US-Wahl 2024: Was macht eigentlich: Kamala Harris? US-Vizepräsidentin meldet sich zum Dienst zurück

Kamala Harris, erste Vizepräsidentin der USA, galt einmal als gesetzte Nachfolgerin von Joe Biden. Doch schnell verblasste ihr Stern. Nun, wo sich die Zweifel an der Fitness ihres Chefs mehren, meldet sie Führungsansprüche an. 

Sie ist noch da. Seit drei Jahren haben die USA ihre erste Frau im Weißen Haus, doch öffentlich findet Kamala Harris kaum statt. Jetzt hat sich die US-Vizepräsidentin wieder zu Wort gemeldet – kaum zufällig zu einem Zeitpunkt, an dem das Land über den geistigen Zustand des ihres Chefs Joe Biden lamentiert. 

Kamala Harris ist bereit zu führen

„Ich bin bereit, meinem Land zu dienen. Daran gibt es keinen Zweifel“, sagte die Demokratin in einem Interview mit den „Wall Street Journal“. Jeder, der sie bei der Arbeit sehe, komme zu dem Schluss, dass sie in der Lage sei, zu führen, so Harris weiter. Führungskraft ist in den USA die höchste aller Tugenden, doch als Nummer zwei im Land ist sie den Beweis darüber bislang weitgehend schuldig geblieben.

Nichtsdestotrotz hat ihr Team ihre Botschaft im Gespräch mit dem Wirtschaftsblatt punktgenau ausgesendet – zwei Tage vor der Veröffentlichung eines Berichts eines Sonderermittlers, der wenig schmeichelhafte Urteile zum Erinnerungsvermögen von Präsident Biden fällt. Sonderermittler Robert Hur hatte sich in dem Bericht mit der Dokumentenaffäre des 81-Jährigen befasst und auf eine Anklage verzichtet.

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In der Untersuchung ging es eigentlich um Geheimdokumente aus dem Weißen Haus, die Biden verbotenerweise mitgenommen hatte. Robert Hur schrieb nach Gesprächen mit dem Präsidenten, Biden sei ein „wohlmeinender älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis“, dessen Erinnerungsvermögen „signifikant eingeschränkt“ sei. 

Direkt nach Veröffentlichung des Berichts war der US-Präsident vor die Presse getreten und schimpfte: „Ich bin ein älterer Mann, und ich weiß, was zum Teufel ich tue.“ Bei dem zornigen Auftritt unterlief ihm gleich der nächste peinliche Patzer, als er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zum Staatschef von Mexiko machte. Der erneute Verhaspler brachte ihm viel Spott ein. 

Versprochen: Joe Biden kandidiert weiter

Biden ist der älteste US-Präsident aller Zeiten und möchte bei der anstehenden Wahl im November für eine zweite Amtszeit antreten. Sein hohes Alter ist das größte Problem für seine Wiederwahlkampagne, da ihm regelmäßig Versprecher und Fauxpas passieren, die politische Angriffsfläche bieten. Dass nun ein Sonderermittler des Justizministeriums in einem offiziellen Bericht Zweifel an der mentalen Verfassung des Präsidenten äußerte, hat besondere Sprengkraft für den Wahlkampf. 

Eigentlich hatte Joe Biden vor der letzten Präsidentschaftswahl angekündigt, dass er sich kein zweites Mal für das Amt aufstellen lässt und daher demonstrativ seine Vizepräsidentin Harris in den Mittelpunkt gestellt – zum einen als sein Ersatz für den Fall, dass er selbst unpässlich wird, aber auch als mögliche Nachfolgerin.

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Doch Harris erfüllte die in sie gesetzten Hoffnungen nicht. Innerhalb ihres Teams kommt es immer wieder zu offenkundigen Unstimmigkeiten und auch ihr Arbeitsschwerpunkt ist undankbar. So sollte sie sich zur Profilierung um den Bereich Einwanderung an der US-Südgrenze kümmern – eines der am heftigsten diskutierten Themen in den USA. Und eines der am schwierigsten zu lösenden. 

Die US-Grenzpolizei meldet täglich etwa 10.000 irreguläre Grenzübertritte aus Mexiko. Die meisten Migranten stammen aus Venezuela, Haiti, Kuba und Ecuador und nutzen Mexiko als Transitland. Der südliche US-Nachbar ist daher ebenfalls bemüht, die Einwanderung einzudämmen. Das Land hat sich aber bereiterklärt, zumindest zeitweise Migranten aufzunehmen, die über die Grenze in die USA einreisen wollen. Am Druck an der Südgrenze aber hat das Abkommen bislang nichts geändert.

Texas verschickt Migranten nach New York 

Die konservativen Republikaner werfen der US-Regierung und damit auch Kamala Harris vor, ungehindert hunderttausende Ausländer ins Land zu lassen, und schüren Ängste vor einer Zunahme von Kriminalität und Drogenproblemen. Der Bundesstaat Texas etwa chartert regelmäßig Busse, um Einwanderer nach New York zu transportieren. In der Stadt hat jeder Neuankömmling das Recht auf eine Unterkunft. Doch die schieren Menschenmengen überfordert mittlerweile die Infrastruktur der Metropole.

Um die unpopuläre Stellvertreterin wieder aufs Gleis zu bringen, soll sie zum Gesicht für das Wahlkampfthema „Recht auf Abtreibung“ werden. Damit waren die Demokraten schon bei den Zwischenwahlen 2022 erfolgreich. Nach einem Urteil des obersten US-Gerichts entscheiden die einzelnen Bundesstaaten darüber, ob Schwangerschaftsabbrüche legal sind oder nicht. Seitdem haben sie etwa 20 Staaten, vor allem im Süden der USA, verboten oder stark eingeschränkt. 

Älteste Staatsoberhäupter der Welt   11.03

Die Wahlfreiheit bezüglich Abtreibungen ist für die meisten Frauen (und viele Männer) ein sehr wichtiges Thema, wodurch sich damit politisch punkten lässt. Die 59-jährige Harris, die von der republikanischen Opposition bei jeder Gelegenheit verunglimpft wird, erntete kürzlich ein seltenes und wohl unbeabsichtigtes Lob im rechten Sender Fox News. „Was Kamala (mit ihrer Kampagne für das Recht auf Abtreibung) tut, hat einen starken Einfluss auf junge Frauen“, sagte die ehemalige Sprecherin von Donald Trump, Kayleigh McEnany.

Vielleicht gelingt es Kamala Harris kurz vor Ende ihrer Amtszeit doch noch, in die Spur zurückzukehren.

Quellen:Wall Street Journal„, Fox News, „The Hill„, DPA, Reuters, „Nation Review

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