Wie weit darf das Bundeskartellamt gehen, um große Tech-Konzerne in die Schranken zu weisen? Am BGH ging es jum die Weitergabe von Informationen an Wettbewerber, die aus Sicht von Google Geschäftsgeheimnisse sind.
Das Bundeskartellamt darf nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) Google-Interna an Konkurrenten des Technologieriesen weitergeben, um wettbewerbliche Bedenken zu klären. Der Kartellsenat in Karlsruhe folgte nicht bei allen in Streit stehenden Textpassagen der Argumentation des Konzerns, dass es sich dabei um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handle. In anderen Fällen wiege das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts schwerer, teilte der BGH mit.
Er wies eine Beschwerde Googles gegen die Offenlegung demzufolge mit Ausnahme eines einzelnen wörtlichen Zitats aus internen Unterlagen zurück. Dagegen dürfen Bewertungen der Strategie Googles durch das Bundeskartellamt sowie die wörtliche Wiedergabe einzelner Klauseln aus Verträgen Googles mit Fahrzeugherstellern an den Karten-Spezialisten TomTom und den Sprachassistent-Spezialisten Cerence weitergegeben werden.
Produktbündel für Infotainmentsysteme in Autos
Deutschlands oberste Wettbewerbshüter wollen dem Konzern „verschiedene wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen“ bei seinen Google Automotive Services (GAS) untersagen. Es geht um ein Produktbündel aus dem Kartendienst Google Maps, einer Version des App-Stores Google Play und dem Sprachassistenten Google Assistant. Fahrzeughersteller wie Volvo, Ford, Renault, Nissan und Polestar nutzen die GAS; die deutschen Hersteller wie BMW, Mercedes, Audi und VW gehören nicht dazu.
Google bietet die Dienste laut BGH grundsätzlich nur zusammen an und macht aus Sicht des Kartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation der Dienste im Infotainmentsystem von Autos, damit diese bevorzugt genutzt werden. Die Behörde mahnte Google Deutschland und den Mutterkonzern Alphabet im Juni ab und informierte über die Bedenken.
Das Amt will die Einschätzung von TomTom und Cerence abfragen und dafür seine vorläufige Einschätzung zu Googles Praktiken in teil-geschwärzter Fassung offenlegen. Darüber hatte sich Google beschwert. Schon vor der mündlichen Verhandlung am Dienstag hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, diverse Passagen unkenntlich zu machen. Einige Streitfälle waren aber noch offen. Nicht alle konnten den Angaben zufolge in der Verhandlung geklärt werden. Bevor es um die Details ging, hatte der Senat die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Sachaufklärung vs. Geheimhaltungsinteresse
Der BGH erläuterte nun, die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber Wettbewerbern müsse zur Sachaufklärung geeignet, erforderlich und angemessen sein. „Angemessen ist sie, wenn bei der vorzunehmenden Interessenabwägung das Sachaufklärungsinteresse des Bundeskartellamts das Interesse an der Wahrung der grundrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse überwiegt.“ Dabei müsse unter anderem geprüft werden, welche Nachteile durch die Offenlegung drohen.
Der Vertreter des Kartellamts hatte in der Verhandlung deutlich gemacht, dass die Sache für die Behörde grundsätzliche Bedeutung habe: Erstmals gebe es eine höchstrichterliche Entscheidung – das sei auch für andere Fälle wichtig. Dass das Amt ausgerechnet die engsten Wettbewerber in das Verfahren einbinde, begründete er damit, dass diese sich am besten im Markt auskennen. Auch diese müssten ihrerseits Interna offenlegen.
Google teilte mit: „Wir freuen uns, dass das Gericht einen strengen Beurteilungsstandard festgelegt hat, um den Schutz vertraulicher Informationen zu gewährleisten und gleichzeitig die Interessen aller Beteiligten in Einklang zu bringen. Wir begrüßen auch, dass das Gericht jeden einzelnen streitigen Punkt sorgfältig geprüft hat.“ Man wolle nun die Entscheidung weiter bewerten und erwarte dazu die Begründung des Senats.