Faktencheck: Wer bekommt eigentlich Bürgergeld und wer nicht?

Über das Bürgergeld werden immer wieder kontroverse politische Debatten geführt und Gerüchte verbreitet. Wie hoch sind die Auszahlungen wirklich, wer bekommt sie und wem drohen wann welche Sanktionen? Ein Überblick.

Um das Thema Bürgergeld kursieren viele Vorurteile, Diskussionen und Irrtümer. Mit der Einführung im vergangenen Jahr wollte die Ampel-Regierung ursprünglich einen „echten Kulturwandel in der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ schaffen und dabei auf „mehr Respekt und gerechte Teilhabe“ setzen. Nun forderten erst Arbeitsminister Hubertus Heil und dann auch Finanzminister Christian Lindner eine Überarbeitung ihres eigenen Gesetzes. Die oppositionelle CDU würde das Bürgergeld noch lieber komplett abschaffen.

Grund genug, sich die wichtigsten Fragen rund ums Bürgergeld noch einmal näher anzuschauen. Diese Übersicht erklärt, wie das System funktioniert, welche Bevölkerungsgruppe es am meisten unterstützt und warum kaum Menschen Grundsicherung beziehen, obwohl sie nicht darauf angewiesen sind.

Was ist das Bürgergeld?

Das Bürgergeld soll laut Arbeitsministerium „all denjenigen ein menschenwürdiges Existenzminimum bieten, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können.“ Die betrifft Arbeitsuchende, Familien, junge Menschen auf dem Weg in den Beruf, ältere Menschen bei beruflichen Neuanfängen und Migrantinnen und Migranten, denen die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden soll.

Das Bürgergeld löste Anfang 2023 das bisherige Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV, ab. Die damit verbundene Hoffnung der Ampel-Koalition waren nachhaltigere Arbeitsaufnahmen. Der sogenannte „Vermittlungsvorrang“ wurde abgeschafft und neue finanzielle Anreize für Weiterbildung eingeführt. 

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?

Das Bürgergeld ist für jeden Menschen in Deutschland erhältlich, der seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und anderen Leistungen, wie Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag decken kann. Wer bis Ende 2022 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, hat seit dem 1. Januar 2023 Anspruch auf das Bürgergeld.

Das Bürgergeld wird regelmäßig für zwölf Monate bewilligt. In Ausnahmen können die Leistungen auch für kürzere Zeiträume, in der Regel für sechs Monate, bewilligt werden. Wenn der Bewilligungszeitraumes endet, müssen die Leistungen erneut beantragt werden.

Wie hoch fällt das Bürgergeld aus?

Der Regelsatz des Bürgergelds beträgt seit Januar 2024 für einen alleinstehenden Erwachsenden 563 Euro im Monat. Zusätzlich zum individuellen Bürgergeldsatz, werden auch weitere Kosten vom Staat übernommen. Zwar erhalten Bürgergeld-Empfänger kein Wohngeld, die Kosten für eine Mietwohnung übernimmt das Amt aber dennoch. Dazu zählen auch die Ausgaben für Warmwasser und Heizung. Weitere Leistungen umfassen die Gesundheitsversorgung sowie Bildung und Teilhabe.

Wer bezieht Bürgergeld?

Aktuell gibt es rund 5,4 Millionen Bürgergeld-Empfängerinnen und -empfänger in Deutschland. Fakt ist: Rund 1,5 Millionen Menschen, können und dürfen überhaupt nicht arbeiten, weil sie zu jung sind. Ein Großteil dieser Gruppe sind Kinder und Jugendliche. Sie machen rund ein Viertel aller Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger aus. 

Von den übrigen 3,9 Millionen stehen weitere 2,2 Millionen Menschen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Diese Menschen befinden sich noch in der Schule oder im Studium, pflegen Angehörige oder kümmern sich um die frühkindliche Betreuung.

Übrig bleiben 1,7 Millionen arbeitslose Menschen, die grundsätzlich erwerbsfähig sind. Diese Menschen könnten also arbeiten, tun es aber nicht – oder? So einfach ist es nicht. 

Es gibt viele Hürden für die Arbeitsaufnahme: So bedeutet ein Teilzeitjob häufig nur einen minimalen Mehrverdienst im Vergleich zum Bürgergeld, im Zweifelsfall kann durch den Job allerdings eine Kinderbetreuung notwendig werden. Das ist einer der Gründe, warum Frauen im Schnitt länger von staatlicher Unterstützung abhängig sind als Männer mit vergleichbaren Qualifikationen. 

Ein weiteres Problem ist die sogenannte „Mismatch-Arbeitslosigkeit“. Das heißt, Menschen verfügen nicht über die Qualifikationen, die sie für die verfügbaren Jobs benötigten. Nur 23 Prozent der verfügbaren Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für Bewerber ohne Abschluss geeignet. Darüber hinaus sind nicht alle offenen Stellen da ausgeschrieben, wo Arbeitslose leben.

Zuletzt wäre da noch die Frage der Integration. Rund 56 Prozent der 1,7 Millionen erwerbsfähigen Arbeitslosen sind Deutsche, 44 Prozent Ausländer. Die größte Gruppe unter Letzteren machen Ukrainerinnen und Ukrainer aus (168.961), die zweitgrößte Gruppe Syrerinnen und Syrer (123.573), darauf folgen Menschen aus anderen Staaten der EU (113.845).

Asylbewerberinnen und -bewerber dürfen nach ihrer Ankunft in Deutschland zwischen drei und neun Monate lang nicht arbeiten. Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung legen nahe, dass die Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt danach zwar Zeit braucht, aber durchaus stattfindet. Von den 2015 nach Deutschland gekommenen Geflüchteten waren nach einem Jahr lediglich sieben Prozent erwerbstätig, heute sind es allerdings schon über 60 Prozent. 

Welche Regeln und Sanktionen gibt es für Bürgergeld-Empfänger?

Laut einem Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“ glaubten 64 Prozent der Deutschen Anfang diesen Jahres, dass es Menschen gibt, die wegen des Bürgergeldes nicht mehr arbeiten wollen. Personen, die arbeiten und alle verfügbaren Sozialleistungen in Anspruch nehmen, haben monatlich aber stets mehr Geld zur Verfügung als Bürgergeldempfänger, die nur von Sozialleistungen leben.Trotzdem sind scharfe Sanktionen für Bürgergeldbeziehende immer wieder Thema im politischen Diskurs.

Grundsätzlich ist das Bürgergeld wie schon das ehemalige Hartz IV als temporäre Maßnahme gedacht. Es soll dabei helfen, eine Phase ohne Arbeit zu überbrücken und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Jeder, der Bürgergeld bezieht, verpflichtet sich, daran mitzuwirken, schnellstmöglich wieder in Arbeit zu kommen. Dazu zählt es, Meldepflichten einzuhalten und regelmäßige Gesprächs- und Beratungstermine zu besuchen. Anfang des Jahres hat Arbeitsminister Hubertus Heil die Regeln für Bürgergeldbezieher  noch einmal verschärft.

Seitdem können die Jobcenter Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen, wenn die sich einer Arbeit verweigern. Dies ist aber nur nach wiederholtem Verweigern möglich. Die FDP fordert in einem Beschlusspapier aus dieser Woche nun noch schärfere Sanktionen. Jobverweigerern sollen die Leistungen künftig sofort um 30 Prozent gekürzt werden können. Das würde nach einem Urteil des Verfassungsgerichts die höchste zulässige Kürzungder Sozialleistung bedeuten. 

Die Zahl der tatsächlich Betroffenen wird nach Berechnungen und Einschätzung von Expertinnen überschaubar bleiben. Unter den 5,8 Millionen Bürgergeldberechtigten im Jahr 2023 wurden lediglich wenige Tausend Fälle erfasst, in denen Arbeit oder Maßnahmen verweigert wurden.

Quellen:Bundesarbeitsministerium, „Zeit„; „Wirtschaftswoche„, NTV, mit Material der DPA

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