Friedrich Merz ringt um gute Kontakte zu Donald Trump. Das ist noch schwerer als in der ersten Amtszeit. Hilft Freundlichkeit, Stärke oder letztlich ein kleiner Ball?
Jens Spahn ist Donald Trump so nah wie wenige andere deutsche Politiker. Zumindest an diesem 15. Juli 2024. Nur 48 Stunden zuvor hat das Attentat auf den Republikaner die Vereinigten Staaten schockiert. Fotos seines blutenden Ohrs gehen um die Welt.
An jenem Montag danach steht der CDU-Mann Spahn rund 20 Meter entfernt vom 78-Jährigen auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee am Lake Michigan. Der Vizefraktionschef der Union ist einer von wenigen deutschen Beobachtern, er frischt Kontakte auf zu Trump-Mitarbeitern und konservativen Unternehmern. Sein Freund „Ric“, so nennt Spahn den früheren US-Botschafter Richard Grenell, vernetzt ihn. Auf Instagram postet er Fotos davon.
Friedrich Merz schickt seine Leute in die USA
Spahn ist Teil eines Vorauskommandos, er soll vorfühlen für seinen Chef, Friedrich Merz. Er spürt eine „fast religiös anmutende Stimmung auf dem Parteitag“, so erinnert er sich. An diesem heißen Julitag sei ihm klar geworden, sagt Spahn heute, wer diese Präsidentschaftswahl gewinnen werde.
Kommende Woche tritt Trump zum zweiten Mal das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika an, Merz will ein paar Wochen später Kanzler werden. Der Umgang mit Trump könnte dann eins seiner größten Probleme werden.
Wie gut vorbereitet ist Merz?
„Der erhobene Zeigefinger aus Deutschland hat in Amerika noch nie Eindruck gemacht“, sagte Merz kürzlich. Für Moralpredigten in Richtung der USA haben sie in der Unionsführung wenig übrig. Eine Überhöhung, wie sie Angela Merkel in der ersten Amtszeit Trumps als „Führerin der freien Welt“ erfuhr, wäre Merz suspekt, er fand das überzogen – und hinderlich für deutsche Interessen.
Merz kann sich schön lustig machen über das Statement von Olaf Scholz, zu dem der Kanzler eilends lud, um den designierten Präsidenten zur Wahrung europäischer Grenzen zu ermahnen. Trump hatte gerade mit der Annexion Grönlands gedroht.
Merz will ganz anders vorgehen als Olaf Scholz
Die vierminütige Belehrung aus Berlin habe Trump sicher sehr beeindruckt, unkte Merz kürzlich. Dann wird er ernst: „Wenn man sich Kredit verspielen will, dann muss man es genauso machen.“
Kann er es besser? Sein Problem ist: Enge Kontakte hat auch Merz bisher kaum. Über die Internationale Demokratische Union, eine Art Dachverband konservativer Volksparteien, gibt es einen Draht zum künftigen Außenminister Marco Rubio und dessen Sicherheitsberater, Mike Waltz. Unionsvertreter trafen ihn im Dezember in Washington. Ansonsten beschränken sich die Kontakte auf Senatoren, meist aus dem Partei-Establishment, mit dem Trump gebrochen hat.
Ein echtes Trump-Lager gebe es nicht mehr, sagt einer, der für die Union in den USA sondiert. Und Washington sei, anders als früher, nicht mehr die richtige Anlaufstelle. Die Gewichte hätten sich nach Florida verlagert, ins Mar-a-Lago, und dort war noch keiner. Bessere Kontakte in die Residenz hat die AfD, Stichwort: Elon Musk.
Zu viel Nähe zu Trump darf sich Merz nicht erlauben
Für Merz ist die neue Regierung eine ambivalente Geschichte. Mehr als 100 Mal war er in den USA. Lange hoffte er, mit seinen Erfahrungen in der amerikanischen Businesswelt bessere Zugänge in Trumps Kreise zu finden als Scholz und andere. „Wir kämen schon klar“, sagte er über Trump im November 2020. Es klang fast so, als warte er nur darauf, ihn mal näher kennenzulernen.
Jens Spahn besuchte 2017, damals als Finanzstaatssekretär, als erster Vertreter der Regierung unter Angela Merkel die Trump-Regierung. Heute gehört er zum inneren Kreis von Merz. Spahn selbst sagt knapp: „Wir müssen aus nationalem Interesse ein gutes Verhältnis zu den USA unter Donald Trump pflegen.“ Und wenn es komplett irre wird? „Im Zweifel sollten wir also ein freundliches Gesicht aufsetzen.“
Ausführlich haben sich Merz’ Leute mit den unterschiedlichen Ansätzen von Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gegenüber Trump auseinander- gesetzt. Es ist Macron, der in der Union heute als Vorbild gilt. Zur Wiedereröffnung der Kirche Notre-Dame lud er nicht etwa Präsident Joe Biden ein, sondern: Trump.
Ein Japaner gilt als Vorbild im Umgang mit Trump
Für ähnlich geschickt hält man in der Union das Agieren des ehemaligen Premierministers von Japan, Shinzō Abe. Er pflegte ein hervorragendes Verhältnis zu Trump. Abe hatte verstanden, dass Trumps Weltsicht ein Desaster für Japan werden könnte. Das Land ist wie Europa auf freien Handel und militärische Unterstützung der USA angewiesen. Also umwarb Abe den Präsidenten, besuchte ihn als erster Regierungschef in Mar-a-Lago, charmierte. Mit Erfolg.
Kommentar Trump Rede Mar-a-Lago 15.33
Freundlicher Friedrich statt Führer der freien Welt? Nein, im deutschen Wahlkampf geht so eine Strategie nicht auf. Bloß nicht als Anhängsel der USA erscheinen! Je imperialer und provozierender der Immobilienmogul auftritt, desto riskanter wäre es für Merz, vor der Wahl in den Verdacht eines Trump-Verstehers zu geraten.
Wohl auch deshalb äußert sich Merz dosiert zu amerikanischen Fragen, zum Beispiel im stern im November: „Ich beobachte Trump, spreche mit vielen Leuten, die ihn sehr gut kennen. Die sagen mir: Du musst ihm mit aufrechtem Gang und Klarheit begegnen.“ Heißt“ aus Merz’ Sicht: im Zweifel auch hart verhandeln. „Trump würde es einen Deal nennen.“
„Aus die USA brauchen Partner in der Welt“
Für so einen Deal brauchte man aber erst mal Verhandlungsmasse. „Politische Macht resultiert aus wirtschaftlicher und militärischer Stärke“, sagt Thomas Silberhorn, Transatlantik-Koordinator der Unionsfraktion im Bundestag.
Er warnt vor Panik. Man dürfe nicht alles wörtlich nehmen, was Trump von sich gebe. Eine Mauer zu Mexiko stehe bis heute nicht, es gehe Trump um knallharte Interessen. China stelle für die USA und Europa einen gemeinsamen Konkurrenten dar. „Auch die USA brauchen Partner in der Welt“, sagt der CSU-Politiker.
Merz erklärt seine Strategie in diesen Tagen wie folgt: „Wir haben mit 450 Millionen Einwohnern und der europäischen Wirtschaftskraft mehr zu bieten als die USA und Kanada zusammen. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, sind wir stark.“ Diesen Geist, dieses Selbstbewusstsein soll auch Merz’ Grundsatzrede zur Außenpolitik ausstrahlen, die er drei Tage nach Trumps Amtsantritt im Berliner „Hotel de Rome“ halten will. Er verfasst sie in diesen Tagen.
Wird Donald Trump die AfD unterstützen?
Und doch droht gerade der Union mit Trump ein Chaos-Moment, über das bisher kaum gesprochen wird. Was passiert, wenn der Präsident sich seinem Berater Elon Musk anschließt, offensiv die AfD unterstützt? Wenn die republikanische Schwesterpartei zur Gegnerin wird?
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Der Wunsch nach neuer Kraft, nach Disruption, der begegne ihm bei seinen Gesprächen in den USA häufig, warnt Jens Spahn. „Ich erkläre dann, dass sich die Union seit Trumps erster Amtszeit unter Friedrich Merz inhaltlich erneuert hat“, sagt er. „Donald Trump hat doch kein Interesse daran, dass in Deutschland eine Putin-freundliche Partei erstarkt.“
Nach Washington wird Merz nicht mehr reisen vor der Wahl. Aus Vorsicht, aus Zeitnot – in Wahrheit auch, weil auf republikanischer Seite ein echter Ansprechpartner fehlt. Spahns Freund Richard Grenell sei auch nichts geworden in der neuen Trump- Regierung, wird in der Union gelästert. Es ist eine Spitze, die den fehlenden Einblick in die neue, vielstimmige republikanische Elite gut illustriert. Jeder fischt woanders im Trüben.
Helfen könnte Merz ein 46 Gramm schwerer Ball
Für Merz entscheidet sich sein Draht zu Trump womöglich an einer knapp 46 Gramm schweren Kugel. So viel wiegt ein handelsüblicher Golfball. Trump hat seinen Lieblingssport oft als Mittel der Diplomatie verwendet. Fünf Mal spielte er in der Vergangenheit mit dem Japaner Abe.
Erstens golft Merz selbst passabel, zweitens, ist zu hören, stecke er in einem Formtief. Zum Trainieren komme er im Wahlkampf kaum. Aber das muss kein Nachteil sein. Eine Niederlage gegen den Gastgeber wäre vielleicht in nationalem Interesse.