Organspende: „Lichtblick“: Union, FDP und Grüne begrüßen Lauterbachs Nierenspenden-Plan

Das kommt selten vor: Die oppositionelle Union lobt einen Gesetzentwurf von Karl Lauterbach. Der SPD-Gesundheitsminister will Nierenspenden in Deutschland erleichtern. Jetzt drängen CDU und CSU auf Tempo – und fordern mehr. 

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, hat Pläne des Bundesgesundheitsministerium begrüßt, die Nierenspende in Deutschland zu erleichtern. „Die Neuregelung wäre ein Lichtblick für viele tausend Betroffene, die auf ein Spenderorgan warten“, sagte Sorge dem stern. Entscheidend sei nun, dass die Neuregelung schnell und bürokratiearm umgesetzt werde. „Dafür wird der Einbezug der Betroffenen und der medizinischen Fachkreise von großer Bedeutung sein“, erklärte der Abgeordnete. „Auch ethische Fragen dürfen nicht unterschätzt werden.“

Organspende: CDU will neuen Anlauf bei Widerspruchslösung

Sorge forderte zudem eine grundsätzliche Reform bei der Organspende nach dem Tod. Es bleibe die zentrale Frage, ob die Entscheidungslösung der richtige Weg sei, sagte Sorge. „Vieles spricht dafür, dass bei der Widerspruchslösung ein neuer Anlauf gewagt werden sollte.“ Auch wenn diese Regelung 2020 keine Mehrheit im Bundestag gefunden habe, würde sie würde aber einen deutlichen Anstieg der Spenderzahlen ermöglichen. Sorge: „Für mich persönlich wäre das eine Debatte, die wir fraktionsübergreifend im Bundestag führen sollten.“

Tino Sorge ist gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag.
© Kay Nietfeld

Wie der stern berichtete, plant Gesundheitsminister Karl Lauterbach eine Veränderung des Transplantationsgesetzes, die die sogenannte Überkreuzspende erleichtern soll. Aus dem Referentenentwurf geht hervor, dass künftig auch ohne besonderes Näheverhältnis über Kreuz gespendet werden kann. Lediglich die betroffenen Spenderpaare müssen weiter jeweils einander nahestehen, etwa durch eine Ehe oder andere enge Verwandtschaftsbeziehung. 

Exklusiv: neue Regelung NIerenspende

Kann wegen Inkompatibilität nicht direkt gespendet werden, wird die Niere anonym an ein anderes passendes Spenderpaar vermittelt. Die Organisation übernimmt hierbei das Transplantationszentrum. Mit der Anonymität soll verhindert werden, dass Geld für ein Organ gezahlt wird.

Lob auch von den Grünen

Auch der grüne Ampel-Koalitionspartner lobte die Reform. Sie sei „richtig und wichtig“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher, Janosch Dahmen, dem stern. Ohne politisches Zutun dürfte in den kommenden Jahren in einer älter werdenden und chronisch kränkeren Gesellschaft der Bedarf an Nierenspenden steigt und gleichzeitig der Anteil passender Spenderorgane abnehmen. 

Die Reform, sagte Dahmen, wolle deshalb die Anzahl  der in Frage kommender Spenderinnen und Spender auf das Niveau unserer europäischen Nachbarn zu erhöhen. Allerdings: „Oberste Priorität muss dabei stets die vollständige Freiwilligkeit jedweder Spende und der umfassende medizinische Schutz vor und nach einer Lebendspende sein.“ 

Grundsätzlich sollen zudem auch so genannte anonyme, nicht gerichtete Nierenspenden gestattet sein. Theoretisch könnte also auch jeder Mensch selbstlos eine Niere spenden – ohne Einfluss darauf zu haben, wer sie bekommt. In den USA gibt es diese Regelung längst.

Auch der zweite Ampelpartner, die FDP, begrüßte die Lauterbach-Pläne.  “Der Referentenentwurf setzt Teile dessen um, was wir als FDP-Bundestagsfraktion schon lange fordern“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher Andrew Ullmann dem stern: „Die Überkreuz-Lebendspende ist ein weiterer Schritt zu einem modernen Transplantationsgesetz und wird Leben retten.“  

FDP will Debatte über weiteres Kriterium

Es müsse nun aber auch über weitere Maßnahmen nachgedacht werden, so Ullmann: „Aus meiner persönlichen Sicht ist es jetzt aber auch an der Zeit, dass wir über die Zulassung des Herzkreislaufstodes im Parlament debattieren. Hier hinken wir in Deutschland einer modernen Definition im europäischen Vergleich noch hinterher und verpassen die Chance, mehr Organe zu transplantieren und damit Leben zu retten.”

Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Spanien dürfen in Deutschland nach einem festgestellten Hirntod nur dann Organe entnommen werden, wenn das Herz noch schlägt. Ist der Kreislauf nicht mehr intakt, darf kein Organ transplantiert werden. Ein Beispiel: Verstirbt ein potenzieller Spender bei einem Verkehrsunfall, bevor er im Krankenhaus ist, dürfen seine Organe, selbst bei Vorlage eines Spenderausweises, nicht mehr transplantiert werden. Dieses Verbot halten viele Experten für falsch.

Die Union warf Gesundheitsminister Lauterbach vor, den Gesetzentwurf verspätet vorzulegen. „Der Vorstoß kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Karl Lauterbach das Thema Organspende nur zögerlich aufgegriffen hat“, sagte Sprecher Tino Sorge. Zeitweise sei das Vorhaben gar nicht mehr in der Planung seines Ministeriums aufgetaucht. „Auch das Organspenderegister ging erst vor wenigen Wochen an den Start, weil die Ampel es über Monate verschleppte.“  

Sorge erklärte, dass seine Fraktion die Debatte über erleichterte Crossover-Spende schon vor einem Jahr angestoßen habe: „Wenn spendewillige Paare ins europäische Ausland reisen müssen, weil deutsche Regularien zu streng und weltfremd sind, ist das ein unhaltbarer Zustand.“ 

Auch das Bündnis ProTransplant, in dem sich mehrere Vereine zusammengeschlossen haben, bemängelt den Zeitpunkt. „Alles in allem ist das ein längst überfälliger Schritt, der allerdings viel zu spät seine Wirkung entfalten wird“, sagte Sprecher Mario Rosa-Bian dem stern. Insgesamt sei die Neuregelung nur „ein Tropfen auf den heißen Stein der geringen Zahl der Organspenden“.

Verwandte Beiträge