Ruhestand: Der Berg ruft: Das müssen Rentner vor dem Umzug in die Schweiz wissen

Die Schweiz ist eines der beliebtesten Auswandererländer für deutsche Rentnerinnen und Rentner. Wer dort finanziell auskommen will, muss allerdings gut vorgesorgt haben.

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Atemberaubende Bergkulissen, azurblaue Seen, malerische Landschaften: Die herrliche Natur der Schweiz zieht immer mehr deutsche Rentner an, die dort ihren Lebensabend verbringen wollen. Laut einem Bericht der Deutschen Rentenversicherung gingen zuletzt 27.663 Rentenzahlungen aus Deutschland jedes Jahr an Ruheständler in der Schweiz. Damit ist sie nach Österreich das zweitbeliebteste Auswandererland für deutsche Seniorinnen und Senioren. 

Ein weiterer Grund liegt auf der Hand: Fast zwei Drittel der Schweizer sprechen Deutsch. Somit dürfte die Sprachbarriere – trotz der Unterschiede im Dialekt – in den meisten Fällen mit etwas gutem Willen zu überbrücken sein. Auch der hohe Lebensstandard zieht viele an, ebenso wie die Sicherheit: laut dem Global Peace Index ist die Schweiz das sechstsicherste Land der Welt. Die Städte gelten als sauber und die Gesundheitsversorgung als sehr gut mit schnell verfügbaren Arztterminen. Außerdem ist es nie allzu weit zur deutschen Grenze – für Ruheständler, die hin und wieder zu ihren Kindern und Enkeln in die Heimat reisen wollen, ein Vorteil. 

Deutsche Rentner brauchen Finanzpolster

Allerdings hat eine Auswanderung in die Alpenrepublik einen großen Haken: Die Schweiz ist das zweitteuerste Land der Welt, zeigt der OECD-Preislevel-Index. Laut dem Schweizer Bundesamt für Statistik gelten in der Schweiz diejenigen als arm, deren Einkommen als Einzelperson 2284 Franken pro Monat unterschreitet. Das sind umgerechnet 2381 Euro. Zum Vergleich: Das Median-Nettoeinkommen deutscher Rentner liegt laut Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft bei monatlich 1947 Euro. Ein Großteil der deutschen Ruheständler dürfte also nicht genug Renteneinkommen besitzen, um in der Schweiz residieren zu dürfen.

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Wer nicht über ausreichend Einkommen verfügt, erhält allerdings erst gar keine Aufenthaltsbewilligung: EU-Staatsangehörige dürfen in der Schweiz nur dann länger als 90 Tage leben, wenn sie sich selbst versorgen können. „Dazu benötigen Ruheständler eine Rente von umgerechnet etwa 48.000 Euro netto, also 4000 Euro monatlich. Gesetzliche Renten werden dabei trotz Auswanderung weiter in Deutschland besteuert und netto ausbezahlt“, sagt Jasin Isik. Er ist Geschäftsführer beim Zuger Finanzberatungsunternehmen SuisseKasse und unterstützt Ausländer bei allen Fragen rund ums Einwandern in die Schweiz.

Zusätzlich zur Einkommenssteuer in Deutschland fällt in der Schweiz noch eine Quellensteuer auf das Renteneinkommen deutscher Ruheständler an. Wie hoch diese ist, variiert aber von Kanton zu Kanton. 

Krankenversicherung: Auswanderer müssen sich selbt versichern

Dass die finanzielle Hürde für Einwanderer so hoch ist, hat aber seine Gründe. So kann allein der Preis für eine Krankenversicherung für Menschen mit niedrigem Einkommen verglichen mit Deutschlands gesetzlicher Krankenkasse eine große finanzielle Belastung sein. „Wer in Deutschland krankenversichert ist, muss seine alte Versicherung kündigen und eine neue in der Schweiz abschließen“, sagt Isik. Dort muss sich jeder über die sogenannte Grundversicherung absichern. Die Prämien gehören zu den höchsten der Welt. „Man landet schnell abhängig von Krankenkasse, Kanton und Versicherungsmodell, zwischen 400 und 550 Franken pro Monat“, sagt Isik. 

Die Kassen müssen jeden Patienten unabhängig von seinen Vorerkrankungen aufnehmen. Wie hoch das Renteneinkommen ist, spielt dabei für die Prämie keine Rolle. Allerdings deckt die Grundversicherung vieles nicht ab, das in der deutschen, gesetzlichen Krankenversicherung enthalten ist: Beispielsweise Operationen außerhalb des Wohnkantons, Vorsorge-Check-ups beim Arzt und kosmetische Zahnbehandlungen. Zu letzterem zählen in der Schweiz etwa auch Füllungen. Dafür benötigen Patienten private Zusatzversicherungen, sagt Isik. Wer keine Zusatzversicherung hat, muss diese Leistungen selbst zahlen.

Die privaten Versicherer können Patienten allerdings ablehnen. Es lohnt sich deshalb, auf mehrere Produkte zu setzen und sich gleich bei mehreren Anbietern zu bewerben, sagt Experte Isik. Bei den privaten Zusatzversicherungen variieren die Preise stark, man lande aber schnell mal bei 60 bis 70 Franken pro Zusatzversicherung: Zusammen mit der obligatorischen Grundversicherung sind demnach Kosten in Höhe von 700 Franken, umgerechnet 730 Euro, also schnell erreicht. Das Ende der Fahnenstange ist damit noch nicht erreicht: Im kommenden Jahr rechnet Isik mit einer weiteren Prämienerhöhung um sechs Prozent.

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Gestiegene Lebenshaltungskosten, hohe Mieten

Auch die Lebenshaltungskosten sind in der Schweiz zuletzt teurer geworden. Die Lebensmittelpreise sind in der Schweiz um 20 bis 30 Prozent höher als in Deutschland. Auch der Strompreis ist gestiegen, liegt im Durchschnitt allerdings derzeit unter dem Preis in Deutschland: Laut dem Vergleichsportal Verivox zahlt eine Durchschnittsfamilie in Deutschland im laufenden Jahr 37,37 Cent je Kilowattstunde. Die Schweizer zahlen durchschnittlich 32,14 Rappen, was umgerechnet 33,52 Cent entspricht.

Wie hoch die Mieten und Immobilienpreise sind, hängt stark vom Kanton ab. So gilt Zürich etwa als besonders teuer, St. Gallen dagegen als etwas günstiger. Im Schnitt zahlen Schweizer für ihre Kaltmiete je nach Wohnungsgröße und Region zwischen 1350 und 2500 Franken im Monat – umgerechnet also zwischen 1407 und 2608 Euro. Die Wohnpreise sind somit teilweise doppelt so hoch wie in der Heimat. 

Ein Lebensabend in der Schweiz kommt für Seniorinnen und Senioren mit einem schmalen Portemonnaie eher nicht infrage. Lohnen kann es sich dagegen für Ruheständler mit Privatvermögen, etwa für ehemalige Selbstständige und Privatiers. So fällt in der Alpenrepublik anders als in Deutschland keine Kapitalertragssteuer an – Kursgewinne auf Aktien sind demnach steuerfrei. „Selbst bei einkommenssteuerpflichtigen Geldanlagen wie der Vermietung und Verpachtung könnten sich im Vergleich zum deutschen Spitzensteuersatz Vorteil ergeben“, sagt Isik. Diese würde – anders als eine gesetzliche Rente in Deutschland – eventuell über die Schweizer Einkommensteuer besteuert würden, sagt der Experte. Ob sich der Umzug am Ende nicht allein für die schönen Berge, sondern auch finanziell rentiert, sollte daher jeder individuell durchrechnen lassen.

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