Soziale Dienste: Kinder- und Jugendheime suchen händeringend Personal

Fachkräftemangel und Finanzsorgen bilden die größten Probleme für Kinder- und Jugendheime. Die Liste der Herausforderungen für die Häuser in Thüringen ist lang.

Die Kinder– und Jugendheime in Thüringen sehen sich immer größeren Herausforderungen gegenüber. „Der Bedarf nach Plätzen in der stationären Kinder- und Jugendhilfe hat sich in den vergangenen Jahren, insbesondere während der Corona-Pandemie und in Zeiten anderer Krisen, verschärft“, sagte Thomas Müller vom Caritasverband für das Bistum Erfurt.

Dieser Trend wird auch vom Bildungsministerium bestätigt. Rein statistisch sei die Nachfrage in den vergangenen Jahren zwar gesunken, sagte eine Ministeriumssprecherin. Das sei aber vermutlich auf den Rückgang der Unterbringung minderjähriger unbegleiteter Ausländerinnen und Ausländer zurückzuführen. In der Praxis sei hingegen kein Rückgang spürbar. Vielmehr sei eine konstante Vollbelegung oder sogar eine genehmigte temporäre Überbelegung in den meisten stationären Einrichtungen der Alltag.

Die Liste der Herausforderungen für Kinder- und Jugendheime sei lang, so die Experten. Sie reiche vom Sanierungsbedarf der Gebäude über zu geringe Pflegesätze und eine untertarifliche Bezahlung der Beschäftigten bis hin zu zunehmend schwierigen Verhaltensweisen von Jugendlichen. 

Größtes Problem sei, dass die Arbeit in den Heimen für viele Erzieher weniger attraktiv sei als etwa die in einer Kindertagesstätte. Das habe etwa mit Schicht-Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenenddiensten, aber auch mit der vergleichsweise hohen psychischen Belastung zu tun. Die Umstände seien aber regional sehr unterschiedlich. 

Bewerber fehlen – Seiteneinstieg schwierig

Dass auch in großen Städten mitunter Bewerbermangel herrscht, zeigt sich in Erfurt: Die Personalsituation sei aktuell zwar gut, bis zum Oktober habe es aber kaum geeignete Bewerber für ausgeschriebenen Stellen der Kinderheime der Arbeiterwohlfahrt gegeben, sagte Einrichtungsleiter Kai Werner.

In der Praxis zeige sich, dass einige der Probleme hausgemacht seien, ergänzt die pädagogische Leiterin der Kinderarche in Tröbnitz (Saale-Holzland-Kreis), Sabine Bösemann. So sei es nicht nachvollziehbar, dass es keine geeigneten Wege zur Qualifizierung von Seiteneinsteigern gebe. Selbst für Menschen mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Jugendarbeit sei es nicht möglich, unkompliziert in den Beruf Kinderheimerzieher einzusteigen. 

„Dabei sind Menschen mit Herz, Verstand und Lebenserfahrung genau das, was wir eigentlich brauchen“, so Bösemann. Solche Eigenschaften seien für die Arbeit oft gewinnbringender als ein abgeschlossenes Studium. Hier müssten dringend neue und flexiblere Möglichkeiten geschaffen werden. „Ansonsten werden in Zukunft immer mehr Einrichtungen schließen müssen – und es wird immer weniger der ohnehin schon knappen Plätze geben“, ergänzte Bösemann.

Auch die fünfjährige Erzieherausbildung sei zu lang, zumal die Arbeit in Heimen thematisch nur einen Bruchteil des hauptsächlich auf Kindergärten ausgerichteten Ausbildungspensums ausmache.

Heimkinder oft mit Vorurteilen konfrontiert

Doch auch in der Gesellschaft sei ein Umdenken in Bezug auf Kinder und Jugendliche in Heimen nötig, sind sich Bösemann und Werner einig. Vor allem aus Unwissenheit würden die jungen Menschen oft mit negativen Vorurteilen als „Heimkinder“ belegt und abgestempelt. Erzieher müssten immer darum kämpfen, dass die Kinder und Jugendlichen neutral und ohne Vorurteile wahrgenommen würden.

Gerade in der Vorweihnachtszeit, doch auch über das Jahr verteilt seien Spenden für die Arbeit der Heime essenziell, so die Caritas. Sie trügen zur Finanzierung von allem bei, was außerhalb der Regelfinanzierung liege. Dazu zähle etwa, persönliche Wünsche der Kinder zu erfüllen – auch kleine Dinge wie Nikolausgeschenke oder Adventskalender bis hin zu Ausflügen oder Urlaubsfahrten würden mit Spenden finanziert. Auch Sachspenden könnten einen wichtigen Beitrag leisten.

Aktuell gibt es in Thüringen dem Bildungsministerium zufolge 440 Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe, die sich in rund 720 Standorte aufgliedern und insgesamt 4.063 Plätze bieten. Unter dem Dach des Bistums Erfurt gibt es vier Einrichtungen mit insgesamt 70 Plätzen. Die Kinderarche in Tröbnitz bietet Platz für zehn Kinder.

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