Georg Stamatelopoulos: EnbW-Chef zur Energiewende: „Wir Deutsche müssen das hinbekommen!“

Um die Energiewende zu schaffen, fordert Georg Stamatelopoulos, Chef des Stuttgarter Energiekonzerns EnBW, das Speichern von CO2 unter der Erde zuzulassen. Ein Gespräch auf der Baustelle eines wasserstofffähiges Gaskraftwerk

 

Herr Stamatelopoulos, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat kürzlich verkündet, Deutschland sei bei der Energiewende „auf Kurs“. Schaffen wir tatsächlich den Kohleausstieg 2030?
Man muss vorausschicken: Gesetzlich ist nach wie vor ein Kohleausstieg im Jahr 2038 vorgegeben. Die Bundesregierung will diesen Termin möglichst auf 2030 vorziehen, so steht es im Koalitionsvertrag. Das Vorhaben ist überaus ambitioniert, aber noch könnten wir es schaffen. Wir haben immer gesagt, dass es für einen beschleunigten Kohleausstieg deutliche Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze braucht. Auch sind dafür schnelle Investitionen in neue flexible, wasserstofffähige Gaskraftwerke notwendig. Dafür müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dieser Ball liegt jetzt bei der Politik. 

EnBW positioniert sich gern als Vorreiter der Energiewende. Aber nicht nur bundesweit, auch bei Ihnen hapert es beim Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Stromnetzen. Was, wenn uns die Transformation am Ende doch nicht gelingt? 
Das wäre ein fatales Signal. Überall schreitet die Dekarbonisierung voran, in allen Bereichen der Wirtschaft, in allen Teilen der Welt. Wir müssen das hinbekommen. Und ich glaube, dass wir als EnBW dafür auch alles tun, was unter den gegebenen Bedingungen möglich ist. 

Georg Stamatelopoulos

Sie haben begonnen, wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen, noch bevor die Bundesregierung ihre Kraftwerksstrategie bekanntgegeben hatte. Was macht sie zuversichtlich, dass sich diese Milliardeninvestition rechnet?
Ja, wir waren schnell, die drei Kraftwerke werden schon 2026 in Betrieb gehen, und das bereitet mir keine schlaflosen Nächte. Zum einen produzieren diese Gaskraftwerke auch Fernwärme für Industrie und Haushalte, was zusätzliche Erlöse bringt. Außerdem erhalten wir den „Fuel-Switch-Bonus“ (Förderung wegen  Brennstoffwechsels, Red.), weil wir dafür Kohlekraftwerke abschalten. Die Umstellung des Brennstoffs ist sofort gut fürs Klima: Erdgas emittiert bis zu 60 Prozent weniger CO2 als Kohle.

Wie lief die Genehmigung? Haben die Behörden zügig gearbeitet?
So ein Kraftwerk ist ein großes Vorhaben mit einer beträchtlichen Komplexität. Vor diesem Hintergrund lief die Zusammenarbeit insbesondere mit dem Regierungspräsidium Stuttgart gut. Den Antrag hatten wir Anfang 2023 eingereicht, die Entscheidungen zu Teilgenehmigungen fielen dann relativ schnell und fristgerecht, wenngleich noch nicht komplett digital. Hier in Altbach konnten wir so bereits mit den Baumaßnahmen beginnen. 

Um 2030 aus der Kohle auszusteigen, müssen bundesweit mindestens noch 17 weiter Gaskraftwerksblöcke entstehen. Ist das noch zu schaffen?
Theoretisch ja. Von Antrag bis zur Inbetriebnahme reichen im besten Fall vier bis sechs Jahre aus. 

Theoretisch?
Die Frage ist: Gibt es ausreichend Fertigungskapazität? Es herrschen große Engpässe bei der Produktion von Gasturbinen. Nicht nur Deutschland braucht sie, sondern ganz Europa, die ganze Welt. Geeignete Hersteller können Sie an einer Hand abzählen. Und: Wenn jetzt alle Schlange stehen, dann wird man natürlich auch einen deutlich höheren Preis bezahlen müssen, um schnell bedient zu werden.

Auch nach grünem Wasserstoff verlangt die ganze Welt. Wann, glauben Sie, wird er ausreichend bereitstehen, um ihre Gaskraftwerke damit wirklich klimaneutral betreiben zu können?
Wir gehen von Mitte der dreißiger Jahre aus. Ich zögere da etwas, denn auch hier hängt viel von den Rahmenbedingungen ab. Wird nur „grüner“ Wasserstoff für die Kraftwerke zugelassen, der mit Hilfe von Grünstrom durch Elektrolyse gewonnen wird, dann ist eine schnelle Umstellung schwieriger, denn dafür gibt es noch nicht ausreichend Kapazität. Wenn man auch „blauen“ Wasserstoff erlaubt, der aus Erdgas gewonnen wird und dem im Prozess das Co2 entzogen wird, dann können wir vielleicht schon Anfang der dreißiger Jahre umsteigen. STERN Analyse Rückgang CO211.29

Die Technik, CO2 zu entziehen und langfristig unter der Erde zu verpressen – CCS genannt – ist hierzulande umstritten und faktisch verboten. Glauben Sie, dass dieses Verbot fallen muss? 
Dazu gibt es ja inzwischen schon einen Gesetzentwurf, es findet also offensichtlich ein Umdenken in der Politik statt. Klimapolitisch wäre es wünschenswert. Für unsere Kraftwerke planen wir nicht damit:  Die Errichtung der Infrastruktur benötigt auch hier vermutlich fünf bis zehn Jahre. Man braucht zum Beispiel Pipelines, die das CO2 zu einem sicheren Speicherungsort bringt, in der Regel sind das küstennahe Standorte oder der Ozean selbst. Wenn ich mir anschaue, welche Schwierigkeiten es gibt, in Deutschland auch nur eine Windkraftanlage oder Stromtrasse zu genehmigen, dann bin ich bei solchen das Land durchquerenden CO2-Pipelines nicht wirklich zuversichtlich.

Was wäre nach Ihrer Meinung eine angemessene Genehmigungsfrist für Klimaprojekte? 
Ein bis anderthalb Jahre, dahin muss die Politik kommen.  Die Herausforderung: Windräder werden dezentral genehmigt. Das ist gut so, aber es fehlte in der Vergangenheit oft an Personal, um viele Anträge parallel zu bearbeiten. Die Landesregierung Baden-Württembergs hat inzwischen eine Art Wettbewerb installiert, welche Landkreise am besten vorankommen. Ich glaube, so etwas greift zusammen mit der Aufstockung des Verwaltungspersonals und kann das Tempo noch mal deutlich erhöhen.

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