Richard Golz: „Bayerns offene Trainerdiskussion ist kein Zufall“

Noch immer sucht der FC Bayern München einen neuen Trainer. Richard Golz hat einst 453 Bundesliga-Spiele bestritten, heute berät er Sportvereine bei Personalfragen. Für die offene Trainerstelle bei den Bayern hat er zwei Ideen.

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Herr Golz, in dieser Woche hat mit Ralf Rangnick der vierte Trainer beim FC Bayern abgesagt. Sie haben 453 Bundesliga-Spiele absolviert und sind heute Personalberater. Erklären Sie uns: Warum tun sich die Bayern so schwer, einen neuen Trainer zu finden?
Zunächst einmal unterscheidet sich eine Personalberatung noch mal von der Besetzung eines Trainers. Im Fußball gibt es im Vergleich zur Personalberatung meistens zwei Probleme: Zeit und Öffentlichkeit. Bayern muss eine ganz schnelle Lösung für den offenen Trainerposten finden und das Thema wird in der Öffentlichkeit diskutiert, was den Druck erhöht und damit eventuell schlechte Entscheidungen provoziert. Das sehen wir jetzt – und das ist eine extrem schwierige Situation. Zum anderen glaube ich, dass der eine oder andere Kandidat die Situation clever für sich genutzt hat, was in der Personalberatung aber auch vorkommt. 

Wie meinen Sie das?
Dass die Trainerdiskussion so offen geführt wird, ist kein Zufall. Vom FC Bayern kommt das eher nicht, obwohl es sich als Nachteil herausstellt, dass sich so viele Vereinsvertreter in der Öffentlichkeit geäußert haben. Für die andere Seite, seien es die Trainer oder ihre Berater gibt es riesige Vorteile, das Bayern-Interesse für sich zu nutzen. Unai Emery Vertrag und Julian Nagelsmann haben ihre Verträge verlängert in einer für sie sehr günstigen Situation.

Wie kommen die Bayern denn aus dieser Situation heraus? Es dürfte doch mit jeder Absage schwieriger werden.
Ja, und nein. Ja, es gibt nur einen kleinen Kreis von Top-Trainern und manche davon haben die Situation genutzt, wie beschrieben. Insofern wird es nicht einfacher, wenn der Kreis kleiner wird. Gleichzeitig bleibt der FC Bayern aber ein sehr interessanter Verein für jeden Trainer und auf diesem Niveau ist es nicht unüblich, scheinbar nicht die erste Wahl zu sein. Die Bayern werden sehr wahrscheinlich nicht ohne Trainer dastehen.

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Aber noch einmal: wie überzeugt man einen Trainer, der von außen nur das pure Chaos sieht?
Die Bayern müssen jetzt verhindern, dass weitere Informationen nach außen dringen, sich jetzt sammeln, die restlichen Kandidaten identifizieren und in den Gesprächen darauf hinweisen, dass der Deal tot ist, sobald Einzelheiten an die Öffentlichkeit drängen.

Ist das realistisch?
Das ist die Frage. Bislang war das offensichtlich nicht der Fall. Deshalb wird in solchen Situationen auch gerne nach internen Lösungen gesucht oder altgedienten Trainern, die Gefallen an der Konstellation haben mit einem überschaubaren Zeitraum. Der Typ Jupp Heynckes etwa, auch wenn er es sicher nicht wird. 

Fällt ihnen da ein Name ein?
Das ist pure Spekulation an der ich mich nicht beteiligen möchte, kann mir aber vorstellen, dass jetzt ein Übergangstrainer für einen vorab klar definierten Zeitraum gesucht wird.

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Der Name Louis van Gaal wurde schon in den Ring geworfen.
Es kommen nicht so viele in Frage, daher sollte man sich keiner Lösung verschließen und es können noch Kandidaten auf den Markt kommen, wenn die Saison überall zu Ende ist.

„Persönlichkeit kommt noch kurz vor der fachlichen Expertise“

Was für ein Profil braucht denn ein Trainer, der sich in dieses Umfeld begeben will?
Profil ist schon das richtige Stichwort. Die wichtigste Eigenschaft ist aus meiner Sicht die Persönlichkeit, gerade um die ganzen Stars bei den Bayern mitzunehmen. Persönlichkeit kommt bei mir noch kurz vor der fachlichen Expertise.

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Kann denn ein großer Name und Charakter wie Zinedine Zidane das wettmachen, was an Flurschaden durch die Absagen entstanden ist?
Ich möchte nicht über Namen und die Größe eines eventuellen Schadens spekulieren, der FC Bayern ist aber immer noch ein sehr reizvoller Verein.

Unabhängig davon, wer ab 1. Juli Trainer beim FC Bayern wird. Wie blickt man als Spieler auf die aktuelle Situation – und wie begegnet man dem neuen Trainer ab Juli?
Ganz normal. Die Spieler haben mit der Champions League aktuell einen extrem starken Fokus und solange die Bayern noch im Wettbewerb sind, müssen sie für die Spieler keinen neuen Trainer präsentieren. Nach der Saison sieht es anders aus, vor allem, wenn man neue Spieler verpflichten will. Aber aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen: als Spieler sollte man nicht wegen des Trainers wechseln, denn das kann sich im Profi-Fußball schnell ändern, wie ein Trainer zum Verein gekommen ist, ist den meisten Spieler ziemlich egal.

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