Laut Amnesty International gibt es in Deutschland mehrere Negativtrends in Sachen Menschenrechte. Das geht aus dem Jahresbericht 2023/24 der Organisation hervor. Die Kritikpunkte im Detail.
Amnesty International attestiert Deutschland im Jahresbericht 2023/24 gleich mehrere Negativentwicklungen in Sachen Menschenrechte. Zunächst einmal fordert die Organisation von der Bundesregierung den Stopp von Waffenlieferungen nach Israel. „Sie darf keine Waffen an Israel und andere Konfliktländer liefern, wenn die Gefahr besteht, dass damit Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen begangen werden“, sagte die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty, Julia Duchrow, bei der Vorstellung des Jahresberichts der Menschenrechtsorganisation. Rüstungsexporte zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen seien davon nicht betroffen, fügte sie mit Blick auf die Ukraine hinzu.
STERN PAID 16_24 Krieg Israel 06.50Die Organisation bekräftigte ihre Kritik am israelischen Vorgehen im Gazastreifen. „Der Militäreinsatz der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen hat jedes Maß verloren“, betonte Duchrow. „Er geht mit zahlreichen Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht einher“, sagte sie.
Waffenlieferungen an Israel
Die Bundesregierung weigere sich jedoch, „die Kriegsverbrechen der israelischen Armee beim Namen zu nennen“. „Stattdessen lieferte sie vermehrt Waffen“, erklärte Duchrow. Amnesty wirft der Bundesregierung mit Blick auf den Nahostkonflikt vor, „mit zweierlei Maß zu messen“. Dies schade auch den internationalen Menschenrechtsstandards.
Aber auch in Deutschlands kritisiert Amnesty mehrere Entwicklungen:
Eingeschränkte Meinungsfreiheit
So habe die Bundesregierung nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 „verschiedene Maßnahmen verhängt, die das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränkten, insbesondere gegen Personen, die Solidarität mit Palästinenser*innen zum Ausdruck brachten“, schreibt die Organisation. Auch sei die Parole „From the river to the sea“ als Kennzeichen der Hamas verboten worden, obwohl sie bislang von auch von anderen und in anderen Zusammenhängen genutzt worden sei.Israel Freund und Feind 12.47
Versammlungsverbote
Die Organisation kritisierte im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt auch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit. So seien zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen zugunsten der Palästinenser vorbeugend verboten worden. „Es gab Medienberichte über unnötige und übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, Hunderte von Verhaftungen und verstärktes Racial Profiling von Menschen, die als Araber oder Muslime wahrgenommen wurden“, heißt es in dem Jahresbericht.
Mangelnder Schutz von Migranten
Deutschland wird in dem Bericht außerdem dafür kritisiert, Migranten nicht ausreichend vor Gewalttaten zu schützen. „Deutschland erkennt strukturellen Rassismus nicht ausreichend an und tut zu wenig, um Menschen vor Hasskriminalität zu schützen“, sagte Duchrow. Übergriffe und politisch motivierte Straftaten, darunter Beleidigungen und Angriffe auf Schutzsuchende und Flüchtlingsunterkünfte, hätten 2023 im Vergleich zum Vorjahr weiter zugenommen.
Schulbildung Mädchen Afghanistan 22.05Außerdem prangert die Organisation an, dass das humanitäre Aufnahmeprogramm für Gefährdete aus Afghanistan bisher insgesamt erst 94 Menschen nach Deutschland gebracht hat. Im Oktober 2022 war geplant, dass 1000 Menschen pro Monat aus Afghanistan nach Deutschland kommen – bis heute wären das mindestens 18.000.
Kriminalisierung von Klima-Aktivisten
Zudem habe Deutschland mit Blick auf Klima-Aktivisten „ganz schweres Geschütz“ aufgefahren, sagte Duchrow. Sie nannte mehrwöchigen Präventivgewahrsam und Ermittlungen wegen krimineller Vereinigung als Beispiele. „Das ist ein Angriff auf das Recht auf friedlichen Protest“, sagte sie.
Abtreibungen im Strafgesetzbuch
Amnesty prangerte außerdem die Tatsache an, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland noch immer kriminalisiert seien, „und das schon seit der Kaiserzeit“. Abtreibungen sollten außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden, betonte die Organisation.
Quellen:Jahresbericht Deutschland 2023 auf Amnesty.de, AFP