianchi, 10 Euro Spende, schwärmt von „italienischer Exzellenz“. Valentina Micchetti, ebenso mit 10 Euro dabei, fordert ihn auf, den „Namen Apuliens in der Welt hochzuhalten“. Chiara Di Renzo, 50 Euro, findet „Du bist schon jetzt unser nationaler Stolz“. Ilaria Girone, 100 Euro, sagt es im römischen Dialekt: „Daje. Fortissimo“. Los, Du machst das.

„Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, um allen zu antworten“

„Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, um allen zu antworten und mich zu bedanken“, sagt Andrea am Telefon, er wirkt immer noch überrascht über so viel nationale Begeisterung. Er wünscht sich, dass andere sich von seiner Erfahrung inspirieren lassen mögen. Man sehe doch, was man mit Crowdfunding erreichen könne, sagt er. „Wenn wir uns gegenseitig unterstützen, können wir ehrgeizige Ziele in kurzer Zeit verwirklichen“, sagt er. Damit meint er auch den Zuspruch, der ihm zuteil wurde.  „Ich nehme sie alle mit nach Houston„, scherzt Andrea. „Ich dachte, ich würde den Spendern Gadgets aus dem Space Center mitbringen. In jedem Fall können sich alle darauf verlassen, dass sie auf LinkedIn und Instagram regelmäßig über Neuigkeiten von mir informiert werden.“

Die Tore des Space Center sind nun für Andrea offen. Im Juni soll es losgehen. Ist das jetzt der Absprung in eine internationale Karriere fernab der Heimat? Wird Andrea, der so viel nationale Begeisterung entfachte, jetzt die Nation verlassen, wird er dem „Brain drain“, dem Fortzug der schlausten Köpfe folgen? 

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Italien ist besonders stark davon betroffen. In den vergangenen 20 Jahren sind rund 500.000 Italiener zwischen 18 und 39 Jahren ins Ausland emigriert, vor allem in die Länder Nordeuropas und in die USA, wo die Arbeitsbedingungen für ambitionierte Akademiker besser sind und die Löhne höher. „Ich will diesen Trend widerlegen“, sagt Andrea, „wir sind in Italien ganz vorn in der Weltraumforschung. Nur das Budget ist geringer als anderswo. Wir haben weniger Investitionsfonds und weniger private Geldgeber, die an uns glauben.“ In jüngster Zeit habe sich das aber verändert. Die Raumfahrt wird immer wichtiger. In seiner Heimatregion Apulien sei das Rea Space in Fasano sehr erfolgreich. Dort wurde etwa der Raumfahrt-Anzug für den italienische Astronauten Walter Villadei hergestellt. 

Wie stellt er sich seine Zukunft vor? „Ich möchte einen Beitrag zur Weltraumforschung in meiner Region leisten. So kann ich auch zeigen, dass man nicht unbedingt emigrieren muss, um etwas zu erreichen. Ich bin Ingenieur, aber mich interessiert besonders das Feld der Weltraum-Ökonomie.“ 

Wo also Andreas Berufsweg ihn hinführen wird? Das bleibt offen. Aber eines scheint gewiss: Seine Fan-Gemeinde im Internet wird ihn Schritt für Schritt verfolgen.

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