Unruhe beim FC Bayern: Hoeneß-Kritik an Tuchel: Lass gut sein, Uli!

Uli Hoeneß spricht Bayern-Trainer Thomas Tuchel die Fähigkeit ab, junge Talente zu entwickeln, der Coach wehrt sich – und das vor dem wichtigsten Spiel der Saison gegen Real Madrid. Der Zoff zeigt eines: Die Methode Hoeneß ist nicht mehr zeitgemäß.

Uli Hoeneß hat es wieder getan, er kann nicht anders. Auf einer Podiumsdiskussion hat der Bayern-Ehrenpräsident Trainer Thomas Tuchel die Fähigkeit abgesprochen, junge Spieler zu fördern und zu entwickeln: „Er hat eine andere Einstellung! Nicht, dass man den Pavlovic verbessern kann, dass man den Davies verbessern kann. Sondern: Wenn’s nicht weitergeht, dann kaufen wir“, sagte er. Daraufhin konterte Tuchel am Spieltag, der sich in seiner „Trainerehre verletzt“ fühlte: „Ich habe sehr wenig Verständnis dafür. Ich finde es absolut haltlos!“

Wir erinnern uns: Tuchel hatte zu Beginn der Saison bekanntermaßen öffentlich einen Spieler gefordert, der dem Profil einer „holding six“ entspricht. Tuchel sah diesen Typ nicht im Kader und watschte damit Joshua Kimmich und Leon Goretzka öffentlich ab, die Tuchel für die falschen Spieler im defensiven Mittelfeld hielt. Die Äußerungen damals waren ungeschickt, aber das Thema ist längst abgehakt. Dass Trainer öffentlich Verstärkungen fordern, ist durchaus normal. Daraus zu schließen, dass Tuchel kein Händchen für junge Talente habe, ist mehr als zweifelhaft und Tuchels Ärger verständlich.

FC Bayern München wie in alten Zeiten 

Als Beobachter fühlt man sich in alte Zeiten zurückversetzt. Damals, in den achtziger, neunziger und Nuller-Jahren, waren Hoeneß-Attacken ein fester Bestandteil des Unterhaltungsbetriebes Bundesliga. Hoeneß verfuhr stets nach dem Motto: „Gib dem Affen Zucker“, und dieses Prinzip funktionierte wunderbar und brachte viel Aufmerksamkeit. In der Gegenwart wirken solche Attacken auf das eigene Personal dagegen wie aus der Zeit gefallen. Was sollen sie bewirken, außer das eigene Ego zu befriedigen, das zuletzt vielleicht zu wenig Aufmerksamkeit erhielt? Warum muss Hoeneß dem Trainer einen letzten, ätzenden Gruß hinterherschicken?Interview_Augenthaler6.36

Bei den Bayern herrscht genug angespannte Unruhe: Der neue Sportvorstand Max Eberl ist auf der Suche nach einem neuen Coach und muss sich erst in seinem neuen Job finden. Sportlich hat der Rekordmeister seine Dominanz vorerst eingebüßt, dennoch lässt sich die Saison retten: In der Champions League steht das Halbfinale gegen Real Madrid an, der Titel ist möglich. Die Bayern können eine bislang wechselhafte, von Rückschlägen gezeichnete Spielzeit als großer Triumphator auf der europäischen Bühne abschließen.

Will Uli Hoeneß von Fehlern ablenken?

Und dann kommt Hoeneß um die Ecke und befeuert eine Debatte, die längst beerdigt war. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte er nicht wählen können. Das verstärkt den Eindruck, dass da einer das Gespür für das Tagesgeschehen verloren hat. Vielleicht versucht Hoeneß auch, von eigenen Fehlern abzulenken. Als heimlicher Herrscher im Hintergrund ist er ein Stück weit mitverantwortlich für den Umbruch (die Abgänge von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic) in der Führungsebene des Klubs. Seitdem ist der Verein nicht mehr zur Ruhe gekommen.STERN PAID 42_23 Harry Kane 11.35

Die Attacke passt zu einem FC Bayern, der öffentlich ein konfuses Bild abgibt. Hoeneß Äußerungen stören nicht nur in der Vorbereitung auf die Partie gegen Real Madrid am Dienstagabend, sondern sie könnten sich negativ auf die Trainersuche auswirken. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ein Trainer wie Ralf Rangnick offenbar tagelang darüber grübelt, ob er den Job als Nachfolger von Tuchel annimmt oder nicht. Sein Zögern ist ihm nicht zu verübeln. Dass ein Trainer-Amt bei den Bayern nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, steht außer Frage. Doch gerade ein Rangnick wird sich zwei Mal überlegen, ob er bei einem Verein anheuert, wo hinter den Kulissen ein Machtmensch wie Hoeneß die Fäden zieht.

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