Jeder Vierte, so heißt es, fühlt sich einsam. Bleiben jedoch muss das niemand. Ob Ehrenamt, Tierliebe oder ein einfaches Wort – es gibt viele Wege, die Einsamkeit zu überwinden.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schmerzhaft es ist, von anderen Menschen getrennt zu sein. Sich nicht mehr zu treffen, zu riechen, zu umarmen. Schon vorher gab es erschreckend viele Menschen, die einsam waren. Heute sind es noch mehr. Die Folgen sind gravierend, körperliche und psychische Probleme können folgen. Ein Schicksal ist Einsamkeit jedoch nicht – weil man sich selbst daraus befreien kann. Zehn Tipps.
Für Klarheit sorgen
Bin ich einsam? Wer sich das fragt, kann mit sich einem kleinen Test auf die Suche nach einer Antwort begeben. Wissenschaftler drei einfache Fragen entwickelt, um genau diese erste grobe Einschätzung zu bekommen.
1. Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Ihnen die Gesellschaft anderer fehlt?
2. Wie oft haben Sie das Gefühl, außen vor zu sein?
3. Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Sie sozial isoliert sind?
Antworten Sie mit „nie“ gibt es dafür einen Punkt, für „selten“ zwei, für „manchmal“ drei. Für „oft“ können sie vier Punkte notieren und für „sehr oft“ fünf.
Wer am Ende mindestens auf einen Mittelwert von 3 Punkten kommt, gilt Forschern zufolge als sehr wahrscheinlich einsam. Mehr Punkte bedeuten größere Einsamkeit. Natürlich ist das nur ein Anhaltspunkt. Aber einer, der dabei helfen kann, sich zu überlegen, ob man nicht etwas ändern möchte.
Eine(r) von vielen
Wer beim obigen Test einige Punkte zusammen hat, sollte sich zwei Dinge klar machen. Erstens: Einsamkeit ist keine Krankheit. Es ist ein Gefühl, das uns wie Hunger zeigt, dass etwas fehlt. Wer sich einsam fühlt, sollte dieses Gefühl daher als Aufforderung sehen, seinen Wunsch nach Nähe, Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit ernst zu nehmen. Zweitens: Als Einsamer oder Einsame befindet man sich in bester Gesellschaft, denn vielen anderen geht es genauso wie einem selbst. Damit abfinden sollte man sich deswegen jedoch nicht. Oft kann man selbst für die notwendige Veränderung sorgen.
Hallo!
„Hallo“ – das ist manchmal gar nicht so leicht gesagt. Aber es lohnt sich und sei es nur für das Lächeln, das man in vielen Fällen erntet. Es zeigt, dass man – und sei es nur kurz – eine Verbindung zu jemanden aufgebaut hat.
Manchmal erwächst aus einem Gruß auch ein Gespräch, ein Smalltalk zum Beispiel über gemeinsame Bahn-Anekdoten beim Warten auf den Zug, über das Wetter, den Garten oder die Ausstellung, durch die man gerade schlendert. Am Ende des Tages könnten genau diese Minuten darüber entscheiden, ob man mit einem guten Gefühl einschläft. In der nordschwedischen Kleinstadt Luleå gab es genau aus diesem Grund im vergangenen Jahr die Hej-Kampagne gegen Einsamkeit. Auf Bussen und Hauswänden wurden die Menschen dazu animiert, einander auf der Straße einfach mal “Hallo“ zu sagen.
Nächste Woche wieder
Zu den besten Wegen aus der Einsamkeit gehört ein Kontinuum, eine regelmäßige Aktivität mit Gleichgesinnten. Dafür sollte man sich überlegen, was einem Freude macht. Wer gern liest, könnte sich einem Bücherclub suchen. Andere fühlen sich vielleicht in einem Sportverein wohl, einem Chor oder sie probieren einen Volkshochschulkurs aus. Wer nicht das richtige findet, könnte auch selbst eine Gruppe gründen. In England gibt es Geselligkeit sogar auf Rezept. Dort können Ärztinnen, Sozialarbeiter oder auch Gemeindeschwestern ihren Patienten das helfende Miteinander einfach verschreiben. Social Prescribing nennt sich das. Zusammen mit einem so genannten Linkworker oder Koordinator können die Patienten dann aussuchen, ob sie zum Beispiel einen Gruppensport machen wollen, Kochen, Tanzen oder eine Sprache lernen.
Kann ich helfen?
Immer wieder zeigen Studien, dass nicht nur die Lebenszufriedenheit von Menschen steigt, wenn sie sich freiwillig engagieren. Die Arbeit im Ehrenamt ist auch ein gutes Mittel, um die eigene soziale Isolation zu verhindern.
Möglichkeiten, zu helfen, existieren so viele, dass man sie kaum aufzählen kann. Es gibt pensionierte Lehrerinnen, die Kindern bei den Hausaufgaben helfen, Freiwillige, die Jugendliche im Fußballverein trainieren, Bewohnern eines Seniorenheims vorlesen, Essen bei der Tafel verteilen oder im Sozialkaufhaus arbeiten. Wieder andere unterstützen Flüchtlinge bei Behördengängen oder engagieren sich in der Nachbarschaftshilfe. Ideen und Projekte findet man zum Beispiel über „helfenkannjeder.de“ oder „nebenan.de“ Für alle gilt: Bezahlt wird mit dem guten Gefühl, ein wertvoller Mitmensch und Teil einer Gemeinschaft zu sein.
Schön, Dich zu sehen – wenn auch nur auf dem Bildschirm
Virtuelle Kontakte genießen keinen guten Ruf. Doch auch wenn sie ein Treffen mit einem Freund nicht aufwiegen können, haben Treffen per Handy und Computer ihren Wert. Vielleicht ist man gesundheitlich nicht mehr in der Lage, die Schulfreundin von damals zu besuchen oder die Enkel am anderen Ende des Landes. Mit einem Video-Anruf kann man trotzdem an Ihren Leben teilnehmen oder sich einfach ein paar Dinge von der Seele reden, wenn es mal nicht so gut läuft.
STERN PAID Einsamkeitsprotokoll Ulrike S
Auf den Hund kommen
Auch hier sind sich Forscher sicher: Mit einem Haustier ist man oft weniger einsam. Hunde, Katzen oder Vögel sorgen für Gesellschaft. Sie strukturieren den Alltag und sie fordern ihre Besitzer. Denn Tiere müssten gefüttert und gepflegt werden. Dadurch erlebt der Mensch eine Selbstwirksamkeit. Wem das zu viel Verantwortung, Arbeit oder Geld ist, der kann auch zum Teilzeitherrchen werden. Viele Tierheime zum Beispiel freuen sich über Menschen, die Lust haben, mit ihren Hunden spazieren zu gehen. Oder man übernimmt die Pflege der Katze oder der Kaninchen, wenn die Nachbarn im Urlaub sind.
Anfassen erlaubt
Die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood schrieb in The Blind Assassin: „Berührung kommt vor dem Sehen, vor der Sprache. Sie ist die erste Sprache und die letzte“. Tatsächlich ist es der erste aller Sinne, der sich bei Neugeborenen entwickelt und Körperkontakt bleibt ein Leben lang ein menschliches Grundbedürfnis. Immer wieder hat die Wissenschaft gezeigt, wie wichtig er für die geistige und körperliche Gesundheit ist. Angenehme Berührungen bewirken zum Beispiel die Ausschüttung des Glückshormons Oxytocin. Stresshormone werden abgebaut und der Körper entspannt. Nur leben wir in Zeiten chronischer Berührungsarmut. Aus diesem Wissen heraus sind auch Kuschelpartys entstanden, bei denen sich Menschen unter festgelegten Bedingungen anfassen, umarmen, streicheln. Wem das nicht liegt, der kann es mit ganz verschiedenen Arten von Massagen probieren oder sich einfach mal von seinen Freunden umarmen lassen.
Zeit für mich
Auch wenn es nach einem Wiederspruch klingt: Einsamkeit bekämpft man auch, indem man lernt, die Zeit mit sich allein zu genießen: Kaufen Sie sich Blumen, kochen Sie sich etwas Leckeres! Man kann auch eine gute Zeit haben, wenn man ohne Freunde ins Kino geht oder zu einer Ausstellung. Gedanken, wie: „Für mich alleine lohnt sich das nicht!“, sollte man ganz schnell verbannen.
Hilfe holen
Wenn sich die Einsamkeit aber kaum allein bewältigen lässt und man nicht weiß, was man tun sollte, damit es besser wird, dann ist es Zeit, sich Hilfe zu holen. Und die bekommt man unter anderem hier:
Die Telefonseelsorge, Deutschlands bekannteste Krisennummer, erreicht man unter der 0800 111 0 111 und der 0800 111 0 222. Silbernetz, ein Netzwerk gegen Einsamkeit im Alter, hat das Silbertelefon ins Leben gerufen. Auch hier kann man anrufen, wenn man reden möchte. Tel.: 0800 4 70 80 90 Auf krisenchat.de gibt es dagegen eine kostenfreie Beratung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Die „Nummer gegen Kummer“ berät sowohl Kinder und Jugendliche als auch Eltern – am Telefon und online. Kinder und Jugendliche melden sich unter der 116 111, Eltern und der 0800 1110 550 #virtualsupporttalks ist eine Plattform mit über 350 ausgebildeten ehrenamtlichen Zuhörer*innen, die Menschen wertfrei und kostenlos zuhören. Weitere Angebote gibt es hier: https://kompetenznetz-einsamkeit.de/ Hilfe bei der Suche nach Psychotherapeuten gibt es unter anderem bei der Patientenseite: https://www.116117.de/
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