Populisten im Europaparlament: Orbans EU-Rechtsbündnis vor Erlangung von Fraktionsstatus

Ungarns Regierungschef will sich in Europas Volksvertretung mit einer neuen Rechtsfraktion Gehör verschaffen. Vom Zulauf Gleichgesinnter erhofft er sich Stärke im Kampf gegen die „Brüsseler Eliten“.

Das von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban vor knapp einer Woche aus der Taufe gehobene Rechtsbündnis „Patrioten für Europa“ könnte im neuen EU-Parlament Fraktionsstatus erlangen. Nachdem die radikal-rechte Partei des Niederländers Geert Wilders und die rechtspopulistische Dänische Volkspartei erklärt haben, sich der Allianz anschließen zu wollen, würde diese die Bedingungen für die Gründung einer Fraktion in dem am 9. Juni gewählten Europaparlament erfüllen.

Orban, zugleich Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz, der Chef der rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl, und der Vorsitzende der liberal-populistischen tschechischen ANO, Andrej Babis, hatten am vergangenen Sonntag in Wien das Bündnis „Patrioten für Europa“ angekündigt. „Ein neues Zeitalter beginnt“, hatte Orban  gesagt. Die neue Fraktion werde Europa „auch gegen den Willen der Brüsseler Eliten verändern“. Die Gruppierung werde zur „größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas“ aufsteigen. 

Ein zeitgleich veröffentlichtes „Patriotisches Manifest“ beinhaltet die bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien: Ablehnung von Migration und „Green Deal“, keine Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten. 

Für die Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens 7 Ländern erforderlich. Das erste Kriterium würden Orbans Fidesz, die FPÖ und die ANO zusammen mit ihren 24 Abgeodneten erfüllen. Am vergangenen Sonntag hatten die portugiesische Rechts-Partei Chega und die spanische VOX erklärt, in das Bündnis eintreten zu wollen. 

Rechte Niederländer und Dänen stoßen dazu

Wilders, Chef der Partei für die Freiheit (PVV), teilte am Freitag auf X mit: „Wir wollen unsere Kräfte bündeln und werden uns mit Stolz den Patrioten für Europa anschließen.“ 

Wenige Stunden später folgte ihm Anders Vistisen, ein Europa-Abgeordneter der Dänischen Volkspartei (DVP). „Die Dänische Volkspartei wird sich der Gruppe Patrioten für Europa anschließen“, schrieb er auf X. Als künftig drittstärkste Fraktion „können wir ein deutliches Signal an die föderalistischen Extremisten senden und das Europa der Nationalstaaten verteidigen“. 

 

Die österreichische FPÖ, die niederländische PVV, die dänische DVP und die portugiesische Chega gehörten im letzten Europaparlament der ultra-rechten Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, die sie mit dem Beitritt zu den „Patrioten“ verlassen würden. Stärkste Kraft in der ID ist das Rassemblement National (RN) der Französin Marine Le Pen. Sie wollte sich erst am Montag, dem Tag nach der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl, zu einer möglichen Mitgliedschaft im neuen Rechtsbündnis äußern. Orban, der ihre russlandfreundliche Haltung teilt, rechnet fest mit ihr. Nur zusammen mit den Abgeordneten des RN hätten die „Patrioten für Europa“ die Aussicht, drittstärkste Fraktion hinter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (SD) zu werden oder, wie von Orban angekündigt, die andere Rechtsfraktion, die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), zu überflügeln. 

Die AfD bleibt außen vor

Die deutsche AfD, die vor der Europawahl aus der Fraktion ID ausgeschlossen worden war, sieht ihren Platz nicht in den Reihen der neuen Allianz um Orban. AfD-Chefin Alice Weidel hatte dies am letzten Dienstag ausgeschlossen. Man sei im Austausch, aber momentan sei das keine Option. Sie sprach von einem strategisch langfristigen Projekt. „Wir sind in Freundschaft verbunden, wir haben unglaubliche inhaltliche Schnittmengen, aber sowohl die eine als auch die andere Partei unterliegt politischen und auch außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die wir momentan Rücksicht nehmen müssen“, sagte die AfD-Chefin auf die Frage, ob ihre Partei in dem Bündnis nicht gewollt sei. 

In der AfD-Spitze wird hinter vorgehaltener Hand die Theorie vertreten, die deutsche Regierung könnte Orban in seiner Rolle als ungarischer Regierungschef davon abhalten, dass es zu einer Zusammenarbeit mit der AfD kommt. Von „Erpressungspotenzial“ ist die Rede. Das laufe hinter den Kulissen, sei nicht beweisbar, aber keine Verschwörungstheorie, heißt es.

Achtungserfolg für isolierten Ungarn

Für Orban, der in der EU wegen seines autoritären Regierungsstils und seiner Nähe zum Kreml weitgehend isoliert ist, stellt das Schmieden einer neuen Fraktion im Europaparlament einen gewissen Achtungserfolg dar, insbesondere, wenn dafür auch Frankreichs Rechtspopulisten gewonnen werden können. Orbans Fidesz war seit dem EU-Beitritt Ungarns 2004 und der Europawahl im selben Jahr Mitglied der EVP, der auch CDU und CSU angehören. Nach jahrelangen Streitigkeiten verließ der Fidesz die EVP, um einem drohenden Ausschluss zuvorzukommen. Die Fidesz-Abgeordneten waren in der Folge fraktionslos geblieben.

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