Kommt die Verkehrswende in Hessen unter die Räder? Einschränkungen im Nahverkehr sorgen immer wieder für Unmut bei Pendlern. Die Probleme dürften sich weiter verschärfen.
Personalmangel, Krankheitsfälle, wirtschaftliche Probleme – im öffentlichen Nahverkehr kämpfen einige hessische Kommunen mit Baustellen. Die Folgen sind Verspätungen und Fahrtausfälle, mancherorts müssen Fahrpläne auch dauerhaft ausgedünnt werden. Das trifft nicht nur Pendler, Schulkinder und andere Fahrgäste, sondern bringt auch die Verkehrswende in Hessen weiter ins Stocken.
Größtes Problem sei der Personalmangel, sagt Volker Tuchan, Geschäftsführer des Landesverbandes Hessischer Omnibusunternehmen (LHO). Viele Busfahrerinnen und Busfahrer seien 55 Jahre und älter und stünden wenige Jahre vor dem Ruhestand, während der Nachwuchs fehle: Die klassische dreijährige Berufskraftfahrer-Ausbildung absolviere pro Jahr nur noch eine Handvoll junger Menschen, eher kämen Quereinsteigerinnen und -einsteiger in den Beruf. Eine hohe Hürde stellten die hohen Kosten von rund 10.000 bis 12 000 Euro für die Qualifizierung dar. Außerdem fehle Geld, weil Fördermittel für den ÖPNV gekappt worden seien – und das bei hohem Investitionsbedarf in umweltfreundlichere Antriebe. „Ich habe schon die Befürchtung, dass sich die Probleme weiter verschärfen“, sagt Tuchan. Nur wenn das Angebot stimme, ließen sich mehr Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen bewegen.
Besonders deutlich hatte die Verkehrsgesellschaft Eswe aus WIESBADEN kürzlich die Misere beschrieben: Im Zuge von Fahrplanänderungen fielen in der hessischen Landeshauptstadt auf einigen Linien Fahrten weg – Grund seien „wirtschaftliche Notwendigkeiten“, hieß es. Man reduziere das Fahrtenangebot „bedarfsgerecht“ – also auf Linien und zu Zeiten, zu denen „die Nachfrage das Angebot in seiner derzeitigen Dichte nicht mehr rechtfertigt“. Betroffen seien vor allem Randzeiten, also Fahrten am frühen Morgen und späten Abend.
Bereits seit Ende Januar müssen auch die Fahrgäste in Hessens größter Stadt FRANKFURT mit weniger Verbindungen zurechtkommen. „Damit begegnet die Stadt dem anhaltenden Mangel an Fahrpersonal“, hatte Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) die Einschnitte im Dezember vergangenen Jahres begründet. Ziele seien „ein verlässliches Angebot“ und „ein ehrlicher Fahrplan“. Es würden keine Verbindungen eingestellt und auch weiterhin alle Haltestellen angefahren – aber Takte würden gedehnt und Parallelverbindungen eingestellt, wie der Geschäftsführer der städtischen Verkehrsgesellschaft Traffiq, Tom Reinhold, seinerzeit erläuterte.
Auch KASSEL kämpfte zuletzt zeitweise mit Personalausfällen und musste den Fahrplan für den Bus- und Straßenbahnverkehr daher einschränken. Grund dafür waren hohe Krankenstände bei der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG), die sich zwischenzeitlich nach den Worten einer Sprecherin aber wieder auf einem planmäßigen Niveau bewegen. Nach den Osterferien habe man daher das Angebot wieder ausweiten können. Auch hätten Überstunden im Fahrdienst sowie bei den Mitarbeitenden anderer KVG-Bereiche, die für erkrankte Kollegen eingesprungen waren, deutlich abgebaut werden können. Unabhängig von dieser positiven Entwicklung suche man Fahrpersonal, wie die Sprecherin deutlich machte.
Beim Nordhessischen Verkehrsverbund (NVV), dessen Gebiet neben der Stadt Kassel die Landkreise Hersfeld-Rotenburg, Waldeck-Frankenberg, den Schwalm-Eder-Kreis sowie den Werra-Meißner-Kreis und den Kreis Kassel umfasst, kommt es nach Angaben einer Sprecherin derzeit nicht zu vermehrten Ausfällen aufgrund von Personalmangel. „Angebotskürzungen sind nicht vorgesehen“, teilte sie mit.
Die Stadtwerke GIEßEN hatten bei ihrer Nahverkehrstochter Mit.Bus GmbH wegen zahlreicher Krankheitsfälle bereits eine Woche vor Beginn der Semesterferien im Februar das Fahrplanangebot kürzen müssen. Das Problem bestehe aktuell nicht mehr, hieß es von einem Sprecher, Mit.Bus bediene derzeit alle Linien nach dem regulären Fahrplan einschließlich der Fahrten, die nur im Semester gefahren würden. „Aktuell geht die Mit.Bus davon aus, dass sie außerhalb der Ferienzeit keine Abstriche beim Fahrplanangebot machen muss.“ Allerdings bekomme man den Mangel an Busfahrerinnen und -fahrern zu spüren und wolle die Suche noch intensivieren.
Anders ist die Situation in HANAU – dort wurde das Busnetz nach Angaben eines Stadtsprechers „in keiner Weise reduziert“ – im Gegenteil: Hanau habe während der vergangenen Jahre das Angebot auf unverändert hohem Niveau beibehalten. Beim Verkehrsbetrieb Hanauer Straßenbahn GmbH (HSB) habe die Zahl der Fahrgäste 2023 mit deutlich über 14 Millionen Buchungen einen Höchststand erreicht. Um die wachsende Nachfrage zu bedienen, hätten HSB und die Stadt nicht nur in weitere Gelenkomnibusse investiert, sondern forcierten auch die Ausbildung von Busfahrern: Seit fast sieben Jahren würden in Zusammenarbeit mit Partnern Qualifizierungsprojekte umgesetzt, bei denen Arbeitssuchende zu Busfahrern weitergebildet werden. „Entsprechend hat die HSB bislang keine Probleme, Mitarbeitende zu gewinnen“, hieß es.