Sonntagstalk: AfD-Chef Chrupalla windet sich und wettert gegen „afrikanische Kulturen“

Erst aalglatt, dann stramm rechts: Tino Chrupalla wand sich bei Carsten Miosga zunächst aus allen kritischen Themen. Als zwei weitere Gäste dazustießen und ihn inhaltlich stellten, gewann die Debatte an Tempo – und der AfD-Chef kam aus der Deckung.

In der Hackepeter-Welt des Tino Chrupalla zahlt man noch in bar. Muss ja nicht jeder wissen, welcher Geldschein den Besitzer wechselt. Vor allem das Finanzamt nicht. Er, der Malermeister aus Görlitz, fühlt sich pudelwohl in der Rolle des einfachen, erdverwachsenen Handwerkers, der sich einen Ast, respektive Pinsel, freut, wenn er den kosmopolitischen Beton-Moloch Berlin hinter sich lassen kann und die Sachsenfahne im Wind flattern sieht. Und wenn die stressigen, übermotivierten Typen in seiner Partei – die waschechten Rassisten und mutmaßlichen Russlandkollaborateure – mal wieder übers Ziel hinausschießen? „Ist das nicht mein Geschmack.“ Blöd nur: Chrupalla ist ihr Chef. 

Zu Gast bei Caren Miosga waren:

Tino Chrupalla, Bundessprecher und Fraktionsvorsitzender der AfDNadine Lindner, Journalistin beim DeutschlandradioJoe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens Energy und Daimler Truck

Interview Waigel 0.01Caren Miosga gönnte dem aalglatten AfD-Obersten ein leichtes Warm-up. Die Vorwürfe gegen seine Parteifreunde Bystron und Krah, über verschlungene Kanäle Geld vom Kreml erhalten zu haben – für Chrupalla „bislang nichts als Vermutungen“. Ein im Ausmaß seiner Hohlheit fast schon lustiges Plakat der Sachsen-AfD, in dem die „traditionelle Frau“ gegen die „moderne, befreite Feministin“ gestellt wird, die auf ihre „dritte Abtreibung mit 22“ stolz sei – „nicht meine Form von Politik“. Ein Auszug aus einem Buch von Maximilian Krah, immerhin der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, in dem er die These aufstellt, Frauen seien von Natur aus nicht geeignet für Spitzenpositionen in Wirtschaft und Wissenschaft – „ich weiß gar nicht, ob er das Buch selbst geschrieben hat.“

AfD will Verschärfung des Abtreibungsrechts

Als hätte er sich mit einem wirklichkeitsabweisenden Lack eingepinselt, ließ Chrupalla alles an sich abperlen. Ein Meister im Sich-Winden und -Wegducken. Mehr anstrengen musste er sich, als Miosga den ehemaligen Siemens-Chef Joe Kaeser und die Journalistin Nadine Lindner ins Gespräch holte. Die nahmen das wirtschafts- und gesellschaftspolitische Programm der AfD genauer unter die Lupe.BiGA Malsack-Winkemann

Kaeser verwies auf die „Erfolgsformel des deutschen Wohlstands“: Export, Innovation und gesellschaftliche Stabilität. Deutschland sei auf die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften angewiesen, um sein Wohlstandsniveau zu halten. Chrupalla konterte, unter den Migranten seit 2015 seien nur „wenige Fachkräfte“ gewesen. Lindner machte bei der Einwanderungspolitik der AfD einen Paradigmenwechsel aus. Früher sei Kanada das Vorbild gewesen mit seinem Punktesystem je nach Qualifizierung. Heute sei Japan das bevorzugte Modell mit seiner Zuwanderungsquote von fast null Prozent. Dazu passend auch ein Passus im Parteiprogramm: KI, Robotik und Digitalisierung sollten Vorrang vor Zuwanderung haben. „Der AfD“, so Lindner, „geht es mittlerweile weniger um praxisorientierte Lösungen als um ideologische Positionen.“

Tino Chrupalla kommt aus der Deckung

Beim Thema Geburtenrate verlangte Chrupalla, Familien sollten in Deutschland so gut wie gar keine Steuern mehr zahlen müssen und kostenlose Betreuungsangebote erhalten. Spendable Ideen einer Partei, die die Vermögens- und Erbschaftssteuer streichen will und die Gewerbesteuer zumindest in Frage stellt. Nadine Lindner zog aus dem aktuellen Programm einen weiteren Aspekt dieser auf mehr Kinder ausgerichteten Familienpolitik: Die AfD fordert eine Verschärfung des Abtreibungsrechts, das nur noch bei kriminologischen und medizinischen Indikationen gelten soll.

Kommentar Bystron 09.27Zum Ende kam der kreideweiche und demonstrativ relaxte Chrupalla dann doch noch aus der Deckung. Kaeser rechnete ihm vor, dass 54 Prozent der Turbinen, die Siemens Energy in Görlitz herstellt, in Regionen gingen, deren Landsleute seine Kollegin Alice Weidel 2018 im Bundestag als „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“ diffamiert habe. Der AfD-Chef echauffierte sich daraufhin über „ausgenutzte Weltoffenheit“ und „unterwanderte Sozialsysteme“ und die vermeintlichen Integrationsprobleme „afrikanischer Kulturen“ – und brachte schließlich den Nationalismus-Klassiker, in der knuffigeren Chrupalla-Version: „Deutschland muss ein Stück weit deutsch bleiben.“

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