Die Auswahl der Jury im Schweigegeldprozess gegen Donald Trump geht überraschend schnell voran. Der zuständige Richter durchkreuzt damit die Pläne der Verteidigung – und sucht immer wieder die Konfrontation mit dem Ex-Präsidenten.
Die Anwälte von Donald Trump verfolgen in allen vier Strafverfahren gegen den Ex-Präsidenten eine einheitliche Strategie: Rauszögern, was sich rauszögern lässt, solange es nur irgendwie geht. Am zweiten Tag des Schweigegeldprozesses zeigte sich, dass das hier nicht so einfach werden dürfte. Noch am Morgen stand kein einziger Geschworener für den Prozess fest, am Abend waren es schließlich sieben. Richter Juan Merchan führte straff durch den Tag.
Eine Kandidatin fragte den Richter, ob die Hochzeit ihrer Schwester an einem Sonntag im September einen möglichen Terminkonflikt darstellen würde. Merchan witzelte: „Wenn wir im September noch hier sein sollten, wäre das ein großes Problem.“ Danach wurde sie zur Geschworenen berufen. Sechs bis acht Wochen sind für das Verfahren angesetzt und dabei soll es nach dem Wunsch des Richters bleiben.
Analyse Schweigegeldprozess Tag 1 6:23
Trump muss also noch vor dem Wahltag eine Verurteilung fürchten. Bei den vorherigen Verfahren handelte es sich um Zivilklagen. Sollte die Jury zu der Überzeugung kommen, Trump habe tatsächlich vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 Geschäftsunterlagen gefälscht, um eine Schweigegeldzahlung an eine frühere Pornodarstellerin zu vertuschen, wäre er ein verurteilter Straftäter. Beim Strafmaß sind von einer Geldstrafe bis zu 20 Jahre Haft viele Möglichkeiten denkbar, eine lange Haftstrafe gilt aber als nicht sehr wahrscheinlich.
Trump hofft auf ihm wohlgesonnte Persönlichkeiten in der Jury. Am ersten Tag meldeten sich fast 50 von 100 Jury-Kandidaten, die sagten, sie könnten keinesfalls fair und unvoreingenommen in einen Prozess gegen Trump gehen. Sie wurden allesamt aus dem Jurydienst entlassen.
Donald Trump möchte geliebt werden
Am zweiten Tag traf der Ex-Präsident auf einige Leute, die seine Laune heben konnten, zumindest für kurze Augenblicke. Ein Jury-Kandidat sagte bei seiner Befragung, er habe drei Bücher von Donald Trump gelesen, nannte „The Art of the Deal“ und „How to Get Rich“. An den dritten Titel kann sich der Mann zwar nicht mehr erinnern. Für den früheren TV-Entertainer war dieser Moment dennoch ein kleiner Erfolg. Er lachte und nickte eifrig.
Ein anderer Kandidat merkte an, wie lange er Trumps Werdegang schon verfolgt. „Ich war ein großer Fan von The Apprentice (Deutsch: Der Lehrling), als ich in der Oberschule war“, sagte der Mann, der heutzutage als Anwalt tätig ist. Über viele Jahre hatte Trump als Gastgeber durch die Fernsehsendung geführt. Er war schon davor einer breiten Öffentlichkeit bekannt, konnte seine Popularität durch die Show aber noch weiter steigern.
Wenn Trump im Prozess mit Aussagen konfrontiert wird, die ihn stören, lässt er das nicht auf sich sitzen. Sein Anwalt fragte eine Kandidatin nach einem Video, das sie am Wahltag 2020 in sozialen Medien gepostet hatte. Darin wird offenbar die Wahlniederlage Trumps auf einer Straße in New York gefeiert. Die Kandidatin antwortete, dass sie zufällig auf die Leute gestoßen sei und den Moment als historisch wahrgenommen habe. Der Ex-Präsident kommentierte die Ausführungen der Kandidaten, was der Richter kritisierte. „Das werde ich nicht dulden“, sagte Merchan. „Ich werde in diesem Gerichtssaal keine Geschworenen einschüchtern lassen.“ Trump war außer sich in diesem Moment.
Merchan verweigert die Anrede „President Trump“
Das Verhältnis zwischen Trump und Merchan war schon angespannt, bevor der Prozess überhaupt begonnen hatte. Seit Wochen attackiert der Republikaner den Richter, wirft ihm vor, parteiisch zu sein und ging sogar auf dessen Tochter los. Merchan erließ eine sogenannte gag order. Aufgrund dieses richterlichen Maulkobrs darf sich Trump nicht mehr öffentlich über Zeugen, Geschworene, Gerichtsmitarbeiter, Staatsanwälte oder sonstige am Prozess Beteiligte äußern. Mit seinen immer neuen Attacken testet Trump aus, wie weit er trotz Verbot gehen kann, bevor er bestraft wird.
Der Richter spricht den Angeklagten indes immer als „Mister Trump“ an. Die höfliche Anrede als „Mister President“, die bei ausgeschiedenen Staatschefs in den USA weiterhin üblich ist, kommt Merchan nicht über die Lippen.