Taylor Swift: Willkommen im Club der gequälten Dichter

„Tortured Poets Department“ heißt das neue Album von Taylor Swift. Dabei kann die Sängerin gar keinen eigenen Gedichtband vorweisen – im Gegensatz zu anderen Stars. Hier kommen die besten und peinlichsten Poeten der Popgeschichte.

Ihre Songtexte dienen an Universitäten als Studienobjekt, einen Ehrendoktor für Kunstwissenschaften hat sie auch. Für ihre Lyrics lässt Taylor Swift sich gerne von Shakespeare inspirieren, und der Name ihres neuen Albums „Tortured Poets Department“, das Freitag erscheint, könnte auch Titel eines Schreibseminars sein. Selbst eine eigene Bücherei hat Swift gerade eröffnet, wenn auch nur für drei Tage: In Los Angeles‘ Shopping Mall „The Grove“ können Fans sich die Wartezeit bis zur Platte mit Stöbern und Blättern verkürzen. Doch eines haben Tupac Shakur, Patti Smith und Drake der 34-Jährigen dann doch voraus: Sie haben eigene Gedichtbände herausgebracht. Wobei freilich nicht alle ihre Reime so nobelpreisverdächtig geraten sind wie die eines Bob Dylan. Oder?

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John Lennon: der Wortspieler
 
Er war der erste Popstar, der ein eigenes Bändchen mit Gedichten und Kurzgeschichten veröffentlichte. Damit spaltete er den Literaturbetrieb 1964 in zwei Lager – in „Huch, der kann ja schreiben!“ und „Hilfe, der kann ja gar nicht schreiben!“. Passenderweise hieß das Buch auch „In seiner eigenen Schreibe“ (erhältlich über Amazon): ein Sammelsurium von Nonsens, Klamauk und bizarren Wortspielen, das manche an Lennons kognitiven und grammatikalischen Fähigkeiten zweifeln ließ. Es beginnt schon mit dem ersten Satz: „Es war einmal ein Mann, der teilweise Dave war …“ und setzt sich fort mit Titeln wie „Keine Fliegen auf Frank“, „Beim Zahnarscht“, „Die Albernsbagger Meinungsdummfrage über das Fernsägen“ oder „Heilbutt kehrt Zürich“. Natürlich war Lennon sehr wohl des Englischen mächtig und ließ sich vor allem von Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ inspirieren.

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Bob Dylan: der Nobelpreisträger

Der einzige Popstar mit Nobelpreis – verliehen für „neue poetische Ausdrucksformen in der amerikanischen Song-Tradition“, wie 2016 die Begründung lautete. Von sich selbst sagte Dylan einmal, dass ihm die Dichtung so wichtig gewesen sei wie die Musik, und trotzdem veröffentlichte er seine Lyrik lieber auf Tonträgern als in Buchform. Die Gedicht- und Prosasammlung „Planetenwellen“ (Hoffmann und Campe, 2017) gibt Einblick in Dylans frühe Werke, in denen er etwa über seine Heimatstadt und ersten Idole schreibt. Sehr launig, aber ein Hit wäre es wohl nicht geworden, wie die Auszüge aus „Mein Leben in einem gestohlenen Moment“ zeigen:
… Hibbing ist eine gute alte stadt
Ich lief aus ihr fort als ich 10,12, 13, 15, 15 ½, 17 und 18 war
Ich wurde immer wieder erwischt und zurückgebracht bis auf ein mal
Ich schrieb meinen ersten song für meine mutter und nannte ihn „Für Mutter“
Ich schrieb ihn in der fünften klasse und der lehrer gab mir eine 2 plus
Ich fing mit elf zu rauchen an und hörte nur einmal kurz auf um luft zu holen …

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Leonard Cohen: der schwarze Romantiker

Eigentlich habe er nur deshalb zur Gitarre gegriffen, weil er als Dichter noch weniger verdiente denn als ein Feierabend-Musiker, sagte Leonard Cohen mal im Scherz. Seit seinem ersten Lyrikband „Parasiten des Himmels“ 1956 veröffentlichte der Kanadier immer wieder Gedichtbände, auch wenn keiner an den Erfolg von Songklassikern wie „Suzanne“ oder „Hallelujah“ heranreichen konnte. Verdient wäre es gewesen, wie auch die posthum erschienene Lyrik- und Notizsammlung „Die Flamme – The Flame“ (Kiepenheuer & Witsch, 2016) beweist. Denn auch hier zeigt sich Cohen als der „schwarze Romantiker“, den die Fans so liebten:
Ich bin alt geworden / auf Hunderte Arten / doch mein Herz ist jung / & es singt noch immer / über die Liebe / über den Tod“

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Patti Smith: die Punk-Poetin

Bei Patti Smith stand am Anfang das Wort und nicht der Akkord: Sie begann ihre Karriere als Dichterin mit Lesungen in New Yorker Clubs. Doch die Poesie und ihre Vorbilder William S. Burroughs und Arthur Rimbaud haben sie niemals losgelassen – rund zwei Dutzend Bücher hat Smith in den vergangenen 50 Jahren geschrieben, Sammlungen wie „Babel“ und die gefeierten Biografien „Just Kids“ und „M Train“. Immer wieder erkundet sie dabei ihre Kindheit, und die Bilder, die sie dabei findet, sind wie Musik. Wie die Anfangszeilen von „Tanz in der Scheune“ aus „Traumsammlerin“ (Kiepenheuer & Witsch, 2013):
„Die Gedankenwelt eines Kindes ist wie ein Kuss auf die Stirn – offen und unbefangen. Sie dreht sich wie die Ballerina auf einer mehrstöckigen Geburtstagstorte mit viel Zuckerguss, giftig und süß.“
 

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Lana Del Rey: die Poppige

Zuerst sollte es nur ein schmales Heftchen werden, das Lana del Rey selbst binden und zum Preis von bloß einem Dollar verkaufen wollte. Dann aber erschien „Violent Bent Backwards Over The Grass“ (Simon & Schuster, 2020) als 128-Seiten-Band, begleitet von einem opulenten Spoken Word Album mit Hintergrundmusik. Leider ein Prachtbeispiel dafür, dass Pop-Lyrik als Songtext sehr poetisch und tief sein kann, aber als Gedicht sehr prosaisch und seicht. 
„Paradise Is Very Fragile
And It Seems Like It’s Only Getting Worse
Our Leader Is A Megalomaniac
And We’ve Seen That Before
But Never ‘Cause It Was What The Country Deserved
(Das Paradies ist sehr zerbrechlich
Und es scheint, dass es immer schlimmer wird.
Unser Führer ist ein Größenwahnsinniger
Und das haben wir schon zuvor gesehen,
aber nicht, weil es das war, was das Land verdient)

© Chris Delmas / AFP

Drake: der Aufgeblasene

„Ich weiß nicht, ob ich mir jemals in meinem Leben sehnlicher gewünscht habe, dass die Leute etwas mehr kaufen oder unterstützen.“ Das verlautbarte der Rapper Drake, als vergangenes Jahr sein erster Gedichtband erschien – mit dem hübschen Titel „Titel ruinieren alles“. Das Problem von „Titles Ruin Everything“ (Phaidon, 2023): Drakes Reime ruinieren auch so einiges. Oft sind es nur kurze Sinn- und Unsinnsprüche, die auf zwei Seiten aufgeblasen werden. Kleine Geschmacksprobe? Triggerwarnung: Sie werden sich danach die Zähne putzen wollen! Bitte schön:
„There Are Two Types Of Women In This World / Women Who Like Giving Head And Women Who I Don’t Like”
(Es gibt zwei Arten von Frauen auf dieser Welt / Frauen, die gerne einen blasen, und Frauen, die ich nicht mag)

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Tupac Shakur: der Rap-Reimer

Nicht nur die Musik des 1996 erschossenen Rappers war ein Phänomen – auch sein knapp zehn Jahre später bei Simon & Schuster veröffentlichte Lyrik-Kollektion mit Gedichten, die er als Teenager geschrieben hatte. Tupac-Fans pilgerten in die Buchhandlungen, und als die Audio-Version herauskam, knackte sie sogar die Top 200 der Pop-Charts. Die Gedichte behandeln den Ghetto-Alltag, sind aber auch ganz verblümt romantisch wie das zuckrig betitelte „The Rose That Grew From Concrete“ (Simon & Schuster, 2005):
Did You Hear About The Rose That Grew From A Crack In The Concrete?
Proving Nature’s Law Is Wrong It Learned To Walk With Out Having Feet.
Funny It Seems, But By Keeping It’s Dreams, It Learned To Breathe Fresh Air.
Long Live The Rose That Grows From Concrete When No One Else Cared
(Hast Du von der Rose gehört, die aus einem Riss im Beton wuchs?
Sie widerlegte das Gesetz der Natur und lernte ohne Füße zu laufen.
Lustig so scheint’s, aber indem sie ihre Träume verfolgte, lernte sie frische Luft zu atmen.
Lang lebe die Rose, die aus einem Riss im Beton wuchs, während es niemanden sonst kümmerte)

© Brynn Anderson/AP/dpa

Alicia Keys: die Tränenreiche

Darauf konnten sich nicht einmal ihre Fans einen Reim machen: Mitte der 2000er, Alicia Keys war eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt, erhielt sie ein Angebot, zu dem sie besser nein gesagt hätte – ob sie ein Buch veröffentlichen wolle? Es erschien „Tears for Water“ (Penguin, 2005) mit den Texten ihrer ersten beiden Hit-Alben und 27 Gedichten. Die Kritiken waren vernichtend. Gerne hätte man die damals erst 24-Jährige verteidigt, doch leider machten Zeilen aus dem Poesiealbum das unmöglich:
„Sometimes I feel/ like I don’t belong anywhere/And it’s going to take so long/for me to get somewhere”
(Manchmal fühle ich mich / als ob ich nirgendwo hingehöre / Und es wird so lange dauern / bis ich irgendwo ankomme)

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