Sam Bankman-Fried wurde als Krypto-Wunderkind gefeiert – bis seine Börse implodierte. Nach einem Betrugsprozess wurde er nun zu 25 Jahren Haft verurteilt. Das Nachsehen hat die Szene.
Bis zuletzt hatte Sam Bankman-Fried das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben. Sich rausreden zu können. In den Wochen und Monaten nach dem krachenden Ende seiner Kryptobörse FTX äußerte er sich fast täglich gegenüber Journalisten, auf Events und auf Twitter – gegen den Rat seiner Anwälte. Warum auch nicht? Schon mit 29 Jahren war er einer der reichsten Menschen auf diesem Planeten. Alles, was er bis dahin angefasst hatte, schien Gold zu werden.
Von dem Strafmaß dürfte er deshalb überrascht sein – obwohl es eigentlich nicht besonders überraschend kommt. Das zeigt schon die Deutlichkeit der Worte, die Richter Lewis Kaplan bei der Urteilsbegründung wählte: „Die Strafe muss der Schwere des Verbrechens entsprechen. Und das war ein schweres Verbrechen“, sagte er. Hoffnungen von Bankman-Fried, die Strafe könne wegen der zuletzt in Aussicht gestellten Entschädigungen für Anleger milder ausfallen, erstickte Kaplan im Keim: „Ein Dieb, der seine Beute nach Las Vegas bringt und dort erfolgreich Wetten abschließt, hat keinen Anspruch auf eine Strafminderung – selbst wenn er sie zurückgibt“.
Reine Gier: Sam Bankman-Fried veruntreute 8,7 Milliarden US-Dollar
Der gefallene Krypto-König setzte sich und starrte auf seinen leeren Tisch. Bankman-Fried hatte zuvor in zwei Fällen von Betrug und fünf Fällen von Verschwörung auf nicht schuldig plädiert. Offenbar auch für seine Verteidiger aussichtslos. Sie forderten letztlich eine Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren. Dass es nun 25 statt der erwarteten 50 oder gar 100 wurden, bildet im filmreifen Drama um den FTX- Gründer den vorläufigen Höhepunkt.STERN C Sam Bankman-Fried 10.08
Seine Geschichte zeigt wieder einmal, wozu Krypto-Gründer mit viel Überzeugungskraft im Stande sind. Anleger wähnten ihr Geld bei der damals drittgrößten Kryptobörse der Welt sicher, der Gründer wurde schließlich hochgelobt und schaffte es sogar auf das Forbes-Cover. Doch im Hintergrund brachte er seine Kunden um viel Geld, rund 8,7 Mrd. US-Dollar hat er aus reiner Gier veruntreut. Ihm wird vorgeworfen, Kundengelder verwendet zu haben, um Schulden seines Hedgefonds Alameda Research zu decken. Außerdem trennte er laut Anklage die Firmen- und Kundengelder nicht ordnungsgemäß.
Mehr als 60 prominente Geldgeber, darunter Softbank, Ribbit, Sequoia und auch Coinbase, steckten mehr als 1,9 Mrd. Dollar in FTX. Das Unternehmen wuchs und wuchs und arbeitete intensiv an seiner Markenbekanntheit. Bankman-Fried kaufte für 19 Jahre die Namensrechte für das Stadion der Miami Heat – und der Star der US-Footballliga, Tom Brady, wurde zum „Ambassador“ ernannt.
Sein wahres Gesicht: arrogant und selbstverliebt
Während der Gründer in der Öffentlichkeit weiterhin bescheiden, vertrauenswürdig und gutmütig auftrat, zeigt sich auf der Anklagebank sein wahres Gesicht: Er war arrogant und selbstverliebt. Die Fakten sprachen klar und deutlich gegen ihn und er beteuerte weiterhin stur und fälschlicherweise, dass das Geld sicher gewesen sei. Er hörte einfach nicht auf sich herauszureden.
Noch vor anderthalb Jahren hatte Bankman-Fried bei der Finance-Forward-Konferenz von Capital und OMR um Vertrauen geworben. „Wir behandeln Kundengelder als die wichtigsten Assets auf FTX – das sind die, die wir unter allen Umständen zurückzahlen werden“, sagte er damals dem Publikum in Hamburg. Angesichts der Entwicklungen seither klingt das heute wie blanker Hohn.
Immerhin: Anleger dürfen wohl auf eine Entschädigung hoffen. Diese stellte FTX bei einer Gerichtsanhörung im Januar in Aussicht. Rückzahlungen sollen jedoch lediglich zum Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar zum Stichtag des Insolvenzantrags von FTX erfolgen. Mit anderen Worten: Eine Erstattung der ursprünglichen Krypto-Bestände – die nach heutigem Kurs etwa beim Bitcoin ein Vielfaches wert wären – wird es nicht geben.
Den weitaus größeren Schaden trägt ohnehin die gesamte Krypto-Community davon. Ihr hat Sam Bankman-Fried einen Bärendienst erwiesen. Werden Kryptowährungen ohnehin häufig mit Geldwäsche, Drogenhandel und Terrorismusfinanzierung in Verbindung gebracht, dürften Regulierungs- und Strafverfolgungsbehörden als Lehre des FTX-Skandals nun noch härter gegen Unternehmen aus der Branche vorgehen. Im Sinne vieler Krypto-Anhänger ist das nicht – schließlich träumen sie schon lange von dem Tag, an dem Währungen wie Bitcoin endlich als Zahlungsmittel von der breiten Bevölkerung akzeptiert werden.