Länder mit Bedenken: Stirbt das Cannabis-Gesetz im Bundesrat oder stirbt es nicht?

Letzte Hürde? Oder finales Scheitern? Der Bundesrat entscheidet über das Schicksal des umstrittenen Cannabis-Gesetzes. Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnt, das Vorhaben könne „sterben“. Die wichtigsten Fakten.

Wieder muss Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hinter den Kulissen Cannabis-Überzeugungsarbeit leisten. Telefoniert, um Zweifler und Gegner auf seine Seite zu ziehen. Verspricht mit einer Protokollerklärung im letzten Moment doch noch ein paar Änderungen an den Plänen zur Teillegalisierung von Cannabis. Zwar hat der Bundestag das Gesetz aus seinem Haus nach längerem Hin und Her beschlossen. Dieses soll unter anderem den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlauben, in den eigenen vier Wänden sogar von bis zu 50 Gramm oder den Anbau von drei Pflanzen. 

Doch die letzte Hürde ist noch nicht genommen: An diesem Freitag ist das umstrittene Vorhaben im Bundesrat auf der Tagesordnung. Und in den Ländern gibt es viele Bedenken. So warnten bereits im Februar die Landesinnenminister in einem Brief davor, dass durch die Pläne die organisierte Kriminalität zunehmen könnte. Jüngst haben gleich drei Ausschüsse des Bundesrats – Gesundheit, Innen, Recht – Änderungen an dem im Bundestag verabschiedeten Gesetz angemahnt.

Cannabis-Gesetz: In den Ländern gibt es Bedenken

Das Gesetz ist kein sogenanntes Zustimmungsgesetz – der Minister und alle, die die rasche Legalisierung befürworten, sind dadurch nicht darauf angewiesen, dass eine Mehrheit der Länder dem Gesetz tatsächlich aktiv zustimmt. Sie müssen aber hoffen, dass es nicht zu einer Anrufung des Vermittlungsausschusses kommt. Dieses Gremium ist dafür da, einen Kompromiss zu finden, wenn es keinen Konsens zwischen Bundestag und Bundesrat gibt. 

Ein Vermittlungsausschuss würde das Gesetz verzögern, es könnte nicht wie geplant zum 1. April in Kraft treten. Manche fürchten sogar, dass es dadurch in dieser Legislatur gar nicht mehr kommen könnte. Nicht zuletzt der Gesundheitsminister selbst. 

FS So kifft das Kabinett 6:08

Ob es tatsächlich so kommt, ist schwer vorherzusehen. In nicht wenigen Fällen sind die Koalitionspartner in den Ländern verschiedener Auffassung. Soll der Vermittlungsausschuss angerufen werden, oder nicht? Und wenn ja, in welcher Form? Für das Gesetz ingesamt, oder nur für einen bestimmten Aspekt? 

Fest steht: Es gibt zahlreiche, auch gewichtige Bedenken. Eines davon ist eine im Gesetz festgeschriebene Amnestieregelung. Diese sieht vor, dass solche Strafen in Bezug auf Cannabis rückwirkend erlassen werden, die noch nicht oder noch nicht vollständig vollstreckt sind. Unter anderem der deutsche Richterbund hat deshalb vor einer Überlastung der Justiz gewarnt. Für viele Länder kommt die Regelung außerdem zu kurzfristig, sie soll schon ab dem 1. April gelten. 

Äußerungen der Union dürften einige aufgeschreckt haben

In der vergangenen Woche sah es denn für den Gesundheitsminister düster aus. Ausgeschlossen ist ein Vermittlungsausschuss zwar immer noch nicht, doch inzwischen könnte sich der Wind gedreht haben. Darauf dürfte auch eine Protokollerklärung Einfluss gehabt haben, in welcher Lauterbach einige Anpassungen verspricht. Auch wenn er von der Amnestieregelung nicht abrückt: Die Bundesregierung nehme die Bedenken der Länder ernst, heißt es in dem Dokument, doch sei der Straferlass „aus Gerechtigkeitsgründen geboten“.  

Er stellt aber unter anderem mehr Geld für Präventionsmaßnahmen in Aussicht und eine Änderung, was die Kontrollen der Anbauvereinigungen anbelangt. Bislang sollten die Cannabis-Clubs, in welchen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen können, jährlich kontrolliert werden. Nun schlägt der Minister die flexiblere Formulierung „regelmäßige Kontrollen“ vor. 

Aufgeschreckt haben dürfte einige Vertreter von SPD und Grünen zudem Äußerungen von Unionspolitikern, die nahelegen, dass sie den Vermittlungsausschuss nicht für Veränderungen am Gesetz, sondern für eine Totalblockade nutzen könnten. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer schrieb am Wochenende auf X, früher Twitter: „Mein Ziel ist es, dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskommt.“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bezeichnete dies am Dienstag als „wünschenswert“. 

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Die Sorge ist, dass die Union etwa verhindern könnte, dass das Gesetz in einem möglichen Vermittlungsausschuss überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt wird. Minister Lauterbach warnte: „Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft“, schrieb er auf X. Damit hätte man die einmalige Chance verpasst, eine „gescheiterte Cannabispolitik zu beenden“.

Wie die Entscheidung am Freitag ausfällt, ist noch offen. Bayern und das Saarland etwa haben in den vergangenen Tagen erklärt, das Gremium einschalten zu wollen. In anderen Ländern, etwa Berlin und Niedersachsen, sieht es nach einer Enthaltung aus. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte am Dienstag, sie gehe nicht davon aus, dass das Gesetz scheitere. Allerdings werde sich vieles erst im letzten Moment klären, so die SPD-Politikerin. 

Erst nach unterschiedlichen Kamingesprächen am Donnerstagabend vor der Bundesratssitzung wisse sie, wie Rheinland-Pfalz final abstimmen werde. Bis zuletzt ist alles offen.

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