Gefährliche Rahmenbrüche: Verkaufsstopp für Babboe-Lastenräder: Wie sicher ist das beliebte Elterntaxi?

Babboe-Lastenräder sind bei Eltern außerordentlich beliebt. Nun wurde der Verkauf wegen schwerer Sicherheitsmängel gestoppt. Was bedeutet das für deutsche Kunden?

Wer in einer deutschen Großstadt zur Bring- oder Abholzeit an einer Kita oder Grundschule vorbeikommt, der hat die Babboe-Kisten mit Sicherheit schon gesehen. Denn die Lastenfahrräder, in dessen charakteristischem Transportkorb auch mehrere Kinder Platz finden, erfreuen sich unter Eltern großer Beliebtheit. Tatsächlich wurde die holländische Lastenradmarke 2005 von einer Elterninitiative gegründet. Heute gehört Babboe zum Fahrradkonglomerat der Accell Group und ist nach eigenen Angaben „die Nummer 1 unter den Lastenfahrrädern weltweit“. 

Babboe mit gefährlichen Sicherheitsmängeln

Doch nun herrscht große Aufregung von München bis Berlin Prenzlauer Berg: Wegen schwerer Sicherheitsmängel hat Babboe den Verkauf der meist einige Tausend Euro teuren Lastenräder auch in Deutschland vorübergehend gestoppt. In den Niederlanden läuft sogar bereits eine Rückrufaktion. Was ist passiert und was müssen Kunden wissen?

Wie kam es zum Verkaufsstopp?

Auslöser ist eine Untersuchung der niederländischen Behörde für die Sicherheit von Lebensmitteln und Verbraucherprodukten (NVWA). Die Behörde ging nach eigenen Angaben seit Ende 2023 Hinweisen über vermehrte Rahmenbrüche bei Babboe-Rädern nach. Dabei kam heraus, „dass Babboe in den letzten Jahren eine große Anzahl von Meldungen über gebrochene Rahmen erhalten hat“, erklärt die NVWA. Diesen Berichten sei der Hersteller nicht wie vorgeschrieben nachgegangen. Babboe habe weder eine eigene Untersuchung angestrengt noch die Fälle an die NVWA gemeldet. Daher hat die Behörde für alle Babboe-Räder einen unverzüglichen Verkaufsstopp verhängt und für bestimmte Typen sogar einen Rückruf. 

Das verheerende Fazit der Verbraucherschutzbehörde: „Die Sicherheit der Lastenfahrräder ist nicht ausreichend gewährleistet.“ Laut Risikobewertung der NVWA könnten die Rahmen verschiedener Modelltypen brechen. Dies könne zu ernsthaften Verletzungen führen, etwa wenn Kinder während der Fahrt aus der Transportbox fielen. Babboe-Räder dürften daher erst wieder verkauft werden, wenn die Sicherheit nachgewiesen sei. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft will die Behörde sogar strafrechtliche Konsequenzen prüfen. Woom-Gründer Interview 20.30

Welche Babboe-Modelle sind betroffen?

Vom Verkaufsstopp sind alle Babboe-Räder betroffen. Der Rückruf in den Niederlanden betrifft alle Modelle, bei denen die NVWA ein „ernsthaftes Sicherheitsrisiko“ identifiziert hat.

Dies sind die Modelltypen:

Babboe City/City-E/City MountainBabboe Curve/Curve-E/Curve MountainBabboe Big/Big-EBabboe Dog/Dog-EBabboe Max-EBabboe Mini-E/Mini MountainBabboe Pro Trike/Trike-E/Trike XLBabboe Carve-E/Carve Mountain

Zu allen übrigen Babboe-Modellen lägen keine Berichte über Rahmenbrüche vor, schreibt die NVWA. Diese würden daher nicht zurückgerufen.

Was bedeutet das für deutsche Kunden?

Ein Rahmenbruch wäre auf einer deutschen Straße natürlich nicht weniger gefährlich als auf einer holländischen. Babboe weist daher auch auf seiner deutschen Homepage auf den Verkaufsstopp hin. „Vorsorglich hat das Unternehmen entschieden, den Verkauf sämtlicher Babboe Lastenfahrräder vorübergehend einzustellen“, heißt es dort. Man werde versuchen, alle erforderlichen Informationen schnellstmöglich nachzureichen, um den Verkauf wieder aufnehmen zu können. Desweiteren bereite Babboe gemeinsam mit der NVWA die Rückrufaktion der betroffenen Modelle vor. „Eigentümer von Babboe-Modellen werden hierzu schnellstmöglich informiert.“

Die Rückrufaktion gilt vorerst nur in den Niederlanden. Die NVWA hat angekündigt, die übrigen EU-Staaten über das offizielle Warnsystem European Safety Gate zu informieren. Die Behörden in Deutschland und anderen Ländern könnten dann entscheiden, ob sie ebenfalls einen Rückruf starten. Allerdings: Selbst wenn es dazu käme, hieße das nicht, dass Kunden automatisch ihr Geld zurückbekommen, sagt Johannes Wallat vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Außerhalb der zweijährigen Sachmängelhaftung und der Garantie dürfte das schwierig werden.“ Auch der ADAC betont, dass es im Fall eines Produktrückrufes kein automatisches Geld-zurück-Recht gibt. Denn der Rückruf dient erstmal nur der Sicherheit und begründet keine Entschädigung. Was für Kunden im konkreten Fall gelten würde, sollte es zum Babboe-Rückruf kommen, sei noch unklar. 

Ob Babboe die Kunden freiwillig entschädigt, wie es Hersteller bei Produktrückrufen oft aus Kulanz tun, ist angesichts der Masse an betroffenen Rädern fraglich. Laut Herstellerseite gilt auf den Rahmen eines Babboe-Lastenrades eine Garantie von fünf Jahren. Vom Händler können Käufer zudem im Rahmen der gesetzlichen Sachmängelhaftung in Deutschland generell innerhalb von zwei Jahren nach dem Kauf bei auftretenden Mängeln Reparatur oder Ersatz verlangen. Lastenrad Service 20 Uhr

Sollte ich mein Babboe jetzt lieber stehen lassen?

Vor der Frage einer finanziellen Entschädigung steht auch für Eltern in Deutschland nun die rein praktische Frage: Sollte ich mein Babboe jetzt weiter fahren und möglicherweise die Gesundheit meiner Kinder riskieren? Die niederländische Verbraucherschutzbehörde NVWA rät Kunden der betroffenen Modelle ausdrücklich, dies nicht zu tun. Dem schließt sich auch der deutsche Fahrradclub ADFC an. „Wir empfehlen, die Räder vorerst nicht zu fahren“, sagt ADFC-Sprecher Wallat zum stern. Wer dies dennoch tun wolle, dem rät er, zumindest den Rahmen gründlich auf Risse abzusuchen und Kontakt zum Händler aufzunehmen. Der Automobilclub ADAC empfiehlt, sich an die Hinweise des Herstellers zu halten und „gegebenenfalls den Fahrbetrieb bis zur Klärung des Sachverhalts einzustellen“. ADAC Lastenrad 6.30

Wie sicher sind Lastenräder generell?

Der Fahrradclub ADFC hält Lastenräder trotz der alarmierenden Meldungen zu Babboe nicht generell für unsicher. Auch für den Transport von Kindern eigneten sich viele der Lastenräder. „Dass ein Hersteller jetzt Probleme hat, ändert daran nichts“, sagt ADFC-Sprecher Wallat. Das Handling im Straßenverkehr kann aufgrund der Größe der Räder für Ungeübte allerdings eine Herausforderung darstellen. Zudem erreichen die meisten Lastenräder dank E-Antrieb trotz ihres Gewichts eine ordentliche Geschwindigkeit.

Der Automobilclub ADAC hat 2021 und 2022 selbst eine Reihe gängiger Lastenräder getestet und Noten zwischen „gut“ und „mangelhaft“ verteilt. Von den sechs einspurigen Modellen mit zwei Rädern erhielten im Prüfpunkt „Sicherheit und Verarbeitung“ fünf eine gute Note – lediglich das nun in Holland zurückgerufene Babboe City-E erhielt eine 3 minus. Der ADAC teilte dem stern dazu mit: „Es wurden zwar im Kapitel „Sicherheit und Verarbeitung“ im Vergleich zu den anderen Testkandidaten kleinere Mängel festgestellt, welche in der Summe zu einer gerade noch zufriedenstellenden Kapitelnote (3,5) führten, allerdings wurden im Rahmen der durchgeführten Prüfungen keine Schwächen an der Rahmenkonstruktion festgestellt.“ 

Von den fünf dreirädrigen Modellen im Test kam bis auf das Chike E-kids keines über eine befriedigende Sicherheitsnote hinaus, darunter auch das Babboe Go-E. Bei den Dreirädern seien insbesondere Kurvenfahrten und Abbiegemanöver anfangs eine Herausforderung. Fälle von Rahmenbrüchen bei Babboe-Rädern seien dem ADAC generell bisher nicht bekannt gewesen, erklärt der Automobilclub auf Anfrage. „Allerdings geht der Mobilitätsclub davon aus, dass die niederländischen Behörden einen ausreichend triftigen Grund für eine solche Maßnahme erkannt haben, bevor das dortige Verkaufsverbot ergangen sei.“

In der Mitteilung der niederländischen NVWA lässt noch ein Satz aufhorchen, der sich in den FAQ zur Babboe-Meldung versteckt. Man habe auch Hinweise zu Problemen bei anderen Marken bekommen, heißt es da. Nun werde geprüft, ob dies weitere Untersuchungen rechtfertige.

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