Gewährt eine Kirchengemeinde einem Geflüchteten oder einer Familie Asyl, ist das ein Zeichen von Menschlichkeit. Zugleich ist damit großer Aufwand verbunden. Die Nachfrage nach Hilfe ist groß.
Die Gemeinden der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gewähren immer öfter Kirchenasyl. In diesem Jahr seien mehr als 100 Fälle neu hinzugekommen, nach 85 im Vorjahr und 54 im Jahr 2022, so die Kirche. Im Bereich Thüringen gibt es aktuell 15 Fälle, 39 in diesem Jahr begonnene Kirchenasyle konnten bereits wieder beendet werden.
In der Entwicklung spiegelt sich nach Einschätzung der EKM die starke Abwehr von Flüchtlingen in einigen anderen Ländern der EU, aufgrund derer sich geflüchtete Menschen nicht vorstellen könnten, dort zu bleiben. Hinzu kämen enge verwandtschaftliche Bindungen zu Personen, die schon in Deutschland leben.
Bei den allermeisten Schutzsuchenden handelt es sich um syrische Staatsbürger. Über die Gewährung von Kirchenasyl entscheidet das Leitungsgremium der Kirchengemeinde. Dabei gibt viele Herausforderungen. Es ist ein Überblick über die konkrete Gefährdungssituation und die drohende humanitäre Härte nötig. Es stellen sich die Fragen nach den Räumlichkeiten, der Versorgung und Seelsorge. Wer im Kirchenasyl aufgenommen ist, darf das Gebäude beziehungsweise das Grundstück nicht verlassen.
Landesbischof: Anfeindungen nehmen zu
EKM-Landesbischof Friedrich Kramer sagte: „Die Anfeindungen gegenüber im Kirchenasyl Engagierten nehmen massiv zu, das muss man sagen. Das ist von unseren Gemeinden sehr mutig.“ Er verwies auf den insgesamt raueren Ton in der Gesellschaft, den viele zu spüren bekämen. „Es ist eine Vernetzung mit der Landeskirche wichtig und dass die Kirchenasyle voneinander wissen und sich wechselseitig stärken.“
Kramer betonte: „Und ich bin stolz auf unsere Gemeinden, die den Mut haben, das zu tun. Die sich dann trotz auch Infragestellung und Anfeindungen nicht davon abbringen lassen. Und die sagen, wir haben hier eine Aufgabe, Menschen in ihrer Würde auch zu schützen.“ Der Landesbischof sagte weiter: „Dass sich die ganzen Migrationsfragen damit nicht lösen lassen, ist völlig klar. Aber hier geht es um Menschlichkeit, um den konkreten Fall. Dass wir unser Herz nicht verhärten, sondern die konkrete Situation sehen, in der die Familien und einzelne Menschen stehen.“
Katholisches Bistum
Im Bistum Erfurt gab es laut einer Sprecherin in den vergangenen Jahren kein Kirchenasyl in katholischen Gemeinden. „Im laufenden Jahr sind es zwei.“ Bei den Menschen, die um Kirchenasyl bitten, handelt es sich zumeist um sogenannte Dublin-Fälle, also Menschen, die in einem anderen Land angekommen sind und nach geltender Rechtslage eigentlich dort ihren Asylantrag stellen müssten.
„Die Voraussetzungen zur Gewährung von Kirchenasyl sind hoch und nicht in jedem Fall gegeben“, so die Bistumssprecherin weiter. „Zum einen müssen schwerwiegende Gründe vorliegen und nachweisbar sein, warum die Rückkehr in das europäische Land, in dem ein Betroffener sein Asylverfahren eigentlich betreiben müsste, eine besondere Härte darstellen würde.“ Zum anderen gebe es hohe praktischen Herausforderungen.
Finanzielle Lasten und Aufgaben
„Es ist für eine Gemeinde oder eine Ordensgemeinschaft bei aller vorhandenen Hilfsbereitschaft auch eine Frage der Verantwortung, ob die Erfüllung der mit einem Kirchenasyl einhergehenden finanziellen Lasten und Aufgaben bis zum Ende auch garantiert werden kann“, hieß es weiter.
Bischof Neymeyr hält „das Kirchenasyl für gut, wenn dadurch die Möglichkeit geschaffen wird, im ganz konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Abschiebung in ein anderes europäisches Land einem Menschen nicht zuzumuten wäre und sein Asylverfahren besser in Deutschland durchgeführt werden würde. Wir machen uns keine dieser Entscheidungen leicht, machen aber von dieser Möglichkeit nur im Ausnahmefall Gebrauch.“