Elektroauto: Hyundai Ioniq 5 N im Test: Elektroauto mit Handschaltung und sattem Motorsound

Elektroautos, ob nun von Hyundai oder anderen Herstellern, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, keine Emotionen zu wecken. Dabei ist es egal, ob die Autos 150 oder über 1000 PS haben. Was vielen Kritikern fehlt, ist der Sound. Die Koreaner möchten den Zweiflern jetzt die Argumente rauben – und bringen mit dem Ioniq 5 N ein durch und durch einzigartiges Fahrzeug.

Vorab, denn das ist ganz wichtig: Den Hyundai Ioniq 5 N kann man, wie auch den herkömmlichen Ioniq 5, ohne weiteres als Auto für den gediegenen Alltag nutzen. Denn das Fahrzeug ist geräumig, bequem und fährt sich kinderleicht. Das macht aber absolut keinen Sinn.

Für die Erklärung muss man etwas ausholen: Zwar erinnert der Hyundai Ioniq 5 N stark an das Modell ohne den unscheinbaren Zusatzbuchstaben, die beiden Autos haben aber lediglich die Plattform gemein – der Rest unterscheidet sich fundamental. So sehr, dass der Wagen etwa zwei Mal so viel kostet, wie „ohne N“. 

Der Hyundai Ioniq 5 N ist ein „echter N“, wie es Hyundai erklärt. Das N steht bei Hyundai etwa für das, was AMG bei Mercedes-Benz und M bei BMW ist – echte Sportwagen, die mit ihren Ottonormal-Geschwistern nur die Basis teilen und sich ansonsten radikal unterscheiden.

E Auto Gebraucht 13:22

Was den Hyundai Ioniq 5 N so spannend macht, ist die Tatsache, dass es sich bei dem Wagen um ein Elektroauto handelt. Wie sich das mit dem Anspruch, ein echter Sportwagen zu sein, vereinbaren lässt? Wollen wir doch mal sehen.

Pommestheke und breite Schlappen

Schon äußerlich verrät der Hyundai Ioniq 5 N, dass etwas in ihm schlummert. Im Gegensatz zu seinen vergleichsweise biederen Geschwistern protzt der Wagen mit einem mächtigen Heckspoiler, Zierleisten, einem üppigen Heckdiffusor, noch mehr Zierleisten, Bremsenkühlung und einem recht breiten Bodykit. Hinzu kommen die serienmäßigen 21-Zoll-Felgen und massive 400mm-Bremsscheiben vorne sowie lackierte Bremssättel.

Hyundai Ioniq 5 N bilder

Innen ist der Wagen optisch etwas zurückhaltender unterwegs, doch hier und da findet sich das N-Logo oder andere Zierelemente, die daran erinnern, was man da eigentlich fährt. Spätestens ein Blick auf das Lenkrad macht dann nochmal deutlich: Hier geht’s zur Sache – wenn gewünscht.

Am deutlichsten wird der Unterschied zwischen N und Non-N bei einem Blick auf die Daten. Während der Ioniq 5 mit allerhöchstens 325 PS, in der Basis sogar nur mit 170 PS, klarkommen muss, strotzt der 5N nur so vor Kraft. 609 PS stehen dem Wagen permanent zur Verfügung, mit einer Boost-Taste sind es 650 PS. Das bringt den Wagen in 3,4 Sekunden auf 100 und reicht für eine Endgeschwindigkeit von etwas mehr als 260. Das maximale Drehmoment liegt bei 770 Newtonmetern – die Launch Control kommt damit einem kleinen Raketenstart gleich.

Porsche Rennstrecke Taycan Turbo GT 14.22

Das Ganze greift dabei auf eine Batterie mit 84 Kilowattstunden zurück. Während die Reichweite im Test wegen eines durchschnittlichen Verbrauchs von 18 bis 22 Kilowattstunden auf 100 Kilometer bei etwa 380 Kilometern lag – was wirklich kein Bestwert in diesem Preissegment ist – konnte der 5N die Enttäuschung an der Ladesäule wieder etwas mindern.

Dank optimierter Ladeleistung schaffte es der Wagen in exakt 19 Minuten von 10 auf 80 Prozent – teilweise mit Geschwindigkeiten von bis zu 270 Kilowatt. Das ist ein Top-Wert und hält Ladepausen schön kurz. Aber: Bei langen Autobahnpassagen ist man gezwungen, sie einzulegen, von Düsseldorf nach Hamburg geht’s nicht in einem Rutsch.

Zuhause auf der Rennstrecke

Seine Stärken spielt der Wagen bei Fahrten quer durch das Land auch nicht unbedingt aus. Rundkurse. Da muss er hin, darauf wurde er optimiert. Denn nur der Ioniq 5 N hat ab Werk Sportsitze, eine vollständig neue Bremsanlage mit extra starker Rekuperation, eine deutlich erhöhte Karosseriesteifigkeit, Antriebsachsen aus dem Rallyesport und zahllose „N Technologien“, die nur für dieses Auto entwickelt worden sind. Das alles bündelt der Wagen im – Sie ahnen es – „N-Modus“. Eine einzige Taste, die das Auto aber merklich verwandelt.

Besagte Systeme dienen einerseits der Fahrstabilität und mehr Tempo, andererseits aber auch dem Kind im Manne oder der Frau. Dazu gleich mehr. Was die Fahrleistungen angeht, muss der Ioniq 5 N sich nicht vor der Konkurrenz verstecken. Das sind aber nicht Smart #3 Brabus (hier im Test) oder andere Ioniq-Modelle, sondern Porsche Taycan (hier im Test), Tesla Model S Plaid, Lucid Air Sapphire oder sogar Lamborghini Urus. Richtig gehört: Verbrenner gehören auch zur bevorzugten Beute des Stromers. Und wenn man will, ahmt er sie sogar nach.

Durch Funktionen wie beispielsweise eine individuell einstellbare Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse und eine Launch-Control, die man dem jeweiligen Grip-Niveau anpassen kann, hält der 5 N Fahrer sein Gefährt auch in schwierigen Situationen in der Bahn. Wer mag, kann sich sogar beim Driften helfen lassen und den „N Drift Optimizer“ zuschalten, der das Überdrehen bei rasanten Querfahrten verhindert. Alles sehr technisch, aber eins zu eins in Fahrspaß übersetzbar. 

Die Felgen des Ioniq 5 N messen 21 Zoll und wurden speziell für das Fahrzeug entwickelt. Sie sind serienmäßig. die 400mm-Bremsscheiben sind auf Rennsport ausgelegt und damit entsprechend dimensioniert.
© Hyundai

Und wenn man mal schnell zum Stillstand kommen muss, packen Rekuperation und Bremsen so ordentlich zu, dass der Bremsweg sich auf ein Minimum verkürzt. Praktisch: Durch die starke Rekuperation sorgt der Wagen dafür, dass die Bremsen auch bei Dauergebrauch auf dem Rundkurs nicht überhitzen, weil sie im Zweifel weniger beansprucht werden als bei Verbrennern.

Für die übrigen Einstellungen im N-Menü braucht man ein Diplom. Es gibt eigentlich nichts, was der Wagen nicht anzeigt. Hat man sich einmal reingefuchst, findet man beispielsweie auch gespeicherte Rennstrecken, auf denen der Wagen automatisch Zeiten nehmen kann, sollte man dort unterwegs sein.

Es brummt der nicht vorhandene Motor

Kommen wir zu den Spielereien, die den Hyundai Ioniq 5 N merkwürdig einzigartig machen. So lässt sich beispielsweise aus drei Motorsounds wählen, die passend zur Fahrt eingespielt werden. Auf Wunsch auch von außen hörbar. Zur Auswahl stehen Raumschiff, Kampfjet und Verbrenner. Während die ersten beiden Möglichkeiten zwar gut, aber nicht außergewöhnlich sind, ist der Verbrenner-Sound ein echter Hirnverdreher. Denn lässt man den Sound nur lange genug laufen, denkt der Kopf irgendwann wirklich, dass man einen Motor und einen Sportauspuff anstelle des elektrischen Antriebs hat.

Der Eindruck verstärkt sich noch, wenn man – wieder per Tastendruck – auf manuelle Wippenschaltung umsteigt. Dann simuliert der Hyundai Ioniq 5 N ein 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und verhält sich auch exakt so. Schaltet man in niedriger Geschwindigkeit zu hoch, kommt der Wagen nicht aus dem Quark. Dreht man zu hoch, meldet sich der Begrenzer. Für schönes Schalten gibt es zur Belohnung Auspuffspratzer und dumpfe Schläge. 

Auf der Rennstrecke ist der Hyundai Ioniq 5 N in seiner natürlichen Umgebung. Es ist ein reinrassiger und ernstzunehmender Sportwagen. Dafür hat der Hersteller in nahezu allen Bereichen verbessert oder gar völlig neue Teile verbaut. Mit dem herkömmlichen Ioniq 5 hat das Auto nicht mehr viel zu tun – das erklärt den saftigen Aufpreis.
© Hyundai

Es muss irrsinnig viel Arbeit in die Entwicklung der wohl unnötigsten Technik der Welt geflossen sein. Ein Elektroauto, dass aus dem Auspuff knallt und von Hand geschaltet wird – was für ein Irrsinn. Doch man muss es erlebt haben – der Kopf glaubt irgendwann, was das Elektroauto einem vormacht. Wahnsinn.

Es ist fast schade, dass diese Funktion wohl bei keinem Fahrer jemals Einzug in den Alltag finden wird. Warum auch sollte man die Vorzüge einer flüsterleisen Fahrt ohne jegliches Geschalte für ein bisschen Gebrabbel und Gebrumme über Bord werfen. Auf der Autobahn oder in der Stadt macht es einfach keinen Sinn – wenn es aber mal rasant zugeht, ist es ein willkommener und wirklich gut gemachter Bonus.

Nicht unerwähnt sollte der Verbrauch sein, den der „Rennbetrieb“ verursacht. Tritt man das Fahrzeug nach allen Regeln der Kunst, leeren sich die Reserven gefühlt in Fünf-Prozent-Schritten. Beispiel: Nürburgring-Experte Misha Charoudin brauchte 60 Prozent Akku für zwei Runden auf der Nordschleife. Das sind in Summe etwa 42 Kilometer. Nichts davon kommt überraschend, aber es ist eine Erwähnung wert.

Fazit: Hyundai Ioniq 5 N

Wie gut man den 5N findet, hängt davon ab, als was man ihn sieht. Nimmt man ihn als Taycan oder Model-S-Plaid-Konkurrenten, bekommt man ein ebenbürtiges Fahrzeug für einen Bruchteil des Geldes. Auch wenn 75.000 Euro immer noch sehr viel Schotter ist – der Preis ist weit entfernt von den Kosten vergleichbarer Sportwagen. Was die Performance angeht, schlägt er locker Autos – ja, auch Verbrenner – die das Vielfache kosten.

Braucht man ihn vorwiegend als Alltagsauto, wird es schon eng. Denn das meiste kann der normale Ioniq 5 auch – nur eben langsamer und mit kleinerer Batterie. Da muss einem die Optik des Autos schon viel wert sein, sollte man selten die Gelegenheit haben, den 5N auszufahren. Ein gutes Auto wäre es trotzdem, nur eben völlig überdimensioniert.

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