Arbeit: Bürgergeld-Sanktionen: FDP will härter durchgreifen

Wer eine „zumutbare Arbeit“ grundlos ablehnt, soll nach dem Willen der FDP künftig härter bestraft werden. Jüngste Daten zeigen: Bislang wird nur ein Bruchteil der Leistungsbezieher sanktioniert.

Die FDP dringt auf weitere Verschärfungen beim Bürgergeld und setzt die Koalitionspartner von SPD und Grünen damit unter Druck. Wie aus einem Beschlusspapier für das Partei-Präsidium hervorgeht, sollen Jobverweigerern die Leistungen sofort um 30 Prozent gekürzt werden können. Bisher gilt dafür ein Stufenmodell. Zunächst hatte die „Bild am Sonntag“ über das Papier berichtet, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Wie aus Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht, ist bislang nur ein Bruchteil der Leistungsbezieher von Sanktionen betroffen.

In dem FDP-Papier heißt es nun: „Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen.“ Die bisherige Regelung sieht vor, dass das Jobcenter Bürgergeldbeziehern bei der ersten Pflichtverletzung maximal 10 Prozent der Leistungen für einen Monat streichen kann. Danach greift zunächst eine 20-Prozent-Kürzung, ehe die Möglichkeit besteht, die Leistung zeitweise um bis zu 30 Prozent zu kürzen. Das geht der FDP nicht weit genug.

Der „verfassungsrechtliche Spielraum für verschärfte Sanktionen“ müsse ausgenutzt werden, „bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen“, heißt es in der Vorlage, die am Montag im Präsidium der Partei beschlossen und auf dem Parteitag am kommenden Wochenende eingebracht werden soll. 

Kritik an der Reform

Das Bürgergeld war zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten – und löste das umstrittene Hartz-IV-System ab. Ein Kern der Reform sind schwächere Sanktionsmöglichkeiten. Die Bundesregierung wollte mit dem neuen System auf mehr Kooperation mit Betroffenen setzen und weniger auf Druck durch Bestrafung. Ein Punkt, den nicht nur die FDP, sondern vor allem auch die Union scharf kritisiert.

Erst kürzlich hatte die Bundesregierung – auch unter dem Eindruck der Dauerkritik – neue Verschärfungen beschlossen. Seit März können die Jobcenter Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen, wenn diese sich als „Totalverweigerer“ herausstellen. Laut Arbeitsagentur ist dieser zweimonatige Wegfall aller Leistungen aber nur bei „wiederholtem“ Verweigern einer zumutbaren Arbeit möglich. Die Zahl der tatsächlich Betroffenen dürfte überschaubar bleiben. 

Knapp 16.000 Jobverweigerern wurde Bürgergeld gekürzt

Von Februar bis Dezember 2023 zählte die Bundesagentur für Arbeit (BA) 15.774 Fälle von Leistungskürzungen infolge von Arbeitsverweigerung – bei insgesamt rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfängern. Die Gesamtzahl der Fälle, in denen das Jobcenter Leistungskürzungen verhängte, lag im vergangenen Jahr bei etwas mehr als 226.000. Laut BA betrafen die Kürzungen 2,6 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. „Damit kommen 97 von 100 Menschen mit Leistungsminderungen nicht in Berührung“, hieß es dazu. In den Jahren vor der Pandemie waren die Zahlen deutlich höher. So verhängte die BA 2019 noch knapp 807.000 Leistungskürzungen – also fast viermal so viele wie 2023. Einer der Gründe für diesen Rückgang sind nach Angaben der Agentur die schwächeren Sanktionsmöglichkeiten im Bürgergeld-System.

Ob die jüngsten Verschärfungen tatsächlich eine substanzielle Erhöhung der Zahlen zur Folge haben werden, bleibt abzuwarten. Das Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) geht nach eigenen Angaben davon aus, „dass die neue Regelung zu Minderausgaben führt und vor allem eine große präventive Wirkung entfaltet“, wie es auf dpa-Anfrage hieß. Sie bewirke, dass Betroffene „zumutbare Arbeitsangebote nicht ablehnen oder ihre Arbeit bereits zuvor nicht aufgeben“. So werde auch verhindert, dass Menschen überhaupt erst in die Bedürftigkeit abrutschen oder bedürftig bleiben.

Arbeitsmarktexperten sehen die Verschärfung dagegen kritisch. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg wies kürzlich im dpa-Gespräch darauf hin, dass es nicht einfach sei, „schwarze Schafe“ unter den Leistungsbeziehern stets eindeutig auszumachen.

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