Glassdoor: Auf dieser Webseite lästerten Angestellte über ihre Chefs – dann schaltete sie plötzlich die Klarnamen frei

Bei welchen Firmen will man wirklich arbeiten? Diese Frage beantwortet in den USA oft Glassdoor. Im Schutze der Anonymität konnten die Angestellten dort so richtig ihre Meinung über die eigenen Arbeitgeber loswerden. Nach einer unangekündigte Änderung dürften viele das bereuen.

Bevor man einen neuen Job anfängt oder sich auch nur bewirbt, sind manche Informationen Gold wert. Wie ist die Stimmung in der Firma wirklich? Was verdienen die anderen? Welche Abteilungen sollte man unbedingt meiden? In den USA findet man die Antwort auf diese Fragen bei Glassdoor. Der große Vorteil der Seite: Weil man sie anonym nutzen kann, ist die Kritik deutlich ehrlicher, als wenn man Folgen fürchten müsste. Doch das ändert sich nun: Die Seite hat begonnen, heimlich im Hintergrund die Klarnamen der Nutzer zu sammeln.

Darauf wies zuerst die Software-Entwicklerin Monica in einem Blogpost hin. Sie habe gerade einen „riesigen Fehler“ begangen, gibt sie dort zu. „Ich musste Glassdoor wegen eines Account-Problem kontaktieren“, berichtet sie. Ihr Fehler: Sie nutzt dazu eine Mail-Adresse mit ihrem Klarnamen – und entdeckte ihn wenige Tage, wie er über ihrem Account prangte. „Glassdoor verlangt nun euren echten Namen. Und fügt ihn auch nachträglich in euer Profil ein, wenn sie ihn erfahren.“ Ihr radikaler Schluss: „Es ist Zeit, den Glassdoor-Account und alle meine Daten dort zu löschen.“

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Plötzlich nicht mehr völlig anonym

Die Änderung trat schon im Sommer in Kraft, fand „Ars Technica“ heraus. Der Grund ist eine Übernahme: Glassdoor hatte mit Fishbowl eine weitere Networking-App eingekauft, im Sommer beide Dienste im Hintergund miteinander verkünpft. Der große Unterschied zwischen den beiden Diensten: Während Glassdoor sich vorher komplett anonym nutzen ließ, verlangt Fishbone eine Verifikation des Accounts mit echten Daten. Und so war durch die Hintertür auch bei Glassdoor eine Klarnamen-Pflicht eingeführt worden.

Von der bekommen viele Nutzer erstmal gar nichts mit. Die Seite meldete sich nicht wegen des Namens, fragt nicht nach der Erlaubnis zur Nutzung. Erfährt sie ihn aber, werden die Daten im Profil automatisch verknüpft. Angekündigt wurde das an einer Stelle, wo es wohl kaum jemand mitbekommt: In einer Änderung der Nutzungsbedingungen hatte Glassdoor plötzlich eine Verifizierungs-Pflicht eingeführt. „Wenn ein Nutzer uns Informationen zur Verfügung stellt, ob beim Anmelden oder beim Hochladen eines Lebenslaufs, werden diese automatisch über alle Glaassdoor-Dienste gespeichert“, bestätigte ein Sprecher gegenüber „Ars Technica“.

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Lästern über den Job: Angst vor den Folgen

Dass die Nutzer nun Panik bekommen, ist durchaus berechtigt: Viele der Rezensionen von aktuellen oder ehemaligen Arbeitsplätzen auf der Seite sind ausgesprochen harsch. Da wird über den Vorgesetzten hergezogen, die Unfähigkeit der Führung oder das Gehalt offen kritisiert. Kein Wunder also, dass viele Nutzer schon vorher vorsichtig waren. Sie haben ihre Arbeitsstelle nicht allzu genau beschrieben, um nicht indirekt erkennbar zu sein. 

Mit einem Klarnamen müssen viele nun nicht nur den Jobverlust, sondern sogar rechtliche Probleme wegen Rufschädigung fürchten. Und das, ohne dass es von Glassdoor irgendeine Form von Vorwarnung gegeben hätte.

Schwere Löschung

Wie konkret diese Gefahr tatsächlich ist, weiß aktuell aber noch niemand. Denn: Bisher wird der Klarname nur dem nichtöffentlichen Profil hinzugefügt. „Die Nutzer können sich entscheiden, alle Dienste weiter anonym zu nutzen“, so der Sprecher des Unternehmens. Vielen Nutzern stößt allerdings bereits sauer auf, dass ihre Daten überhaupt gespeichert werden. „Sie brauchen meinen Namen nicht, um ihre Dienste anbieten zu können“, echaufffiert sich etwa ein Nutzer bei Reddit. Andere bestätigen, dass sie ihre Accounts bereits gelöscht hatten. 

Das wiederum ist gar nicht so einfach: In den Einstellungen lässt sich der Account nur deaktivieren, die Daten bleiben gespeichert. Nur über ein Formular kann man tatsächlich die vollständige Löschung der Daten beantragen.

Unsichere Lage

Dass die Nutzer trotz des vermeintlichen Schutzes ihrer persönlichen Daten aufgebracht sind, hat mehrere Gründe. Zum einen bleibt im Internet immer das Risiko eines Datenlecks. Würden die Daten Glassdoors oder auch Fishbowls auf die eine oder andere Art im Netz landen, könnten Firmen schnell die Mitarbeiter identifizieren, die im Netz schlecht über sie urteilten. Zum anderen gab es bereits Versuche, mit Klagen Glassdoor zur Herausgabe der Daten zu zwingen. Liegen nun Echtdaten vor, könnten Firmen sich die Identität der Mitarbeiter auch mit einem Durchsuchungsbeschluss einholen, so die Furcht der Angestellten. 

Die ungefragte Bearbeitung des Accounts stößt allerdings auch abseits des Klarnamens sauer auf. Josh Simmons, ein Manager bei einem Start-up, berichtet gegenüber „Ars Technica“, dass sein Profil mit falschen Angaben gefüllt worden war. „Es war bizarr, ich hatte diese Daten nie zur Verfügung gestellt und es ist eine ziemlich wilde Mischung an Daten“, berichtet er. So habe Glassdoor den Namen seines Arbeitgebers verfälscht, seinen Arbeitsstandort mit London angegeben – obwohl er in Kalifornien arbeitet. Auch Simmons sah letztlich für sich nur einen Ausweg: Bevor die Firma die Daten noch weiter verfälschte, wählte er lieber die Löschung. 

Quellen: Blogpost, Ars Technica, Reddit

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