Königsklasse: Warum die Formel 1 unter jungen Frauen immer beliebter wird

Die Formel 1 stand früher für schnelle Autos und hübsche Kerle. Doch das Image hat sich stark gewandelt. Junge Frauen entdecken die Rennserie für sich: als Fans, Fahrerinnen und in einer ganzen Reihe von Berufen.

Die Formel 1 wird jung und weiblich: Die Königsklasse, einst typische Männerdomäne, ist zum Trend unter jungen Frauen geworden. Das zeigt sich nicht nur an der Rennstrecke, sondern auch in den sozialen Medien. Zunehmend berichten Blogger:innen über den Rennsport,  Fahrer:innen teilen Einblicke ihrer Profikarriere im Netz und immer mehr junge Frauen konsumieren diese Inhalte.    

Zwei dieser Blogger:innen sind Charlotte und Jannis. Sie betreiben die Tiktok– und Instagram-Accounts „TheGenZ1“ und informieren seit Beginn der Saison 2023 über alles rund um die Formel 1. Schon seit dem Start hatten sie laut eigenen Angaben sowohl auf Instagram als auch auf Tiktok etwa 80 Prozent weibliche Follower. Dem stern sagten sie: „Wir merken auf jeden Fall, wie sich immer mehr Fahrer aktiv in den sozialen Medien vermarkten wollen. Und auch Fans, die genauso wie wir Accounts erstellen, gibt es immer mehr – das merken wir allein daran, wenn wir schauen, wer uns so Neues folgt.“ 

Formel-1 Tiktok

Ein Grund für die Beliebtheit der Formel 1: „Drive to Survive“ auf Netflix

Zur Popularität der Formel 1 trägt aktuell auch die Netflix-Serie „Drive to Survive“ bei. Sie bietet einen Einblick in die Hintergründe rund um die Rennwochenenden, bedient allerdings auch ein Klischee-Frauenbild, das der vermeintlich typischen weiblichen Formel-1-Fans: Frauen, die die oberste Rennklasse nur wegen des Dramas verfolgen – und der hübschen Fahrer.  Diesem Klischee widersprechen Charlotte und Jannis. Und auch der Blick in ihre Kommentarspalte zeigt: Es geht dort sachlich zu.  Man tauscht sich aus, die Diskussionen sind fachbezogen. Die Influencer erklären: „Wir sehen in unseren Kommentarspalten so unglaublich viel Fachwissen und Passion, das zeigt, dass das Interesse weit über Netflix hinaus geht.“     

Die steigende Anzahl der weiblichen und auch der jungen Fans der Formel 1 lässt sich nicht nur auf Social Media beobachten, sondern auch statistisch belegen. Eine globale Fan-Umfrage aus dem Jahr 2021 hat 167.302 Zuschauer:innen befragt und zeigt: Junge Frauen haben den Rennsport für sich entdeckt. 63 Prozent der Befragten sind unter 34 Jahren alt. Und seit der vorhergehenden Umfrage 2017 ist der Frauenanteil von etwa 10 Prozent auf 18,3 Prozent gestiegen. Die wachsende Tendenz ist deutlich erkennbar.     

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Silvia Schweiger ist stellvertretende Leiterin der Sportmarketingagentur RTR Sports und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Branche. Sie hilft Unternehmen, die in den Motorsport investieren wollen und hat diesen Wandel aus erster Hand miterlebt. Dem stern sagte sie: „Die Formel-1 hat sich von einem überwiegend männlichen Publikum zu einer lebhaften und begeisterten Gruppe junger Frauen entwickelt, die die Tribünen füllen.“ Diese wachsende Beliebtheit hat unterschiedliche Ursachen. Ein wichtiger Aspekt sei, so Schweiger, dass verschiedenen weiblichen Stimmen und Rollen in der Formel 1 mehr Raum gegeben werde und sie in vielen Bereichen verstärkt würden.    

Branche bietet Frauen auch interessante berufliche Perspektiven

Inzwischen gibt es zum Beispiel die W-Series und die Formel-1-Academy, die sich beide darauf konzentrieren, Fahrerinnen zu fördern. Und auch neben der Strecke steigt der Frauenanteil. Die Marketing-Expertin äußert sich deutlich: „Junge Frauen sehen mehr Zukunftschancen in dieser Branche: Wir sehen Ingenieurinnen, Aerodynamikerinnen an der Strecke, Mechanikerinnen und Fahrerinnen.“    

Beobachter und sprechen von einem regelrechten Boom bei den neuen Zielgruppen – herbeigeführt vor allem von Marketingstrategien, die auf eine diversere Außenwirkung abzielen. Aber auch die Netflix-Serie „Drive to Survive“ habe einen großen Anteil an der Entwicklung, trotz des etwas antiquierten Frauenbildes.   

Marketing-Expertin Silvia Schweiger begründet die steigende Beliebtheit der Rennserie bei den neuen Zielgruppen vor allem mit der starken Social-Media-Präsenz ihrer Akteure. Denn inzwischen sind die Teams, die Formel 1 und die einzelnen Fahrer sehr aktiv auf diversen Social-Media-Plattformen vertreten. Auf Instagram folgen dem offiziellen Formel-1-Account fast 27 Millionen Menschen. Auf Tiktok sind es 8,1 Millionen. In der Saison 2023 wurde ein Rennen in Hochformat live auf Tiktok gestreamt – kostenlos zugänglich für alle User:innen.    

Dieser Einblick auf Social Media hat eine wahre Kettenreaktion ausgelöst. Es wird immer mehr Content produziert und immer mehr konsumiert – besonders von Frauen. Silvia Schweiger sagt, es gibt eine „ganz neue Gruppe junger Reporterinnen, Journalistinnen, Bloggerinnen, Inhaltserstellerinnen und Fahrerinnen: Sie sind jung und technisch versiert, sie haben eine Stimme in den sozialen Medien und Frauen können sich mit ihnen identifizieren und sich inspirieren lassen.“    

Formel-1-Start: Auf diese Fahrer sollten sie am meisten achten16:53

Eine Frau, die diesen Wandel in der Rennbranche beruflich begleitet, ist die ntv-Sportmoderatorin Alessa-Luisa Naujoks. Bei dem Saisonauftakt 2024 in Bahrain berichtete sie an der Strecke über das Rennen. Sie weiß aber auch, wie schwer es ist, sich in einer Männerdomäne beweisen zu müssen. Obwohl die 29-Jährige bereits seit Jahren erfolgreich als Sportmoderatorin arbeitet, erklärt sie gegenüber dem stern, sie habe noch immer das Gefühl, ihr Job sei ein Kampf gegen Vorurteile. Sie sagt: „Vor Ort waren wir Frauen im Paddock in Bahrain klar in der Unterzahl.“ Doch obwohl noch lange keine Ausgeglichenheit der Geschlechter herrscht, erkennt auch sie den Wandel in der Branche: „Grundsätzlich habe ich schon den Eindruck, dass sich immer mehr Frauen für den Sport begeistern“, sagt sie.    

Einen ähnlichen Eindruck haben die Blogger:innen Charlotte und Jannis. Sie vermuten ebenfalls, dass „Maßnahmen wie die W-Series, die F1-Academy, Content-Creator:innen, die aktiv auch junge Frauen ansprechen und ein allgemeiner „how hard can it be? Boys do it!“-Wandel in der Gesellschaft, zum Wachstum von weiblichen Fans im Rennsport beitragen.“  

Die Formel 1 ist also mitten im Wandel. Und dieser ist jung – und weiblich.

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